Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet HARTMUT
(getauft am 07.08.2017)

 

Am 07. August wurde ein Tiefdruckgebiet in der Prognose der Berliner Wetterkarte auf den Namen HARTMUT getauft. Der Wirbel bildete sich über Frankreich, angetrieben durch einen Höhentrog. Dies bezeichnet einen Vorstoß kalter Luftmassen nach Süden im 500 hPa-Niveau, was einer Höhe von etwa 5,5 km entspricht.

In den folgenden 24 Stunden verstärkte sich der Tiefdruckwirbel HARTMUT und befand sich am 08. August um 01 Uhr MEZ mit seinem Zentrum ungefähr 300 km nordöstlich von Bordeaux. Vom Kern des Tiefs HARTMUT ging in östliche Richtung eine etwa 200 km lange Warmfront aus. Dank der durch die Warmfront herangeführten kontinentalen Tropikluft sank in der Nacht die Temperatur in Grenoble auf 15,9°C. Am Vortag wurde dort eine Tiefsttemperatur von 13,0°C registriert. Die kurze, ca. 300 km lange Kaltfront verlief weiter westlich und brachte bis 07 Uhr MEZ in Lyon 14 mm Niederschlag innerhalb der vorangegangenen 24 Stunden.

Zum 09. August verlagerte sich das Tiefdruckgebiet HARTMUT weiter nordostwärts. Es befand sich um 01 Uhr MEZ mit seinem Zentrum über der Nordsee, ca. 150 km nordwestlich von Hamburg und erfasste ganz Mitteleuropa mit seinem Einflussbereich. Die Warmfront verlief, ausgehend vom Kern, über die östliche Nordsee bis nach Südnorwegen. So stieg die Temperatur an der Station Stavanger tagsüber unter den Regenwolken auf 17°C an. Die Kaltfront erstreckte sich, ebenfalls vom Kern ausgehend, von Dänemark über Deutschland, Österreich und Frankreich bis zu den westlichen Gebieten von Spanien. In der labilen Schichtung konnten sich an der Front kräftige Gewitter entwickeln. So wurden am 09. August bis 07 Uhr MEZ 24-stündige Niederschlagsmengen von 112 und 28 mm in Locarno bzw. Vaduz gemessen. Die Schichtung ist labil, wenn die Temperaturänderung eines Luftpakets bei Vertikalbewegungen kleiner ist als die seiner Umgebungsluft. Es ist eine der wichtigsten Voraussetzungen der Schauer- und Gewitterentstehung.

Bis zum Folgetag zog das Bodentief HARTMUT etwas weiter nach Südosten. Zum Kern des Wirbels HARTMUT gehörten eine etwa 800 km lange bogenförmige Okklusionsfront sowie eine Warm- und eine Kaltfront. Bei einer Okklusion handelt es sich um eine Mischfront, die Kalt- und Warmfronteigenschaften aufweist. Bei diesem Prozess holt die schneller ziehende Kaltfront die Warmfront ein, wodurch sich eine Mischfront, also eine Okklusion, bildet. Der Okklusionspunkt, der Punkt an dem die Warm- und die Kaltfront zusammentreffen, lag über Riga. Vom Okklusionspunkt aus verlief die Warmfront über Lettland und Weißrussland bis zum gleichen Breitenkreis wie Warschau. In Trondheim kam es tagsüber oft zu Regenschauern. Infolgedessen blieb es dort auch recht kühl, die Wetterstation meldete 16,7°C als Tageshöchsttemperatur. Die Kaltfront befand sich etwas weiter westlich und verlief über Litauen bis Warschau. Unter dem Höhentief entstanden im Gebiet des stärksten Druckfalls zwei weitere Kerne. Der Kern des Tiefdruckgebietes HARTMUT II befand sich über Belgien, wodurch sich eine weitere Luftmassengrenze zwischen der mitteleuropäischen Warmluft und der subpolaren kühlen Meeresluft bildete. Vom Kern verlief in südliche Richtung eine lange Okklusionsfront über Frankreich bis nach Südspanien. Damit entstand ein langes Niederschlagsband von Ostfrankreich bis zum Rheinland, wobei auf dem Feldberg und in Rheinstetten 12 und 10 mm innerhalb von 3 Stunden fielen. Der dritte Kern des Wirbels HARTMUT erstreckte sich mit einer kurzen Warmfront über Norditalien und einer Kaltfront über Korsika bis nach Nordafrika. Diese Struktur führte entlang der venezianischen Adriaküste zu starken Gewittern mit Niederschlagsmengen von bis 47 mm innerhalb von 12 Stunden bis 19 Uhr MEZ. Die Temperatur sank im Einflussbereich der Gewitter innerhalb von 3 Stunden in Venedig von 30°C um 10 Grad.

Zum nächsten Tag zog das Tiefdrucksystem HARTMUT mit seinen Ausläufern weiter nach Nordosten. Das älteste Zentrum des Wirbels HARTMUT befand sich am 11. August um 01 Uhr MEZ über Nordwestrussland, etwa 100 km südlich von Murmansk. Entlang der ca. 1600 km langen Okklusionsfront entstanden in Russland, Estland und Polen starke Regenschauer und Gewitter. In Warschau konnte unter den dichten Wolkenfeldern trotzdem eine Tropennacht mit einer Tiefsttemperatur von 20,2°C registriert werden. Eine Nacht wird in der Meteorologie als Tropennacht bezeichnet, wenn die niedrigste Temperatur zwischen 19 und 07 Uhr MEZ nicht unter 20°C fällt. Die Okklusionsfront verlief bis Prag, wo das Zentrum des Tiefs HARTMUT IV lag. Es brachte bis 07 Uhr MEZ in Hessen, Thüringen und Sachsen gebietsweise 25 bis 40 mm Niederschlag innerhalb von 12 Stunden, wobei die Höchsttemperatur unter 17°C blieb. Der Kern von Tief HARTMUT II befand sich über Norditalien und von seinem Zentrum aus verlief eine Kaltfront über Sizilien und dem Mittelmeer bis nach Nordafrika. In Turin und Mailand kam es tagsüber zu Gewittern, teilweise auch mit Hagel. Dank der herangeführten kälteren Luft und den Regenfällen sank die Höchsttemperatur in Turin vom Vortrag um 3,6 Grad auf 22°C und in Mailand um 7,8 Grad auf 21,3°C.

Im Laufe des Tages verlagerte sich das Tiefdruckgebiet HARTMUT I weiter nach Nordosten und befand sich am Folgetag mit seinem Zentrum, in dem der Luftdruck etwas unter 1005 hPa betrug, ca. 300 km östlich von Archangelsk. Zum Kern gehörten eine lange rückläufige Okklusionsfront, sowie eine Warm- und eine Kaltfront, die auf dem gleichen Breitenkreis wie Stockholm zusammentrafen. In der erwärmten Subpolarluft ging die Temperatur in der Nacht zum 12. August in Archangelsk und Uchta auf 13 sowie 11°C zurück und tagsüber erwärmte sich die Luft bis auf 24 bzw. 21°C. Währenddessen zog das Bodenteiltief HARTMUT IV weiter nach Norden und seine rückläufige Okklusions-, sowie die kurze Warm- und Kaltfront sorgten für niederschlagsreiches Wetter in Dänemark, Norddeutschland, Polen und der Slowakei. Kopenhagen lag im Einflussbereich der Okklusionsfront des Tiefs HARTMUT IV, deshalb lösten sich die Wolken tagsüber kaum auf, wobei ein Unterschied zwischen der Tiefst- und der Höchsttemperatur von 3,8 Grad entstand. In Berlin-Dahlem war das Wetter etwas freundlicher, dort wurde einen Temperaturunterschied von 5,8 Grad registriert. In den vergangenen 24 Stunden verlagerte sich der dritte Kern des Wirbels HARTMUT auch weiter nach Nordosten und lag am 12. August um 01 Uhr MEZ über Budapest. Eine kurze Warmfront ging vom Kern aus nach Norden über die nördlichen Karpaten und die Kaltfront verlief weiterhin über Ungarn, Kroatien und Süditalien bis nach Nordafrika. In der herangeführten kalten Luft sank die Temperatur in Siófok und Szeged vom Vortag um 12,5 Grad bzw. 8 Grad auf 23,3 sowie 28,5°C.

Dank der in immer größeres Gebiet vordringenden Kaltluft kam es zur Verdrängung der warmen Luftmassen in Bodennähe. Demzufolge löste sich das Bodenteiltief HARTMUT III zum nächsten Tag auf. Das Tief HARMUT I verließ mit der westlichen Strömung den Darstellungsbereich der Berliner Wetterkarte, wodurch am 13. August nur noch ein Kern analysiert werden konnte. Dieser befand sich mit seinem Zentrum über Helsinki. Seine bogenförmige Okklusionsfront verlief vom Kern nach Osten bis zur ungarisch-serbischen Grenze. Obwohl in Wilna die Höchsttemperatur am Vortag 32,3°C betrug, konnten aufgrund des Zuflusses maritim erwärmter Subpolarluft am 13. August nur noch maximal 18°C gemessen werden.

An diesem Tag war der Wirbel HARTMUT nach 7 Tagen Lebensdauer zum letzten Mal als eigenes Druckgebilde auf der Berliner Wetterkarte zu erkennen.

 


Geschrieben am 17.10.2017 von Adrienn Hegedüs
Berliner Wetterkarte: 11.08.2017
Pate: Hartmut Voß