Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet HANNAH

(getauft am 17.01.2016)

 

Die Großwetterlage über Europa wurde am 17. Januar 2016 von einem sogenannten Trog mit kalter Luft in den untersten 5 km der Atmosphäre geprägt, welcher entsteht, wenn kalte polare Luftmassen durch Wellen in der Atmosphäre nach Süden transportiert werden. Dieser besonders tiefe Trog zog sich von Skandinavien über Deutschland und Polen bis über Süditalien. Weiter westlich lag als Pendant ein Keil, bei welchem relativ warme Luftmassen nach Norden fließen. Tröge und Keile sind also Teil der atmosphärischen Wellen, welche bei Ausgleichsprozessen zwischen polaren und subtropischen Luftmassen entstehen. Am Boden unterhalb des Keils befand sich wie üblich ein Hochdruckgebiet und unter dem Trog hatten sich einzelne Tiefdruckkerne entwickelt. Ein weiterer Kern sollte in den folgenden Tagen mit seinen Fronten von Skandinavien über Mitteleuropa ziehen und wurde daher in der Prognose für den kommenden Tag auf den Namen HANNAH getauft.

Dieses Tiefdruckgebiet HANNAH befand sich zum Nachttermin des 18. Januars um 01 Uhr MEZ etwa über der Westküste Norwegens und wies einen Kerndruck von etwa 1005 hPa auf. Durch die zyklonale Luftströmung, also gegen den Uhrzeigersinn und um den Kern von Tief HANNAH, wurde ein Frontensystem aus Warm-, Kaltfront und Okklusion gebildet. Als Okklusion bezeichnet man eine Front mit Warm- und Kaltfrontcharakter, welche entsteht, wenn die Kaltfront die Warmfront einholt. Die Okklusion des Tiefs HANNAH war nur in der Höhe ausgeprägt und wurde vom Kern Richtung Norden bis über Spitzbergen analysiert. Im Bereich des Kerns ging die Okklusion am sogenannten Okklusionspunkt in eine Warmfront Richtung Südosten bis über Estland und eine Kaltfront Richtung Südwesten in einem Bogen bis zu den Färöer-Inseln über. Die Fronten zogen im Verlauf des Tages über weite Teile Skandinaviens und brachten dort anhaltende Niederschläge, welche in der arktischen Luft innerhalb des Troges überwiegend als Schnee fielen. So wurden an den norwegischen Stationen Vega-Vallsjo und Evanger 7 l/m2 in 12 Stunden bis zum Abendtermin um 19 Uhr registriert. In Tallinn waren es 3 l/m2 und in Aalborg 4 l/m2 im gleichen Zeitraum. In der maritimen Arktikluft auf der Rückseite der Kaltfront konnten sich im Nordmeerraum vor der Norwegischen Küste Schneeschauer bilden, welche beispielsweise in Skalmen Fyr für 9 l/m2 in den letzten 6 Tagesstunden sorgten.

Bis 01 Uhr MEZ des 19. Januars zog das Tief HANNAH zum Skagerrak und wies einen Kerndruck von etwa 1005 hPa auf. Die ehemalige Kaltfront über Dänemark, der Nordsee und Nordengland war vollständig okkludiert. In größerer Höhe, also beispielsweise der 500-hPa-Druckschicht bei etwa 5 km, war weiterhin die Zweiteilung zwischen einem Trog über Osteuropa und einem Keil über Westeuropa bestimmend für die Großwetterlage. Zwischen den beiden Anomalien herrschte ein recht starker Druckgradient, was einen sogenannten ''Jetstream'' mit hohen Windgeschwindigkeiten in der Höhe erzeugte. Die damit verbundene kräftige Nordwestströmung über der Nordsee lenkte das Tief HANNAH und das dazugehörige Frontensystem weiter Richtung Südwesten. Beim Überqueren von Norddeutschland durch die Okklusion wurde teilweise sogar starker Schneefall registriert. So fielen auf Sylt sechsstündig 2,6 l/m2 und auf Foehr 2,3 l/m2 bis 13 Uhr MEZ und am Nachmittag beispielsweise 2,3 l/m2 in Freiburg an der Elbe. Da die Temperaturen überwiegend nicht über den Gefrierpunkt stiegen, blieben in Norddeutschland am Abend Neuschneemengen um 2 cm, wie in Cuxhaven, liegen. Da Tief HANNAH mit 1005 hPa keinen starken Druckgradienten in Bodenregion hervorrief, stiegen die Windgeschwindigkeiten selbst in Küstennähe kaum über 50 km/h, also Beaufort Stärke 6. In Mitteldeutschland traf die Front erst gegen Nachmittag ein, sodass beispielsweise in Berlin-Dahlem noch über 6,5 Stunden Sonne registriert wurden. In Weimar und Essen waren es sogar 8 Stunden.

Am 20. Januar zog der Wirbel HANNAH mit weiterhin etwa 1005 hPa als Kerndruck über die Ostsee zum Baltikum. Die Okklusion überquerte dabei Deutschland, Polen und Tschechien. Dahinter floss zwar arktische Luft ein, jedoch zeigte sich sehr gut der Effekt den feuchte Meeresluft und Bewölkung auf die Temperatur haben können. In Berlin-Dahlem sank die Temperatur  beispielsweise in der Nacht zum Folgetag nur noch auf -4,7°C. In der Vornacht waren es in der gealterten, polaren Luftmasse noch -10,4°C. Dennoch war der Witterungsabschnitt mit Tief HANNAH eher ein kühler im Vergleich zum rekordverdächtig milden Winter 2015/16. Das lag besonders am Dezember, welcher mit einer Rekord-Abweichung von über 5 Grad vom langjährigen Mittel so warm war wie ein April. Die weiterhin aktive Front von Tief HANNAH brachte im Verlauf des Tages große Mengen Niederschlag. Besonders im Stau vor den Mittelgebirgen wurden die Niederschläge, auch dank der kalten Höhenluft, schauerartig verstärkt. Am Morgen des Folgetages wurden auf dem Fichtelberg 62 cm und auf dem Brocken eine Schneedecke von 72 cm gemessen. Im Flachland in Mitteldeutschland, Tschechien und Polen lagen die Niederschlagsmengen überwiegend zwischen 0,1 und 3 l/m2 in 12 Stunden bis zum Abendtermin um 19 Uhr MEZ.

Die Analysekarte von 01 Uhr MEZ des 21. Januars zeigte Tiefdruckgebiet HANNAH mit dem Kern über Litauen und der Okklusionsfront in einem Bogen vom Kern über die Westukraine, die Slowakei und Tschechien verlaufend. Die Zyklone HANNAH hatte sich am Vortag auf ungefähr 1013 hPa abgeschwächt. Die Front war jedoch weiterhin recht aktiv und sorgte in Osteuropa für Schneefall. So meldete Kharkiv beispielsweise am Abend um 19 Uhr MEZ 12-stündig 5 l/m2 Regen. Wo die Niederschläge schauerartig verstärkt wurden, konnten vereinzelt über 10 l/m2 verzeichnet werden, wie im rumänischen Balea Lac mit 19 l/m2 im genannten Zeitraum. Im Kaltluftsektor über Deutschland und Polen setzte sich der Keil mit Hochdruckeinfluss durch, so dass sich in der Meeresluft Nebel bilden konnte.

Am Morgen des 22. Januars lag Tief HANNAH mit etwa 1021 hPa über der Ukraine. Von dort verlief eine kurze Okklusion, welche sich an der Grenze zu Russland in eine Warmfront Richtung Südosten und eine Kaltfront über das Schwarze Meer bis zur Türkei aufspaltete. Da der Trog mit polarer Luft bis über die Türkei reichte, fielen auch dort unüblicherweise große Schneemengen. Im Raum Ankara beispielsweise wurde am Morgen um     20 cm Schnee gemessen, was noch nicht an die größten Schneehöhen dieses Witterungsabschnitts reichte. Da die Temperaturen am Tag jedoch über den Gefrierpunkt stiegen, schmolzen einige Zentimeter an Schneedecke schnell wieder weg. Die Fronten des Tiefs HANNAH hatten sich zu den Vortagen eher abgeschwächt, so dass nördlich des Schwarzen Meeres kaum noch mehr als 1 l/m2 Niederschlag in 12 Stunden bis zum Abendtermin fielen, wie in Kiew mit 0,4 l/m2 und Minsk mit 0,2 l/m2. Im Verlauf des Tages geriet Tiefdruckgebiet HANNAH auf die Ostseite des Höhentroges und damit aus der nordwestlichen, in eine südwestliche Strömung. Über den 23. Januar bis zum Morgen des 24. Januars verlagerte sich der Kern HANNAH über den Raum Moskau und schwächte sich auf 1025 hPa ab. Die erneut okkludierte Front verlief nach Süden über Georgien, brachte jedoch kaum noch Niederschlag. Auch die schauerartigen Niederschläge im Kaltluftsektor über Osteuropa waren nur noch schwach. An der Station in Kiew summierten sich in 36 Stunden bis zum Morgentermin des 24. Januars 0,6 l/m2. Die Schneehöhen, welche großräumig bei fast einem halben Meter lagen, wurden dadurch kaum noch erhöht. Bis zum 25. Januar verlagerte sich das Tief HANNAH weiter nach Osten und konnte am Folgetag nicht weiter auf der Berliner Wetterkarte analysiert werden.

 


Geschrieben am 12.04.2016 von Jannick Fischer

Berliner Wetterkarte: 21.01.2016

Pate: Hannah Sophie Schmidt