Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet HEDWIG
(getauft am 22.09.2014)
Am 22.09.2014 bewegte sich ein mit Zentrum über Grönland in der mittleren
Troposphäre in etwa 5,5 km Höhe liegender Kaltlufttrog in Richtung Osten. Bei
diesem Kaltlufttrog handelt es sich um hochreichende Kaltluft polaren
Ursprungs, die nach Süden vorstößt. Die Hauptströmung entlang des Troges
verlief von der neufundländischen Küste nach Osten bis weit über den
Nordatlantik, drehte auf Höhe der südöstlichen Küste Grönlands auf Nordost,
schließlich auf Nord und reichte bis nach Island. Auf der Trogvorderseite hatte
sich in den Tagen zuvor bereits ein Tiefdrucksystem gebildet, welches in der
Prognose für den Folgetag auf den Namen HEDWIG getauft wurde.
Der Kern des Tiefdruckgebiets HEDWIG befand sich am 23.09. um 00 Uhr UTC,
was 02 Uhr MESZ entspricht, über der in der Grönlandsee befindlichen Insel Jan
Mayen, mit einem Kerndruck von knapp unter 995 hPa. Des Weiteren bestand das
Tiefdrucksystem aus einer Okklusion, einer Front bestehend aus einer Warm- und
einer Kaltfront. Eine Okklusionsfront ist eine Front, bei der die schneller ziehende
Kaltfront die ihrer vorlaufenden Warmfront eingeholt hat und somit deren beiden
Eigenschaften in sich vereint. Bei diesem Tiefdruckgebiet zog sich die
Okklusionsfront vom Tiefdruckkern nach Südosten bis zum etwa 100 km südlich der
Shetland Inseln liegenden Okklusionspunkt, wo sich die Okklusion in Warm- und
Kaltfront aufspaltete. Von dort aus verlief zum einen die Kaltfront über das
südliche Schottland und nördliche Irland hinweg bis zu den Azoren und ihr
vorgelagert die Warmfront, die zentral über England bis über das Südenglische
Cornwall reichte. Als Folge des heranziehenden Tiefdrucksystems HEDWIG nahm an
der norwegischen Küste die Bewölkung zu und erste Niederschläge traten auf. So
wurden an der Station Trondheim um 06 Uhr UTC ein 24-stündiger Wert von 2 l/m²
erreicht. Da die Druckunterschiede nur gering ausgeprägt waren, wurden im
gesamten Einflussbereich von Tief HEDWIG nur schwache bis mäßige Winde
gemessen. Obwohl das Frontsystem direkt über die Britischen Inseln zog, fielen
die registrierten Niederschlagsmengen eher gering aus, das an dem eher schwach
ausgeprägten Hebungsprozessen lag. Nach Durchgang der Fronten kühlte sich die
Lufttemperatur auf deren Rückseite ebenfalls deutlich ab. So stieg die
Temperatur beispielsweise in Glasgow im Vergleich zu den 19°C vom Vortag nur
noch auf 15°C.
Bis zum 24.09. hatte das Tiefdrucksystem HEDWIG zwei Kerne ausgebildet. Der
Kern des Tiefs HEDWIG I befand sich mit einem Kerndruck von etwa 1003 hPa
ungefähr 150 km südöstlich der Insel Jan Mayen. Von diesem Kern aus verlief
eine Okklusionsfront, die teilweise nur als Höhenfront vorhanden war, nach
Süden über den nördlichen Teil der Britischen Inseln, bis sie etwa 200 km westlich
von Irland in die Warmfront eines nachfolgenden, unbenannten Tiefdruckgebiets
überging. Höhenfront bedeutet, dass die Front nur in den oberen Luftschichten,
aber nicht bis ins Bodenniveau analysiert werden kann und dort nur geringe oder
keine signifikante Temperaturänderungen hervorruft. Der Kern des Tiefdruckgebiets
HEDWIG II befand sich mit einem Kerndruck von 1010 hPa über Jütland in einer
Wellenstörung der Okklusionsfront, die der Front der Zyklone HEDWIG I
vorgelagert lag. Von dem Kern aus verlief die Okklusionsfront in einem kurzen
westlichen Bogen bis südwestlich von Trondheim, wo es in eine Okklusion eines
unbenannten Tiefdrucksystems mündete, dessen Kern zwischen Spitzbergen und der
grönländischen Ostküste lag. Eine andere Okklusionsfront verlief nach Südwesten
entlang der Deutschen Bucht und des Ärmelkanals bis vor die Westküste der
Bretagne. Von dem Kern der Zyklone HEDWIG II nach Südosten existierte außerdem noch
eine kurze Warmfront, die über die Südspitze Schwedens und Nordostdeutschland reichte.
Wie auch die Fronten, die vom Wirbel HEDWIG I ausgingen, handelte es sich
bei den Fronten der Zyklone HEDWIG II zum Teil um Höhenfronten. Deshalb brachte
dieses Tiefdruckgebiet auch keine signifikanten Temperaturänderungen mit sich.
Die Temperatur in Skagen beispielsweise lag am Vortag bei 13°C und am 24.09.
bei 14°C. Da die Druckunterschiede im Vergleich zum Vortag sogar noch geringer
wurden, erreichte der Wind im gesamten Einflussbereich des Tiefdrucksystems
HEDWIG nur schwaches bis mäßiges Niveau. Erkennbar war dies an den weiter
auseinander liegenden Isobaren, den Linien gleichen Luftdrucks auf den
Wetterkarten. Auswirkungen des Tiefdruckgebiets auf Deutschland zeigten sich
hauptsächlich in der Nordhälfte. So wurde in Norddeutschland bis 18 Uhr UTC
eine 12-stündige Niederschlagsmenge von 8 l/m² auf Helgoland gemessen, während
in Hamburg nur 0,3 l/m² registriert wurden. Allerdings reichte die mittelhohe
und hohe Bewölkung bis weit nach Mitteldeutschland hinein. Während der Norden
kaum eine Sonnenstunde verzeichnete und Sachsen-Anhalt in etwa auf 3
Sonnenstunden kam, wurden weiter südlich, z.B. in Nürnberg, schon 5,7 Stunden
Sonnenschein gemessen.
Im Laufe des Tages hatte sich der Tiefdruckwirbel nur noch langsam weiter
nach Osten verlagert und die beiden Okklusionen vom Vortag hatten sich bis zum
25.09. um 00 Uhr UTC vereinigt, so dass nur noch eine Okklusionsfront
ausgebildet war. Dabei verlief die Okklusion vom Nordmeer, über die Grönlandsee
und die Insel Jan Mayen in einem westlichen Bogen bis zum Kern des Wirbels
HEDWIG I, welcher sich über Östersund in Zentralschweden befand. Von dort
verlief die Okklusion weiter nach Osten bis zum Zentrum des Tiefs HEDWIG II
über Helsinki und dann nach Süden schwenkend zum dritten Kern des
Tiefdrucksystems, welcher zwischen Gotland und der Schwedischen Küste lag. Von
dieser Zyklone HEDWIG III aus verlief die Okklusion nun in einem leicht
südwestlichem Bogen über die Greifswalder Bucht, Magdeburg und Koblenz bis zur
Atlantikküste bei Nantes. Vom Kern des Tiefdruckgebiets HEDWIG II verlief
außerdem eine Warmfront in einem östlichen Bogen bis etwa 100 km östlich von
Riga. Das Tiefdrucksystem HEDWIG hatte sich im Vergleich zum Vortag mit seinen
Ausläufern noch weiter abgeschwächt. So hatten alle drei Kerne nur noch einen
Kerndruck von knapp unter 1005 hPa und die Okklusion existierte größtenteils
nur noch als Höhenfront. Während an der norwegischen Küste, vor allem durch die
Hebung der Luft über das Skandinavische Gebirgsmassiv hinweg, noch vermehrt
Niederschläge auftraten, blieb es im Lee davon, also auf der
Strömungsrückseite, weitgehend trocken. In Bergen wurde um 06 Uhr UTC eine 24
stündige Niederschlagssumme von 21 l/m² gemessen, während es in Östersund
trocken blieb und in Göteborg 5 l/m² fielen. Auch im weiter östlichen
Einflussbereich des Tiefdruckgebiets HEDWIG war kaum noch
Niederschlagsaktivität vorhanden. In Riga wurden im gleichen Zeitraum 0,4 l/m²
gemessen, während in St. Petersburg immerhin noch 2 l/m² zusammen kamen.
Im Laufe des Tages wurde das sich weiter abschwächenden Tiefdruckgebiet
HEDWIG in die Zirkulation des nachfolgenden Wirbels IRINA aufgenommen und
konnte somit am Folgetag nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte analysiert
werden.
Geschrieben am
05.11.2014 von Wilhelm Herz
Berliner Wetterkarte: 25.09.2014
Pate: Hedwig Schöne