Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet GUNTER

(getauft am 10.01.2015)

 

Am 09.01.2015 entstand unterhalb einer stark gebündelten zonalen Höhenströmung im Niveau von 500 hPa, was einer Höhe von ca. 5,5 km entspricht, am Boden einer neuer Tiefdruckwirbel über Neufundland. Dieser Wirbel wurde am Folgetag auf den Namen GUNTER getauft und wies um 00 Uhr UTC dieses Tages, was 01 Uhr MEZ entspricht, im Kern einen Druck von unter 1000 hPa auf. Das Tief besaß bereits zu diesem Zeitpunkt eine Okklusionsfront, welche durch das Einholen der Warmfront durch die schneller ziehende hintere Kaltfront entsteht und diese damit Eigenschaften beider Frontenarten aufweist. Vom Kern der Zyklone erstreckte sich diese Okklusionsfront über Neufundland nach Süden bis zum Okklusionspunkt, wo sich diese in eine weiter nach Südwesten entlang Küste der Vereinigten Staaten verlaufende Kaltfront und eine in südöstliche Richtung reichende Warmfront aufteilte.

Der Höhenströmung folgend verlagerte sich die nun Sturmtiefcharakter annehmende Zyklone weiter nach Westnordwest und befand sich am 11.01. um 00 Uhr UTC bereits über der Südspitze Grönlands. Der Kerndruck des Tiefs hatte sich auf unter 980 hPa vertieft. Vom Kern verlief eine Okklusionsfront nach Osten, welche sich nach ca. 500 km in eine Kalt- und eine Warmfront aufspaltete. Die Kaltfront verlief bogenförmig über den Atlantik. Die weiter östlich gelegene Warmfront zog sich nach Südosten über den Nordatlantik. Rückseitig der Zyklone GUNTER verlagerte sich ein Teil eines über Kanada liegenden Kältepols mit Temperaturen bis -45°C in 500 hPa Richtung Nordwestatlantik. Durch diesen Kaltluftvorstoß konnte eine kräftige Frontalzone entstehen, welche die Entstehung von Sturm- und Orkanwirbeln begünstigte.

Bis zum 12.01. verlagerte sich das System GUNTER weiter nach Osten und spaltete sich in zwei Kerne auf. Der nördlichere Kern befand sich mit einem Kerndruck von unter 965 hPa zwischen Island und der Südspitze Grönlands, von wo sich die Okklusionsfront des Systems zum Wirbel GUNTER I nach Osten erstreckte, entlang der Südwestküste Norwegens verlief und sich dann bogenförmig in Richtung Westen reichend dem Tief GUNTER II nordwestlich der Britischen Inseln anschloss. Von dort zog sich die Kaltfront des Systems weit über den Atlantik bis über die Bermudainseln. Die Warmfront des Tiefdruckgebietes GUNTER I erstreckte sich in der Breite von Oslo von dessen Okklusion abspaltend über Dänemark bis nach Süddeutschland. Im Kernbereich des Wirbels GUNTER II traten dabei Windgeschwindigkeiten bis Stärke 12 auf der Beaufortskala, d.h. Orkanstärke, auf. Auf dem Cairngorm Mountain in Schottland, welcher in einer Höhe von 1245 m liegt, wurde am 12.01. eine Spitzenböe von 176 km/h gemessen, im tiefer gelegenen Aberdaron 122 km/h. Gegen 18 Uhr UTC erreichte die Zyklogenese des Wirbels GUNTER II mit einem Kerndruck von 940 hPa ihren Höhepunkt. Somit betrug die Luftdruckdifferenz zwischen dem Tief GUNTER und dem Hochdruckgebiet CARRY über dem westlichen Mittelmeer nahezu 95 hPa.

Bis zum Folgetag wurden im Einflussbereich des Wirbels GUNTER Luftmassen subpolaren Ursprungs bis nach Westrussland transportiert. So stieg in Moskau die Temperatur auf 0°C an. Auch in der Ukraine und in Weißrussland herrschte Tauwetter. Aus Kiew wurde eine Höchsttemperatur von 3°C, aus Zamosc an der ukrainisch-polnischen Grenze sogar 4°C gemeldet. Auch nach Deutschland wurden milde Luftmassen, transportiert, so dass die Temperaturen bis zum Abend meist auf 5 bis 10°C stiegen. Auf dem Brocken stieg die Temperatur bis 18 Uhr UTC auf 0°C an. In Berlin wurde eine Höchsttemperatur von 7°C registriert, in Westerland auf Sylt 8°C. Im französischen Toul Rosieres stieg die Temperatur unter Hochdruckeinfluss der Antizyklone CARRY sogar auf 13°C. In der Nacht zum 13.01. wirkte sich in Süddeutschland zunehmend dieser Höhenrücken mit Absinkbewegungen aus, so dass sich die Wolken auflösten. In der Nordhälfte Deutschlands dagegen fiel zeitweise Regen, welcher sich in Nordseenähe verstärkte und 12-stündige Niederschlagsmengen um 10 l/m² brachte. Dabei fielen in Itzehoe 14 l/m².

Der Wirbel GUNTER II verstärkte sich zum 13.01. zu einem Orkantief mit einem Kerndruck von 945 hPa über der Norwegischen See. Das Tief GUNTER I südwestlich von Island wies nun einen Kerndruck von unter 965 hPa auf. Vom Wirbel GUNTER I erstreckte sich sowohl eine Okklusion nach Westen, als auch eine Okklusionsfront nach Osten zum Tief GUNTER II. Von dort verlief die Front weiter nach Südosten über Skandinavien bis zum Teiltief GUNTER III über dem Bottnischen Meerbusen. Dort spaltete sich die Okklusion in eine über das Baltikum bis über die Ukraine reichende Warmfront und eine über die Ostsee, wellenförmig über die Nordsee, Südengland, über den Golf von Biskaya reichende Kaltfront auf, welche sich weit hinaus über den Atlantik zog. Unter dem Einfluss des Tiefdrucksystems GUNTER hielt der Zustrom sehr milder Luft im Großteil Europas an, nur im äußersten Norden und Nordosten Europas hielten sich Luftmassen arktischen Ursprungs. So wurde auf der Halbinsel Kola eine Tiefsttemperatur von -35°C gemessen. Der Warmsektor des Tiefs, d.h. der Bereich zwischen Warm- und Kaltfront, war mit subtropischer Luft gefüllt. Die Höchstwerte erreichten in Deutschland mit bis zu 16°C in Mühlacker oder Freiburg für Januar außergewöhnlich hohe Werte. Auch in Schlesien war es ungewöhnlich mild, in Oppeln/Opole stieg die Temperatur auf 12,5°C. Südlich des Mains schien die Sonne sogar länger als 8 Stunden. Im Norden und Nordwesten Deutschlands brachte hingegen die an der Kaltfront entlang ziehende Tiefdruckwelle zum Teil länger anhaltenden Regen. In St. Peter Ording wurden in einem Messzeitraum bis 06 Uhr UTC 15 l/m² und in Emden 15,5 l/m² gemessen.

Das komplexe Frontensystem des Tiefs GUNTER verlagerte sich bis zum 14.01. mit nur noch zwei Kernen nach Nordost. Tief GUNTER I lag um 01 Uhr MEZ mit einem Kerndruck von etwa 970 hPa südlich von Island. Westlich davon ging eine Höhenokklusion bis zur Südspitze Grönlands aus. Zudem war das Tief GUNTER I mit seiner Kaltfront, welche nach Nordosten zu einem unbenannten, aber in die Zirkulation von Tief GUNTER eingebunden Tief verlief, mit dem westnordwestlich von Norwegen gelegenen Tief GUNTER II verbunden. Der Wirbel GUNTER II wies einen Kerndruck von 965 hPa auf. Vom Zentrum der Zyklone GUNTER II verlief eine Okklusionsfront bis zum Okklusionspunkt über dem Baltikum. Von dort erstreckte sich eine Warmfront nahezu bis zum Fluss Don nahe der Stadt Woronesch. Die zugehörige weiter westlich gelegene Kaltfront verlief über Polen, Süddeutschland, Frankreich und Spanien bis über den Atlantik hinaus. Rückseitig des Tiefs kam es vor allem in Mittelnorwegen und Finnland, aber auch in den Alpen zu teils kräftigen Schauern. In Stryn fielen 24-stündig bis 06 Uhr UTC 10 l/m², in Bergen 11 l/m². An der Station Voss-Bo wenig nördlich von Bergen wurden um 06 Uhr UTC 116 cm Schnee gemessen. Unter dem Einfluss des Tiefdrucksystems GUNTER wurde Osteuropa noch immer von milden Luftmassen erfasst. So blieb es im Westen Russlands weitgehend frostfrei. In Moskau lag der Tiefstwert der Temperatur bei +2°C, die Höchsttemperatur bei +3°C. Erst östlich der Wolga herrschte Dauerfrost. In der Nähe des Urals gingen die nächtlichen Minima der Temperatur teilweise deutlich unter -20°C zurück. Auch in Nordeuropa herrschte strenger Frost mit Werten unter -10°C.

Bis zum 15.01. wurde der Wirbel GUNTER I in die Zirkulation des Sturmtiefs HERRMANN aufgenommen. Daher konnte nur noch ein Kern analysiert werden. Das Tief GUNTER befand sich mit einem Kerndruck von 970 hPa um 01 Uhr MEZ südöstlich von Jan Mayen über der Norwegischen See. Von dort verlief die Okklusionsfront in einem Bogen über Skandinavien bis zum Bottnischen Meerbusen, wo diese in das Frontensystem eines unbenannten Tiefs überging.

Zum Folgetag schwächte sich die Zyklone GUNTER auf ca. 980 hPa ab und wurde zunehmend in die Zirkulation des kräftigen über der Nordsee liegenden Wirbels HERMANN aufgenommen. Die Zyklone GUNTER zog währenddessen etwas nach Westen bis vor die Nordostküste Islands, mit einem Kerndruck von etwas unter 980 hPa. Das Frontensystem des Tiefs GUNTER erstreckte sich über den Nordatlantik, dem nördlichsten Skandinavien bis weit über Russland. Im Laufe des Tages wurde das Tiefdruckgebiet GUNTER komplett in die Zirkulation des Tiefs HERRMANN aufgenommen, sodass der Wirbel nicht weiter auf der Berliner Wetterkarte analysiert und namentlich verzeichnet werden konnte.

 

 
Geschrieben am 24.02.2015 von Natja Ruth Bublitz

Berliner Wetterkarte: 13.01.2015

Pate: Gunter Schütze