Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet HANS

(getauft am 07.09.2019)

 

Die Vergabe von Namen an Hoch- und Tiefdruckgebiete wird von den Meteorologen der Berliner Wetterkarte für solche Druckgebilde durchgeführt, welche einen Einfluss auf die Großwetterlage in Europa haben. Am Abend des 05.09.2018 verlagerte sich ein Höhentrog bis zum Mittelmeer, westlich von Italien gelegen. Dieser war auf der 500-hPa-Karte ersichtlich. Auf der Vorderseite des Trogs entwickelte sich eine kleinräumige Wellenstörung, woraus eine Tiefdruckzone entstand. Diese wurde in den darauffolgenden Tagen durch die Lage auf der Vorderseite des Trogs verstärkt, welche die Rotationsrichtung gegen den Uhrzeigersinn verstärkt. Dadurch entwickelte sich diese Wellenstörung zu einem Tiefdruckgebiet und entsprechend wurde es auf der Vorhersagekarte vom 07. September für den Folgetag auf den Namen HANS getauft.

Am 08. September um 00 Uhr UTC, was 02 Uhr MESZ entspricht, lag die Zyklone HANS über dem Golf von Genua mit einem Kerndruck von unter 1015 hPa, welcher für ein Tiefdruckgebiet vergleichsweise hoch ist. Der durchschnittliche Bodendruck befindet sich bei 1013 hPa. Darüber hinaus ereignete sich zu diesem Zeitpunkt parallel ein Prozess innerhalb des Tiefdruckgebiets HANS, der in der Meteorologie unter dem Begriff der Okklusion fällt. Dabei handelt es sich um einen Vorgang, bei dem eine Mischfront entsteht, welche durch den Zusammenschluss von Warm- und Kaltfront entsteht und die Eigenschaften beider Typen in sich vereint. Warm- und Kaltfront bezeichnen hier die Grenze zwischen zwei unterschiedlich temperierten Luftmassen. Die Okklusionsfront war nur schwach ausgeprägt, verlief vom Kern aus in nordwestlicher Richtung und spaltete sich über Nordostitalien im Okklusionspunkt in eine Kalt- und Warmfront auf. Die Warmfront erstreckte sich nach Nordosten und überquerte Wien und Warschau und ging südöstlich von Moskau in die Kaltfront eines Tiefs über der Karasee über. Die Kaltfront war nach Südosten gerichtet und mündete über der Adria in die Warmfront eines unbenannten Tiefdruckgebiets über Lecce. Des Weiteren entwickelte sich entlang der Okklusionsfront eine kleine Konvergenzlinie. Dadurch kam es in Norditalien zu konvektiver Bewölkung, welche mit Schauern und Gewittern verbunden war. Die größte Niederschlagssumme wurde in Ronchi dei Legionari in Nordostitalien mit 54 l/m² in 24 Stunden registriert. Zusätzlich wurden auf dem Monte Settepani in Ligurien 38 l/m² gemessen. Außerdem frischte der Wind am Nachmittag auf und erreichte über mehrere Stunden Orkanstärke. Die höchste Windböe war am Cap Corse an der Nordspitze Korsikas mit 167 km/h verortet, was Stärke 12 auf der Beaufort-Skala entspricht. Aber auch an den umliegenden Stationen wurden Orkanböen festgestellt. Zudem kam es zu einer deutlichen Abkühlung um bis zu 6 Kelvin im Vergleich zum Vortag. Beispielsweise in Nova Gorica auf der slowenischen Seite der Grenze zu Italien kühlte sich die Temperatur aufgrund der starken Gewitter von 21°C um 14 Uhr MESZ auf 14,6°C um 17 Uhr MESZ ab.

Bis zum darauffolgenden Tag spaltete sich Tief HANS in mehrere Kerne auf. Diese erstreckten sich von südlich von Wien bis nach Mailand und waren durch eine gemeinsame Front miteinander verknüpft. Der Kerndruck war ähnlich wie am Vortag bei unter 1015 hPa. Im Tagesverlauf verlagerte sich der Wirbel HANS über Tschechien nach Polen. Besonders in Ostdeutschland und den östlich angrenzenden Ländern kam es zu zahlreichem Niederschlag. In Berlin-Schönefeld lag die 24-stündige Niederschlagssumme bei 22,3 l/m². Die Höchstwerte waren in Eibenstock im Erzgebirge mit 45,6 l/m² verortet. In der gesamten Osthälfte Deutschlands wurden aufgrund des anhaltenden Regens zweistellige Niederschlagsmengen gemessen. Zusätzlich erreichte der Westwind beim Kaltfrontdurchgang in Böen bis zu 111 km/h in der serbischen Stadt Palić, was Windstärke 11, schwere Sturmböen, entspricht.

Am Dienstag, dem 10. September, befand sich der Wirbel HANS östlich von Berlin mit einem verstärkten Kerndruck von unter 1010 hPa. Am Vormittag bewegte sich die Zyklone nach Norden. Gleichzeitig fiel der Kerndruck kurzzeitig auf 1004 hPa, wobei über Mitteldeutschland ein Druck von ca. 1016 hPa herrscht. Der Druckausgleich geschah durch starke Winde, weshalb in Nordostdeutschland verbreitet Windstärke 7 bis 8 herrschte. Vereinzelt wurde in Böen auch Stärke 9 wie auf der Greifswalder Oie mit 81 km/h erreicht. Zudem regnete es an der Ostseeküste und in Dänemark wieder verbreitet. Hohe Regenmengen wurden an der polnischen Küste in Kołobrzeg mit 44,6 l/m² und in Koszalin mit 33,6 l/m² gemessen. Der Tagesrekord lag allerdings am dänischen Kap Gniben mit 65,4 l/m².

Am nachfolgen Tag lag das Tiefdruckzentrum HANS südlich von Stockholm mit einem Kerndruck von erneut unter 1010 hPa. Im Laufe des Tages drehte die Strömung im Bereich des Tiefdruckzentrums auf Südwest und der Wirbel HANS verlagerte sich nach Nordosten. Dort schwächte sich dieser immer weiter ab, wodurch am nachfolgenden Tag kein Tiefdruckzentrum mehr vorhanden war. Deshalb waren die Wetterzustände im Vergleich zum Vortag nicht mehr erwähnenswert. Lediglich in der Region rund um Helsinki regnete es zeitweise. Allerdings lagen die 24-stündigen Niederschlagssummen maximal bei 12 l/m² in der direkten Nähe von der finnischen Hauptstadt. Am 12.09.2019 wurde das Tief HANS nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte vermerkt.