Lebensgeschichte

 

 Tiefdruckgebiet  HANSGEORG

(getauft am 21.01.2013)

 

Nachdem sich im Laufe des 18. Januar die Temperaturgegensätze der Luft in einer Höhe von ca. 5,5 km über dem Nordatlantik stark verschärften, konnte sich östlich von Neufundland ein starkes Tiefdruckgebiet entwickeln. Bis zum 21. Januar zog es über den Atlantik knapp, südlich an Grönland vorbei und leitete kühlere Meeresluft bis nach Westeuropa. In diesem Bereich kalter Luft entwickelte sich am selben Tag ein sogenanntes Randtief über dem mittleren Nordatlantik, das sich rasch Richtung Europa verlagerte. Da abzusehen war, dass es das Wetter in Europa maßgeblich beeinflussen sollte, wurde es noch am gleichen Tag in der Prognose für den Folgetag auf den Namen HANSGEORG getauft.

Bis zum frühen Morgen des 22. Januar konnte sich die Zyklone rasch südostwärts verlagern und erreichte mit ihrem Zentrum die westliche Biskaya. Dort wurde es in der Berliner Wetterkarte mit einem Kerndruck von etwa 990 hPa analysiert. Es besaß ein Frontensystem, das sich aus einer Okklusions- und einer Kaltfront zusammensetzte. Die Okklusionsfront, die eine Mischform aus Warm- und Kaltfront darstellt, reichte vom Nordteil des Kerns ausgehend bogenförmig bis zur Küste Asturiens in Nordwestspanien. Dort schloss sich unmittelbar die Kaltfront an und erstreckte sich ebenfalls in Bogenform über Galizien bis über den Atlantik rund 700 km nordöstlich der Azoren. Im Verlauf des Tages überquerte die Kaltfront die Iberische Halbinsel, sodass vielerorts Regenschauer niedergingen. Der Schwerpunkt der Regenaktivität konzentrierte sich allerdings auf den Bereich hinter der Kaltfront. So fielen z.B. in Pamplona innerhalb von 24 Stunden 11 l/m². Innerhalb des gleichen Zeitraumes wurden im spanischen Oviedo 17 l/m² ermittelt. Übertroffen wurden diese Werte durch die französische Stadt Tarbes, in der 32 l/m² bis zum folgenden Tag fielen.  Daneben verursachte der Kaltfrontdurchgang an einigen Orten kräftige Böen. In Cabo Penas konnten an diesem Tag maximal 100 km/h, also Windstärke 10, registriert werden.

Bereits am frühen Morgen des 23. Januar befand sich das Tief über dem Mittelmeer. Das Zentrum des Tiefs konnte über den Balearen mit einem Druck von knapp unter 1000 hPa lokalisiert werden. Dabei hatte sich das Frontensystem deutlich umstrukturiert. Die Okklusionsfront reichte in Hakenform nördlich um das Tief herum bis zu einem gedachten Mittelpunkt zwischen der Stadt Algier, den Balearen und Sardinien. Dort befand sich der sogenannte Okklusionspunkt, an dem sich die Warm- und Kaltfront des Systems zur Okklusion miteinander verbanden. Die Warmfront erstreckte sich vom Okklusionspunkt aus südwestwärts bis nach Nordalgerien. Westlich von ihr folgte die Kaltfront, welche sich in Bogenform knapp nördlich der afrikanischen Küste über die Straße von Gibraltar hinweg bis über den zwischen Portugal und der Insel Madeira befindlichen Teil des Atlantiks erstreckte. Daneben existierte noch eine weitere Okklusionsfront, die vom Tiefkern in nördliche Richtung bis über das Zentralmassiv reichte und sich dabei rückläufig verlagerte.

Der Schwerpunkt der Niederschlagsaktivität befand sich in der Nähe des Okklusionspunktes. Aus diesem Grund konnten besonders an der algerischen Mittelmeerküste stellenweise hohe Niederschlagsmengen registriert werden. Innerhalb des 12-stündigen Zeitraumes zwischen 07 Uhr und 19 Uhr MEZ konnten am Flughafen Algier beispielsweise 11 l/m² gemessen werden. Nur 80 km weiter östlich, in Tizi Ouzou, wurden sogar  35 l/m² ermittelt. Im Laufe des Tages okkludierte das Frontensystem weiter, wobei sich das Zentrum von Tief HANSGEORG kaum verlagerte. Die Okklusions- und Kaltfront hingegen behielten ihre hohe Zuggeschwindigkeit bei. In der Nacht auf den 24. Januar erreichten die Fronten Sardinien und im Morgengrauen schließlich Westitalien. Der Durchzug der Luftmassengrenzen ging dabei mit Schauern und vielerorts auch mit Gewittern einher. So wurden z.B. zwischen 19 Uhr des Vortages und 07 Uhr des 24. Januar im sizilianischen Prizzi 25 l/m² registriert.

Am frühen Morgen des 24. Januar befand sich das Tiefzentrum mit knapp unter 1000 hPa direkt über Korsika. Das okkludierte Frontensystem setzte sich aus einer Okklusionsfront zusammen, die sich um den Kern entlang der westitalienischen Küste bis zur Stiefelspitze Italiens erstreckte. Dort schloss sich direkt die Kaltfront an, welche nach Südwesten über Tripolis hinweg aus dem Analysebereich der Berliner Wetterkarte hinaus reichte. Nachdem die Schauer und Gewitter im Laufe des Vormittages Italien wieder verließen, erhöhte sich die Verlagerungsgeschwindigkeit von Tief HANSGEORG. Schon am Nachmittag erreichte die Kaltfront mit den korrespondierenden gewittrigen Schauern Griechenland und die Anrainerstaaten. Es konnten verbreitet Mengen um 10 bis 20 l/m², z.B. auf Limnos in Griechenland mit 18 l/m², bis zum folgenden Tag innerhalb von 24 Stunden bestimmt werden. Besonders ergiebig fiel der Regen aber im bulgarischen Kardschali mit 36 l/m² aus. Daneben führten die der Kaltfront vorausgehenden Niederschlagsgebiete in der Türkei für ähnlich hohe Mengen. In Izmir wurden zwischen 19 Uhr und 07 Uhr MEZ des Folgetages 21 l/m² bestimmt.

Am Morgen des 25. Januar befand sich das Tief bereits direkt über Bulgarien bei Sofia, wobei der Druck auf etwas über 1000 hPa angestiegen war. Da die Zyklone auf ihrer Vorderseite warme Luft aus dem östlichen Mittelmeerraum und der der Türkei nach Norden lenkte, entstand an der Ostflanke erneut eine Warmfront. Das Frontensystem setzte sich nun aus einer spiralförmigen Okklusionsfront, die sich nördlich um das Druckzentrum zog, sowie einer Warm- und Kaltfront zusammen. Der Okklusionspunkt befand sich über Ostbulgarien, wobei die anschließende Warmfront nach Osten reichte. Sie erstreckte sich über das südliche Schwarze Meer und die Nordtürkei aus dem Analysebereich der Berliner Wetterkarte hinaus. Die Kaltfront hingegen erstreckte sich in Richtung Süden über die Westtürkei bis zur ägyptischen Mittelmeerküste. Von dort aus reichte sie nach Südwesten ebenfalls aus dem Analysebereich hinaus. Während sich die Schaueraktivität im Vorfeld der Kaltfront allmählich abschwächte und sich die Front im Laufe des Tages auflöste, verstärkte sich die Niederschlagsintensität an der Warmfront stetig. Da die warme Luft aus dem Mittelmeerraum und der Türkei auf die sehr kalte Kontinentalluft über Osteuropa aufgleitete, führte dies zu örtlich starkem Schneefall. Innerhalb von nur 24 Stunden wurden z.B. in der ukrainischen Stadt Odessa 28 l/m² Niederschlag ermittelt, was zu einer 18 cm hohen Neuschneedecke führte. Auch in Dnipropetrowsk konnten ähnliche Mengen bestimmt werden. Dort fielen im selben Zeitraum 22 l/m², wobei die bereits vorhandene Schneedecke von 14 cm auf 24 cm anwuchs.

Das Tief HANSGEORG zog langsam in Richtung Osten weiter und wurde am Morgen des 26. Januar über der Halbinsel Krim mit einem Kerndruck von etwa 1010 hPa analysiert. Nachdem sich die ursprüngliche Kaltfront auflöste, bildete sich eine neue Kaltfront über dem westlichen Teil des Schwarzen Meeres, also auf der Rückseite des Tiefs. Diese reichte nach Südosten bis an die bulgarische Schwarzmeerküste. Die Warmfront erstreckte sich vom Kern leicht bogenförmig nach Nordosten über Teile der Ostukraine und Russlands aus dem Analysebereich der Berliner Wetterkarte hinaus.

Im Tagesverlauf löste sich die Kaltfront wieder auf und das Tief verharrte quasistationär über der Krim. Auch die Warmfront rückte bis zum            27. Januar nicht vorwärts, sodass die Zyklone mit konstant gebliebenen  1010 hPa im Zentrum analysiert wurde.

Trotz der Stationarität hielt der Schneefall im Einflussbereich der Warmfront an. Während z.B. am 26. Januar 6 cm im russischen Wolgograd registriert wurden, wuchs die Schneedecke bis zum nächsten Tag auf 24 cm. Im ukrainischen Luhansk erhöhte sich die Schneedecke zwischen dem     27. und dem 28. Januar von 15 cm auf 22 cm.

Die Zyklone HANSGEORG schwächte sich im Verlauf weiter ab, sodass sie sich im Laufe des 27. Januar schließlich auflöste, wodurch sie nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte analysiert werden konnte.


Geschrieben am 16.04.2013 von Alexander Bütow

Berliner Wetterkarte: 24.01.2013

Pate: Hansgeorg Voigt