Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
HANS
(getauft
am 23.08.2015)
Am 22.08.2015 dehnte sich ein ausgeprägter
Kaltluftvorstoß, ein sogenannter Trog, in einer Höhe von 5,5 km von Grönland
über den östlichen Nordatlantik nach Süden aus. Die Höhenströmung verlief somit
von Neufundland bzw. der Südspitze Grönlands nach Südosten bis nördlich der
Azoren und folgend mit einer nordöstlichen Zugrichtung über die Britischen
Inseln bis zur Norwegischen See. An der Südwestflanke dieses Troges trafen
kalte Luftmassen subpolaren Ursprungs auf warme Subtropikluft. Dabei kam es im
Bodenniveau entlang einer Luftmassengrenze zur Bildung eines kleinräumigen
Wellentiefs, welches durch ein im Trog eingelagertes Höhentief korrespondierend
unterstützt wurde. Da dieses Bodentief Einfluss auf das Wettergeschehen in
Mitteleuropa nehmen sollte, wurde es am 23.08. auf den Namen HANS getauft.
Das Tief HANS hatte sich bis um 01 Uhr MEZ
an seinem Tauftag der Höhenströmung folgend weiter nach Südosten verlagert.
Dabei konnte es nun mit einem Kerndruck von rund 1005 hPa westlich der Biskaya
analysiert werden. Das Frontensystem des Wirbels bestand aus einer kurzen, nach
Süden weisenden Okklusion, die nach ca. 300 km ihren Okklusionspunkt fand.
Dieser stellt den Punkt dar, an welchem die schneller ziehende Kaltfront die
vorlaufende Warmfront einholt und anhebt. Dadurch entsteht eine Mischfront, die
sogenannte Okklusion, welche Eigenschaften beider Frontensysteme in sich
vereint. Vom Okklusionspunkt führte eine Warmfront nach Südwesten bis östlich der
Azoren. Dieser folgend verlief die Kaltfront in westlicher Richtung, bis sie
über den zentralen Nordatlantik in die Warmfront eines nachfolgenden,
unbenannten Tiefs überging. Mit weiterer, nach Osten gerichteter Verlagerung
erreichte das Tief HANS mit seinen Ausläufer bereits in den Mittagsstunden den
Nordwesten der Iberischen Halbinsel. Während weiter südlich in Spanien
Sonnenscheindauern von 6 bis 13 Stunden verzeichnet wurden, konnten unter
Einfluss der zu den Ausläufern gehörenden Wolkenfelder im Nordwesten meist nur
bis zu 3 Sonnenstunden beobachtet werden. Gleichzeitig setzte auch bereits
erster Regen ein, welcher innerhalb von 3 Stunden bis 13 Uhr MEZ für
Regenmengen von 1 l/m² in Pontevedra, 2 l/m² in Vigo und 3 l/m² an der Station Santiago/Labacolla
sorgte. In den folgenden 3 Stunden kamen dann nochmals 7 l/m² in Vigo und 8 l/m² in Santiago/Labacolla
zusammen. In Portugal fielen indes beim Durchzug des Frontensystems in nur
einer Stunde 3 l/m² in Coimbra, 4 l/m² in Viana Do Castelo-Chafe und 9 l/m² in Porto. Gleichzeitig wurden aus
Westen polare Luftmassen herangeführt, die in Portugal für sinkende
Temperaturen sorgten. Während am Vortag noch Maxima von 27 bis 30°C erreicht
wurden, verzeichnete man am 23.08. verbreitet nur noch Höchstwerte im Bereich
zwischen 23 und 26°C. Das zum Tief HANS zugehörige Niederschlagsfeld griff nun ebenfalls
bereits, wenn auch nur schwach ausgeprägt, auf die Bretagne über, wobei bis 19
Uhr MEZ 12-stündige Werte von je 2 l/m² aus Lannion
und Brignogan sowie jeweils 3 l/m² aus Brest und Ploumanac’h gemeldet wurden.
Der Bewegung des korrespondierenden
Höhenwirbels folgend zog die Zyklone HANS weiter nach Osten und befand sich am
Folgetag um 01 Uhr MEZ südlich der Bretagne über der nördlichen Biskaya. Vom
Tiefzentrum mit einem verstärkten Druck von knapp unter 995 hPa erstreckte sich
eine Luftmassengrenze zunächst bogenförmig nördlich um den Tiefdruckkern herum
und anschließend nach Südwesten, wobei sie über der Bretagne und der
französischen Biskayaküste als Okklusion und ab den Pyrenäen als Kaltfront
analysiert wurde, welche weiter über Zentralspanien und den Süden Portugals
führte, bis sie ca. 500 km westlich der Südspitze Portugals in die Warmfront
des nachfolgenden Tiefs IMMANUEL überging. Während entlang der Kaltfront nur
geringe Niederschlagsmengen von 3 l/m² in Vigo und 9
l/m² an der auf 1380 m Höhe gelegenen portugiesischen Station Penhas Douradas fielen, konnten
in Frankreich im Bereich des Tiefzentrums auch zweistellige Regensummen
verzeichnet werden. So wurden bis 07 Uhr MEZ dieses Tages innerhalb von 12
Stunden in Brest, Nantes sowie in Quimper je 17 l/m²,
in Brignogan 19 l/m² und auf der Insel Ouessant 22 l/m² gemessen. Südlich des Kerns entwickelte
sich zudem ein kräftiges Windfeld, welches verbreitet für stürmische und
mitunter auch orkanartige Böen sorgte. Dabei konnten im Tagesverlauf
Windspitzen von bis zu 114,9 km/h am Point du Raz und
116,8 km/h am Pointe des Baleines
registriert werden. Auch in Frankreich verringerte sich nun die Temperatur
aufgrund der einströmenden Subpolarluft. Während die Maxima am Vortag noch
meist zwischen 26 und 30°C lagen, wurden nun mit Ausnahme des Südostens des
Landes nur noch Höchstwerte zwischen 17 und 24°C verzeichnet.
Bis 01 Uhr MEZ des 25.08. konzentrierten
sich die Niederschläge anschließend auf den Norden Frankreichs, die Schweiz,
die Benelux-Staaten und Deutschland. Nennenswerte 6-stündige
Niederschlagsmengen wurden dabei bis zu diesem Zeitpunkt aus Valkenburg nördlich von Den Haag mit 17 l/m², vom
Flughafen im belgischen Oostende mit 18 l/m², aus Deauville
mit 28 l/m² und aus Lugano mit 31 l/m² gemeldet. Das Tief wurde indes mit einem
Kerndruck von rund 1000 hPa über der Nordsee analysiert. Vom Zentrum verlief
eine Okklusion nach Nordwesten bis zu den Färöern. Eine weitere Okklusion
führte nach Osten, nahm über Mecklenburg-Vorpommern den Charakter einer
Kaltfront an und reichte teils verwellt über Brandenburg, Westtschechien,
Österreich, Norditalien und Sardinien bis über den Osten Spaniens. Mit
nordöstlicher Zugrichtung wurde die Osthälfte Deutschlands in der Nacht von
einem schauerartig verstärkten und mitunter gewittrigen Niederschlagsfeld
überquert. Dadurch kam es zu lokal sehr unterschiedlichen Niederschlagsmengen.
So wurden in 12 Stunden bis 07 Uhr MEZ in Weihenstephan 16 l/m², in Lichtenhain-Mittelndorf 19 l/m², in Kyritz sowie in
Seehausen jeweils 20 l/m² und in Ingolstadt sogar 21 l/m² Regen gemessen,
wohingegen im Berliner Raum nur 7 bis 8 l/m² und in Leipzig bis zu 11 l/m²
fielen. Das Frontensystem zog im Tagesverlauf nach Osten bzw. Nordosten ab,
wodurch sich Deutschland nun im Bereich erwärmter maritimer Luftmassen
subpolaren Ursprungs befand. Die Höchstwerte der Temperatur, welche am Vortag
noch bei 20 bis 25°C im Norden und Westen bzw. 27 bis 30°C im Süden und Osten
betrugen, konnten an diesem Tag nicht mehr erreicht werden. Zumeist lagen die
Werte im Bereich zwischen 18 und 23°C, wobei nur vereinzelt ein Sommertag verzeichnet
wurde, wie in Cottbus mit 25,6°C oder in Kümmersbruck
mit 25,7°C. Für einen Sommertag muss sich die Temperatur mindestens auf 25,0°C
erhöhen. Die Niederschläge konzentrierten sich nun mehr auf den Norden
Deutschlands und es konnten nochmals 12-stündig bis 19 Uhr MEZ 9 l/m² aus Elpersbüttel gemeldet werden. Des Weiteren wurden beim
Durchzug der Kaltfront des Tiefs HANS 12-stündig 11 l/m² im dänischen Skagen, 12 l/m² im tschechischen Primda,
14 l/m² im polnischen Mikolajki, 21 l/m² in
Göteborg, 24 l/m² im österreichischen Brand und 36 l/m² im italienischen Triest
registriert. In Norwegen, welches sich in der Nähe des Tiefzentrums befand,
traten dabei die stärksten Niederschläge auf. Bis 19 Uhr MEZ fielen dort in 12
Stunden 36 l/m² in Kongsberg, 38 l/m² in Drammen und 55 l/m² in Veggli.
Im weiteren Verlauf zog das Tief HANS nach
Nordwesten bis über die Shetlandinseln. Um 01 Uhr MEZ am darauf folgenden Tag
betrug der Kerndruck ca. 1000 hPa. Zu diesem Zeitpunkt erstreckte sich eine
Okklusion vom Zentrum aus nach Nordwesten bis südöstlich von Island. Eine
weitere Okklusionsfront verlief nach Südosten über Südskandinavien und Litauen,
nahm dann Kaltfrontcharakter an und führte anschließend über Weißrussland,
Ungarn und Norditalien. Bis 07 Uhr MEZ fielen unter den Fronten des Wirbels
HANS innerhalb von 12 Stunden 6 l/m² im litauischen Siauliai,
13 l/m² im schwedischen Kloten, 16 l/m² an der
ungarischen Station Pecs/Pogany und 20 l/m² im
polnischen Suwalki. Auch an diesem Tag wurden in
Norwegen abermals hohe zweistellige Niederschlagsmengen von beispielsweise 21
l/m² in Konsmo-Hoyland, 24 l/m² in Haugedalshogda sowie jeweils 25 l/m² an der Station Ualand-Bjuland und in Liarvatn
registriert. Nur auf Island, welches im Tagesverlauf unter den Einfluss des
Tiefs HANS geriet, wurden noch größere Werte gemessen. So wurden in nur 9
Stunden bis 19 Uhr MEZ in Akureyri 14 l/m², in Skjaldthingsstadir 64 l/m² und in Dalatangi sogar 80 l/m²
verzeichnet.
Am 27.08. entwickelte sich das Tief HANS
zum steuernden System über dem nordöstlichen Nordatlantik. Dabei verstärkte es
sich auf knapp unter 990 hPa und befand sich um 01 Uhr MEZ über der Küste
Südislands. Die Okklusionsfront führte nach Nordwesten über den Osten Islands
und ging über dem zentralen Nordmeer in die Okklusion eines anderen Tiefs über,
welches sich im Laufe des Vortages über den Skanden
bildete. 24-stündig bis 19 Uhr MEZ wurden nochmals 19 l/m² aus Akureyri, 30 l/m² aus Skjaldthingsstadir
und 37 l/m² aus Dalatangi gemeldet.
Bis zum Folgetag verlagerte sich das Tief
HANS mit seinem Zentrum und einem weiter verstärkten Druck von 985 hPa nur
wenig nach Süden. Die Okklusion verlief hierbei bogenförmig nach Nordosten über
Island und die Norwegische See und ging über dieser in die Okklusion des Tiefs
IMMANUEL nahe Trondheim über. Bis 10 Uhr MEZ fielen in 15 Stunden je 21 l/m²
Regen in Dalatangi und Skjaldthingsstadir, wobei in
letzterem in den folgenden 9 Stunden nochmals 15 l/m² zusammen kamen.
Der Höhenwirbel positionierte sich unter
leichter Abschwächung bis zum 29.08. etwas nach Osten. Das Bodentief HANS
folgte dieser Bewegung und konnte um 01 Uhr MEZ nordwestlich von Schottland mit
einem Kerndruck von rund 995 hPa analysiert werden. Das Frontensystem bestand
an diesem Tag aus einer bogenförmigen Okklusion, welche sich vom Zentrum über
Westschottland und dem Nordwesten Irlands erstreckte. Während in Skjaldthingsstadir letzte Niederschläge bis 10 Uhr nochmals
eine 15-stündige Regensumme von 11 l/m² verursachte, wurden auf den Britischen
Inseln bis 19 Uhr MEZ in den vorangegangenen 24 Stunden 7 l/m² am Flughafen im
irischen Shannon, 13 l/m² am Capel Curig und 17 l/m² in Tulloch
Bridge verzeichnet.
Das Tief HANS blieb bis zum Folgetag in
seiner Lage stationär. So wie der Höhenwirbel sich mehr und mehr abschwächte
füllte sich auch der Wirbel Hans im Bodenniveau immer weiter auf. Der Kerndruck
betrug nun mittlerweile etwa 1010 hPa. Die Okklusion beschrieb an diesem Tag
nur einen kurzen Verlauf nach Nordosten und fand nordöstlich der Färöer
Anschluss an ein anderes System. Auf der westschottischen Insel Skye konnten noch 7 l/m² Niederschlag in 12 Stunden bis 07
Uhr MEZ gemessen werden.
Am Folgetag, dem 31.08., befand sich das
Tief HANS um 01 Uhr MEZ abermals über den Shetlandinseln. Der Druck im Zentrum
erhöhte sich weiter und wies nun 1015 hPa auf. Dies war gleichzeitig auch der letzte
Tag, an welchem der Wirbel HANS auf der Berliner Wetterkarte namentlich
verzeichnet wurde. Während auf den Shetlandinseln nochmals 1 bis 3 l/m² Regen
fiel, zog sich die Abschwächung des Druckgebietes fort. Auch aufgrund des
zunehmenden Einflusses eines nordatlantischen Hochdruckkomplexes löste sich das
Tief HANS bis zum Nachmittag vollständig auf.
Geschrieben am 28.10.2015 von
Sebastian Wölk
Berliner
Wetterkarte: 24.08.2015
Pate:
Hans Schmidt