Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet HAKIM

(getauft am 20.01.2021)

 

Bereits am 18.01.2021 waren auf der Berliner Wetterkarte Strukturen zu erkennen, die auf die Entstehung eines neuen Tiefdruckgebietes hindeuteten. Bis zum 19.01. fiel der Druck über der Ostküste der USA auf ca. 1005 hPa, sodass sich deutlich eine Warm- sowie eine Kaltfront herausbilden konnten. Hinter der Warmfront befand sich warme Luft aus dem Süden, die nun in der zyklonalen Umströmung des Tiefs (gegen den Uhrzeigersinn) nach Norden vorrückte. Der Warmluftsektor wurde rückseitig durch eine Kaltfront begrenzt, welche kalte Luft mit sich brachte.

Bis zum 20.01. um 00 UTC, dem Termin, an dem der Berliner Wetterkarte e.V. seine eigenen Wetterkarten zeichnet, vertiefte sich der Kerndruck auf ungefähr 980 hPa und die Zyklone wurde auf den Namen HAKIM getauft. Das Zentrum des Tiefs lag östlich von Neufundland über dem Nordatlantik. Dabei war schon der Anfang einer Okklusion zu erkennen, also einer "Mischfront", die entsteht, wenn die Kaltfront von der Warmfront eingeholt wird. Der Einfluss von Tief HAKIM war auf Neufundland bereits deutlich spürbar. St. Pierre meldete 16 UTC Böen mit einer Geschwindigkeit von 89 km/h, was der Windstärke 10 nach der Beaufort-Skala, also schweren Sturmböen, entspricht. Die Uhrzeit wird in der Meteorologie vorzugsweise in der koordinierten Weltzeit UTC angegeben, da das die Meldungen leichter vergleichbar macht. In der Winterzeit ist die Mitteleuropäische Zeit MEZ eine Stunde vor der UTC.

Am Folgetag, dem 21.01., wurde die weitere Entwicklung des Tiefs HAKIM von einem kräftigen Polarhoch beeinflusst. Mit der antizyklonalen (im Uhrzeigersinn) Umströmung des Hochs verlagerte sich das Tief HAKIM I wieder westwärts, sodass sich der Kern schließlich über Neufundland befand. Dort sorgte HAKIM I am 21.01. von 12 UTC bis 00 UTC für 16 cm Neuschnee in St. John's. Währenddessen bildete sich über dem Atlantik an der Warmfront von Tief HAKIM der eigenständige Wirbel HAKIM II, welcher sich dem Tief GORAN angliederte und in Richtung Europa zog. Um 00 UTC befand sich das Zentrum von HAKIM II etwa 1000 km westlich von Frankreich. In diesem Zusammenhang tauchte das Tief HAKIM in den Medien auf, denn gerade erst war Sturmtief GORAN über Europa gezogen. Der Spiegel berichtete am 21.01. besorgt, dass der Nachfolger von Tief GORAN, Tief HAKIM ebenfalls mit hohen Windgeschwindigkeiten in Europa Einzug halten könnte[1]. Tatsächlich kündigte sich HAKIM II am 21.01. um 17 UTC schon mit Sturmböen von 106 km/h auf der Belle-île-en-Mer vor der Westküste Frankreichs an.

Am 22.01. hatte HAKIM I über Neufundland keine Fronten mehr, brachte aber dennoch viel Schnee. Während die Schneedecke im Terra Nova National Park zur Mittagszeit am Vortag noch weniger als 1 cm ausmachte, war sie 24 Stunden später, am 22.01. um 12 UTC, schon 23 cm mächtig. Auch in St. John's wuchs die Schneedecke innerhalb von 24 Stunden von 5 cm auf 33 cm an.

Die Kaltfront der Zyklone HAKIM II lag am 22.01. um 00 UTC über Frankreich, die Warmfront über Berlin und Warschau. Die Kaltfront zog im Laufe des Tages südostwärts über Deutschland, sodass vor allem das östliche und das südliche Deutschland im Warmsektor lagen. Die subtropische Luftmasse im Warmsektor ließ die Temperatur in der Region Freiburg/Breisgau bis auf 16°C steigen und auch in München und Berlin wurden sehr milde 13°C bzw. 11°C erreicht. Auf der Rückseite der Kaltfront, in maritimer Subpolarluft, wurden dennoch immerhin 7°C gemessen, wie in Amsterdam und Köln. Auf dem Radar wurde deutlich ein Niederschlagsband sichtbar, welches sich entlang der Kaltfront bildete. Zwischen 06 UTC und 18 UTC fielen beispielsweise 12 mm Niederschlag in Darmstadt, 10 mm in der Region um Metz/Nancy und 16 mm Niederschlag in Limoges hauptsächlich als Regen und Sprühregen. In den Hochlagen der Mittelgebirge fiel dabei auch Schnee. Vereinzelt kam es zu Glätteerscheinungen.

An der Kaltfront von Tiefdruckgebieten kommt es häufig zu Niederschlägen, da sich dort die kalte Luft unter die vorgelagerte warme Luft des Warmsektors schiebt und diese somit zum Aufsteigen zwingt. Beim Aufstieg der Luftmassen kommt es zur Abkühlung, das Wasser in der Luft kondensiert aus und es bilden sich Wolken, aus denen schließlich Niederschlag fällt.

Zudem konnten am 22.01. die erwarteten hohen Windgeschwindigkeiten gemessen werden. Kräftigen Wind gab es vor allem am Morgen entlang der Kaltfront von HAKIM II, welche mit kurzweiligen, aber intensiven Regenschauern den Nordwesten Deutschlands beeinflusste. Verbreitet gab es stürmische Böen der Stärke 7 bis 8, Schmücke meldete mit 96 km/h sogar eine schwere Sturmböe der Stärke 10. Zuvor war es im Warmsektor auf dem Brockenplateau schon zu Orkanböen gekommen, die um 00 UTC bis zu 152 km/h erreichten.

Mit einem Kerndruck von knapp unter 985 hPa stand HAKIM II etwas im Schatten seines Nachbartiefs, Tief GORAN, welches mit einem Kerndruck von ca. 960 hPa etwas stärker ausgeprägt war. Beide Drucksysteme verlagerten sich bis zum Folgetag weiter nach Nordosten und bildeten über Norwegen und Schweden ein Doppelkernsystem aus. Der Kern von Tief HAKIM lag mit einem Kerndruck von ungefähr 985 hPa über Schweden. Die Okklusion begann 150 km nördlich von Oslo und reichte über den Bottnischen Meerbusen bis nach Helsinki. Das Durchziehen der Okklusionsfront brachte am 23.01. in Luleå in Schweden 14 mm Niederschlag zwischen 18 UTC des Vortages und 06 UTC. Der Bedeckungsgrad blieb dabei den gesamten Tag bei 6/8 oder darüber. Der Bedeckungsgrad wird in der Meteorologie üblicherweise in Achteln angegeben, da diese Einteilung sehr geeignet zur Abschätzung der Wolkenmenge am Himmel ist.

Ausgehend vom Ende der Okklusionsfront zog sich die Kaltfront über Riga bis Warschau. Die Warmfront lag über Russland, sodass sich St. Petersburg und Moskau im Warmsektor befanden. Während die Höchsttemperatur in Moskau am Vortag noch bei -1°C lag, erreichte am 23.01. die Höchsttemperatur in Moskau 2°C und in St. Petersburg sogar 3°C. In St. Petersburg blieb darüber hinaus die Temperatur über den gesamten Tag im positiven Bereich.

Am 24.01. verlagerte sich das Zentrum von HAKIM erneut weiter Richtung Nordosten. Mit einem gegenüber dem Vortag um 15 hPa gestiegenen Kerndruck von 995 hPa befand sich das Zentrum des Tiefs nun über Finnland, nahe der Stadt Oulu. Während Moskau weiterhin im Warmsektor lag und auch den ganzen Tag eine Temperatur von 0°C und darüber melden konnte, zog die Kaltfront im Norden nur knapp an St. Petersburg vorbei. Die Okklusion, welche sich ausgehend vom Kern des Tiefs in östliche Richtung erstreckte, zeigte sich über Nordskandinavien und der Halbinsel Kola mit Niederschlägen in Form von Schnee und Schneeschauern. Hinter der Okklusionsfront fiel Regen. Zudem bildete sich Nebel, sodass die Sichtweite in der Umgebung von Helsinki bis auf 200 m sank.

Der Druck im Zentrum des Tiefs lag am 25.01. weiterhin bei etwa 995 hPa und HAKIM löste sich langsam auf. An diesem Tag blieb lediglich eine Warmfront westlich von Norwegen bis Tobolsk in Russland zurück. Damit überließ HAKIM seinen Nachfolgern IREK und KASPER die Bühne und tauchte in den Folgetagen nur noch als kleine Krümmung der Isobaren (Linien gleichen Luftdrucks) über dem Europäischen Nordmeer auf.



[1] Birte Bredow: https://www.spiegel.de/panorama/wetter-tiefs-goran-und-hakim-bringen-sturm-nach-deutschland-a-c70193ec-078c-424d-af07-7d99c8a040ec