Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet HEIDE
(getauft am 03.04.2012)
Anfang
April herrschte über Mitteleuropa zunächst kühles und sehr wechselhaftes Wetter.
Die sogenannte Frontalzone, die polare Kaltluft von der warmen Subtropikluft
trennt, erstreckte sich dabei von Nordwest- bis Osteuropa. An dieser
Frontalzone entwickelte sich im Laufe der Nacht vom 02. auf den 03. April ein
Tiefdruckgebiet über Frankreich, welches am frühen Morgen des 03. April mit
einem Kerndruck von 1005 hPa knapp südlich der Stadt Paris auf den Namen
HEIDE getauft wurde. Die
Zyklone HEIDE wies zu diesem Zeitpunkt eine kurze Warmfront im unmittelbaren
Bereich des Kerns auf, die sich weniger als 100 km nach Nordosten
erstreckte. In entgegengesetzter Richtung reichte
südwestlich des Kerns eine Kaltfront bis zur Biskaya kurz vor die Pyrenäen. Im
Laufe des Tages brachten die mit den Fronten verbundenen Niederschlagsgebiete
in Frankreich und der Schweiz stellenweise ergiebige Regenmengen mit sich. Im
französischen Montélimar fielen z.B. 31 l/m²
innerhalb von 24 Stunden. Das unweit davon gelegene Nîmes
registrierte innerhalb desselben Zeitraums 24 l/m². Ähnlich ergiebiger
Regen fiel in der Schweiz, wie in Schaffhausen mit 27 l/m² innerhalb von
nur 12 Stunden.
Da sich das Tief
HEIDE zügig weiter verlagerte, erfasste es in der Nacht auf den 04. April
den Südwesten Deutschlands und erreichte am frühen Morgen bereits
Mitteldeutschland. Insbesondere in der unmittelbaren Umgebung des
Tiefdruckzentrums summierten sich verbreitet Niederschlagsmengen jenseits der
10 l/m² auf, so z.B. im hessischen Gießen mit 14 l/m² innerhalb von
24 Stunden bis zum nächsten Morgen. Mit einem Kerndruck von knapp unter
1005 hPa befand sich der Tiefdruckwirbel HEIDE am frühen Morgen des 04. April
über Hessen. Das Frontensystem bestand unter anderem aus einer Okklusionsfront,
die eine Mischform aus Warm– und Kaltfront darstellt. Sie reichte vom Kern
ausgehend etwa 200 km in östliche Richtung bis zum Okklusionspunkt. An einem
solchen Punkt holt die rascher ziehende Kaltfront die langsamere Warmfront ein,
sodass sich beide Fronten wie ein Reißverschluss zu einer Okklusionsfront
verbinden. Die Warmfront des Tiefs HEIDE erstreckte sich von dort aus in
südöstlicher Richtung etwa bis zur ungarischen Hauptstadt Budapest. Im
Gegensatz dazu reichte die Kaltfront vom Okklusionspunkt ausgehend nach
Südwesten über den westlichen Alpenbogen hinweg bis Zürich. Das sich rasch verlagernde
System erfasste mit seiner Okklusions– und Warmfront
vor allem Polen und das westliche Weißrussland. Die mit den Frontenpassagen
verbundenen Niederschlagsgebiete führten meist zu einstelligen Niederschlagsmengen.
In Warschau registrierte man z.B. innerhalb von 24 Stunden 2 l/m², in
Posen summierten sich 5 l/m² auf. Über Polen holten die Warm– und
Okklusionsfront des Tiefs HEIDE die Warmfront des Systems GRITT ein, sodass sich
die Frontensysteme der beiden Zyklonen miteinander verbanden. Gegen 01 Uhr MEZ
des Folgetages, also dem 05. April, erreichte das Tief HEIDE mit seinem Zentrum die Stadt Minsk. Der
Kerndruck betrug dabei knapp unter 1010 hPa. Da die Zyklone einen Teil der
Warmfront des Tiefs GRITT übernahm, besaß es nun zwei Warmfronten. Auf der
Vorderseite des Wirbels reichte eine Warmfront vom Kern ausgehend in östlicher Richtung
aus dem Analysebereich der Berliner Wetterkarte hinaus. Die zweite,
ursprüngliche Warmfront erstreckte sich dagegen nach Süden bis über das ukrainische
Odessa am Schwarzen Meer hinweg. Außerdem besaß das Tief eine Kaltfront,
die sich leicht bogenförmig nach Südwesten bis Mitteldeutschland erstreckte. Im
westlichen Russland herrschte zu diesem Zeitpunkt noch relativ kalte
Kontinentalluft vor, sodass die aufgleitende und ausfallende Warmluft auf der
Vorderseite des Tiefs zunächst Schneefälle in der Region um Moskau verursachte.
Zwar fielen in der russischen Hauptstadt am Vortag noch etwa 4 cm Schnee
innerhalb von 24 Stunden, allerdings führte die Warmfront dazu, dass diese
Menge bei leichtem Regen im Laufe des 05. April wieder abtaute. In den
übrigen Gegenden des Einflussgebietes von Tief HEIDE fielen die Niederschläge dagegen
durchweg in flüssiger Form. In Prag wurden z.B. durch den Regen an der
Kaltfront 3 l/m² registriert.
Im Tagesverlauf zog
das Tief rasch über Moskau hinweg nach Osten, sodass es am 06. April mit
einem Kerndruck von rund 1015 hPa die westlich vom Uralgebirge gelegene
Stadt Perm erreichte. Das Frontensystem bestand aus einer Warmfront, die von
Perm in leichter Bogenform nach Osten aus dem Analysegebiet der Berliner
Wetterkarte reichte. Zudem erstreckte sich eine Kaltfront vom Tiefkern
ausgehend nach Südwesten bis zur ukrainischen Hauptstadt Kiew. Ähnlich wie am
Tage zuvor hielten die Schneefälle entlang der Warmfront an, die mit der
Passage der Front rasch in die flüssige Phase übergingen. In Tjumen und
Jekaterinburg fielen z.B. 3 l/m² in flüssiger Form. Daneben strömte
relativ kalte Luft aus dem Nordwesten hinter der Kaltfront ein. Über die
teilweise noch mehrere Dezimeter dicken Schneedecken fielen daher die Temperaturen
vielerorts unter den Gefrierpunkt. Besonders kalt wurde es dabei in Smolensk
und Wologda mit -10°C. In Moskau registrierte man ‑7°C.
Das Tief HEIDE verlagerte
sich auch weiterhin mit hohem Tempo, sodass es rasch in Richtung Sibirien zog.
Am nächsten Tag hatte es bereits das Darstellungsgebiet der Berliner
Wetterkarte verlassen und konnte daher nicht mehr analysiert konnte.
Geschrieben am 27.05.2012 von Alexander Bütow
Berliner Wetterkarte: 04.04.2012
Pate: Heide Grimmelmann