Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet GUNWALD

(getauft am 14.11.2015)

 

Mitte November gelangte der ehemalige Tropensturm KATE mit Kern über dem nordatlantischen Meer auf der gleichen Breite wie Genf in die Westwindzone. Auch auf der 500-hPa-Karte, also in einer Höhe von etwa 5,5 km, war eine starke westliche Strömung ausgeprägt, womit schon am 14. November ersichtlich war, dass der Wirbelsturm ex-KATE mit seinen Ausläufern Europa beeinflussen sollte. Mit dem Warmluftsektor, der Bereich zwischen der Warm- und Kaltfront eines Tiefdruckgebietes, gelangten sehr warme und feuchte subtropische und zum Teil sogar atlantische Luftmassen tropischen Ursprungs ostwärts in Bodennähe und in höhere Luftschichten, wo sie auf kühlere maritime Subpolarluft nordatlantischen Ursprungs trafen. Infolgedessen entstand im Laufe des 14. Novembers in bodennahen Schichten auf der Vorderseite des ehemaligen Tropensturms KATE an dessen Warmfront ein Tiefdruckgebiet, welches mit der dominierenden Höhenströmung ostwärts geführt werden konnte und daher an diesem Tag in der Prognose für den Folgetag auf den Namen GUNWALD getauft wurde. Erstmalig wurde das Tief GUNWALD auf der Berliner Bodenwetterkarte am 15. November um 00 Uhr UTC, was 01 Uhr MEZ entspricht, namentlich erwähnt. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Wirbelsturm ex-KATE mit seinem Tiefdruckkern etwa 600 km vor der Küste Nordirlands. Das Tief GUNWALD, das mit seinem Kern über der Nordsee genau zwischen England und den Niederlanden lag, schloss sich mit der sich nordwestlich vom Kern erstreckenden Kaltfront an die Warmfront des ehemaligen Tropensturms KATE an und war mit einem Kerndruck von knapp unter 1005 hPa im Vergleich zu dem Tief ex-KATE, der einen Kerndruck von etwas unter 995 hPa aufwies, relativ schwach ausgeprägt. Des Weiteren wurde eine Warmfront vom Tiefdruckkern des Wirbels GUNWALD leicht bogenförmig südostwärts, auf Höhe des Thüringer Waldes endend, analysiert.

Bis 00 Uhr UTC des 15. Novembers brachte das Tief GUNWALD im Zusammenspiel mit der Warmfront von dem Wirbelsturm ex-KATE große Niederschlagsmengen durch zum Teil ergiebigen Regen über England, Wales, Südschottland und Nordirland. Diese Regenmengen kommen durch die subtropische Meeresluft, die besonders viel Wasserdampf enthält, zustande. So wurden beispielsweise an der Nordküste Irlands an der Station Magilligan No 2 innerhalb von 12 Stunden 30 l/m² und weiter südlicher an der etwas höher gelegenen Wetterstation Connaught AP sogar 38 l/m² gemessen. In der schottischen Küstenstadt West Freugh kamen 25 l/m² und im englischen Bingley 22 l/m² zusammen. Im walisischen Snowdonia National Park gelegenen Capel Curig wurden landesweite Höchstwerte von 44 l/m² registriert. Des Weiteren wurden gebietsweise kleinere Niederschlagsmengen von 2 bis 8 l/m² in Nordfrankreich, Belgien, den Niederlanden und Nordwestdeutschland gemeldet, wie z.B. 2 l/m² am Flughafen in Brüssel und 8 l/m² auf Helgoland. Vereinzelt wurden größere Regenmengen in Den Helder mit 11 l/m² und in Bad Lippspringe mit 15 l/m² erreicht. Besonders auffällig sind die um 2 bis 7 Grad höheren Tiefstwerte in der Nacht vom 14. zum 15. November im Vergleich zur vorherigen Nacht. Grund dafür war der vom Tropensturm ex-KATE und vom Tief GUNWALD mitgeführte Warmluftsektor. Dieser sorgte dafür, dass beispielsweise die Minimumtemperatur am Londoner Flughafen Heathrow von 7°C auf 14°C anstieg. Im Tagesverlauf des 15. Novembers folgte das Tief GUNWALD mit gleichbleibendem Kerndruck der nordwestlichen Höhenströmung und verlagerte sich in Richtung Südosten. Dabei nahm der Wirbel GUNWALD Einfluss auf das Wettergeschehen in Norddeutschland, Tschechien, der Slowakei, den Nordosten Österreichs, Ungarn, Polen und im Norden von Rumänien sowie den Westen der Ukraine. Im Bereich der Fronten beherrschten anhaltender, zum Teil ergiebiger Regen und kein durch die dichten Wolken durchdringender Sonnenschein das Wetterbild dieser Gebiete. Die kühleren maritimen Luftmassen subpolaren Ursprungs wurden weiterhin durch die vom Wirbelsturm ex-KATE und Tief GUNWALD mitgeführten maritimen Luftmassen subtropischen Ursprungs verdrängt, so dass im Warmluftsektor von Tief GUNWALD für diese Jahreszeit recht hohe Höchsttemperaturen von 11 bis 19°C erreicht wurden. Nahe den Fronten wie beispielsweise an den Küsten in Norddeutschland wurden etwas kühlere 8 bis 10°C registriert. In der Südwesthälfte Deutschlands blieb es im Warmsektor nicht nur trocken, sondern auch aufgelockert bewölkt bis heiter. Dabei wurden am bayerischen Alpenrand hohe Temperaturmaxima erreicht. So stieg die Temperatur in Garmisch-Partenkirchen auf 20°C und in Salzburg sogar auf 22°C.

In denen vom Tief GUNWALD beeinflussten Gebieten kamen innerhalb von 24 Stunden bis zum 16. November um 00 Uhr UTC Niederschlagsmengen von 7 bis gebietsweise 20 l/m² zusammen, wie z.B. 7 l/m² im tschechischen Caslav und 19 l/m² im polnischen Kielce. In Norddeutschland wurden länger anhaltende Regenfälle beobachtet, verursacht durch die an der Warmfront des Wirbels ex-KATE entstandenen Hebungsprozesse durch Warmluftadvektion. 24-stündig fielen in einem Streifen von Niedersachsen bis Brandenburg verbreitet über 20 l/m². An der Wetterstation in Berlin-Dahlem wurden sogar 25 l/m² verzeichnet und damit die höchste Tagesmenge im Jahr 2015 erreicht. Noch höhere Regenmengen fielen im Harz und Thüringer Wald. So fielen auf der Schmücke 60 l/m² und auf dem Brocken 104 l/m². Im Zusammenspiel mit dem Ex-Wirbelsturm KATE konnten nach Frontendurchgang markante Böen in ganz Deutschland zwischen 50 und 80 km/h wie beispielsweise 58 km/h in Berlin-Tegel und 79 km/h in München registriert werden. In höheren Lagen wurden sogar orkanartige Böen wie z.B. auf dem Brocken mit 100 km/h gemessen. Zu diesem Zeitpunkt lag der Kern von Tief GUNWALD mit unverändertem Kerndruck über dem Nordwesten der Ukraine in etwa über der Stadt Kovel. Dabei erstreckte sich die Kaltfront vom Kern südwestwärts bis sie schließlich in etwa über Prag in die Warmfront des Tiefs ex-KATE überging. Die Warmfront reichte vom Kern leicht bogenförmig etwa 950 km nach Süden und endete über der bulgarischen Hauptstadt Sofia. Im weiteren Verlauf zog das Tief GUNWALD relativ zügig mit der Höhenströmung südostwärts über Osteuropa hinweg bis nach Russland. Das Einflussgebiet reichte bis in die Türkei. Im Warmluftsektor des Tiefs GUNWALD wurden subtropische Luftmassen südeuropäischen Ursprungs herantransportiert. Somit wurden beispielsweise an der Mittelmeerküste der Türkei nochmals bis zu 25°C erreicht wie beispielsweise in Alanya. Der Norden der Türkei war durch die Nähe zur Kaltfront von Tief GUNWALD um einiges kühler mit maximalen Temperaturen von 11 bis 14°C. Die Sonnenscheindauer betrug in diesen Gebieten nur 0 bis 5 Stunden, während sie im Süden bis zu 8 Stunden z.B. in Aydin und Anamur schien. Während des Durchgangs der Kaltfront wurden in Rumänien und Bulgarien an einigen Orten Sturmböen gemeldet. So wurden beispielsweise im rumänischen Roman Spitzenböen mit 72 km/h und im bulgarischen Sliven 86 km/h registriert.

Bis zum 17. November zog der Kern des Tiefs GUNWALD mit unverändertem Kerndruck bis zu der Ostseite des Schwarzen Meeres und befand sich um 00 Uhr UTC in etwa über der russischen Stadt Krasnodar. Bis zu diesem Zeitpunkt kamen im Norden der Türkei in den letzten 24 Stunden an der Station in Samsun 0,5 l/m² zusammen. In Rumänien fielen im gleichen Zeitraum vereinzelt 2 bis 4 l/m² und in Baia Mare wurden 8 l/m² registriert. Eine Okklusionsfront, d.h. eine Mischfront aus Warm- und Kaltfront, reichte in einem Bogen vom Schwarzen Meer über den Tiefdruckkern GUNWALD, bis sie sich in etwa auf Breite der russischen Ortschaft Stavropol an dem Okklusionspunkt in eine Warmfront, welche in Richtung Osten außerhalb des Analysebereichs der Berliner Wetterkarte verlief und eine Kaltfront, welche sich bogenförmig südlich des Schwarzen Meeres durch das Landesinnere der Türkei zog, bis sie zwischen Sofia und Belgrad in die bereits abgeschwächte Warmfront des fast vollständig okkludierten Wirbelsturms ex-KATE überging, aufspaltete. Der Okklusionspunkt stellt den Ort dar, an welchem die auf der Vorderseite des Tiefdruckgebietes liegende Warmfront von der nachfolgenden, schneller ziehenden Kaltfront eingeholt wird, wodurch sich eine Mischfront ausbildet. Im Laufe des 17. Novembers verlagerte sich das Tief GUNWALD in Richtung Osten und verließ den Analysebereich der Berliner Wetterkarte. Dies war somit der letzte Tag, an dem das Tief GUNWALD auf der Berliner Wetterkarte verzeichnet werden konnte.

 

 

Geschrieben am 04.01.2016 von Lisa-Marie Schulze

Berliner Wetterkarte: 16.11.2015

Pate: Gunwald Rohde