Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet HEIDI
(getauft am 16.06.2012)
Am 16.06. wurde anhand einer Prognosekarte für den Folgetag die
Entstehung eines Tiefdruckgebietes im atlantischen Raum nahe den Azoren
vorhergesagt und dieses sogleich auf den Namen HEIDI getauft. Laut Prognose sollte
das Tief mit einem Kerndruck von knapp unter 1015 hPa gegen 12 Uhr UTC, also 14
Uhr MESZ, über der nordwestlichsten Spitze der iberischen Halbinsel liegen. Von
seinem Zentrum aus sollten zwei Fronten ausgehen. Eine Warmfront in östlicher
Richtung, die sich in Richtung Frankreich zog und sich im deutsch-französischen
Grenzgebiet mit der Kaltfront eines anderen Druckgebildes verband, sowie einer
Kaltfront in westlicher Richtung, die sich über den Atlantik zog und als
Warmfront in ein dem Tief HEIDI nachfolgenden Wirbel überging.
Wie vorhergesagt entstand der Wirbel HEIDI entlang einer
Frontalzone am 17.06. über dem Atlantik. Gegen 0 Uhr UTC, dem Zeitpunkt der
Erstellung der Bodenwetterkarte, lag sein Zentrum mit einem Kerndruck von
ca. 1020 hPa östlich der Azoren. Zu diesem Zeitpunkt gingen bereits eine
Warmfront östlich, sowie eine Kaltfront westlich des Kerns aus. Die Warmfront verlief
in östliche Richtung bis zur portugiesischen Stadt Porto. Etwas weiter östlich,
im portugiesisch-spanischen Grenzgebiet, verband sich diese Front mit der
Kaltfront eines über den Alpen liegenden Tiefdruckwirbels. Die Kaltfront des
Tiefs HEIDI zog sich vom Zentrum aus nach Westen in Richtung der Azoren, wo sie
westlich der Inselgruppe in die Warmfront eines nachfolgenden Wirbels überging.
Im Laufe des Tages zog das sich entwickelnde Gewittertief HEIDI über Portugal
und Spanien hinweg nach Frankreich.
Über Frankreich angekommen lag der Kern des Wirbels mit einem
Druck von etwas unter 1015 hPa gegen 0 Uhr UTC des 18.06. über der Stadt Bourgous. Nördlich des Kerns, entsprang eine Warmfront, die
südlich von Paris einen scharfen Bogen nach Osten beschrieb und nördlich an
München, sowie südlich an Prag vorbeizog, bevor sie bei der Breite von Warschau
in die Kaltfront des voranlaufenden Tiefdruckwirbels überging. Südwestlich des
Zentrums der Zyklone HEIDI ging die der Warmfront nachfolgende Kaltfront aus.
Diese reichte in einem weiten Bogen über Bordeaux, Madrid und Lissabon und den
Atlantik bis zu den Azoren, wo sie sich weiterhin mit der Warmfront eines
nachfolgenden Wirbels verband. Im Laufe des Tages überquerte das Tiefdruckgebiet
HEIDI mit seinem zugehörigen Frontensystem rasch Mitteleuropa. Die subtropische
Luftmasse, die am Vortag Temperaturen von bis zu 33,2°C in Regensburg brachte,
wurde nun mit Fortschreiten der Kaltfront durch kältere Luftmassen verdrängt.
Dies führte zu lokalen Gewittern, die besonders in Mecklenburg-Vorpommern mit
Hagel und Sturmböen zum Teil unwetterartig ausfielen. Im nordwestlich von
Stralsund gelegenen Barth wurden Böen von bis zu 56 Knoten gemessen, was einer
Windstärke von 11 auf der Beaufortskala entspricht. In der Nähe der
ostthüringischen Kleinstadt Schmölln konnte am Nachmittag sogar die Entwicklung
zweier Wolkentrichter, einer Vorstufe von Tornados, beobachtet werden, die
jedoch nicht den Boden erreichten. Die Regenmengen verteilten sich sehr
unterschiedlich, was durch die räumliche Begrenzung der einzelnen Gewitter
begründet ist. So fielen in Berlin-Schönefeld innerhalb einer Stunde beim
Durchzug eines Gewitters über 11 Liter Regen auf einen Quadratmeter, während im
16 Kilometer entfernten Berlin-Dahlem nur 5,4 l/m² und im 24 Kilometer
entfernten Berlin-Tegel lediglich 0,3 l/m² registriert werden konnten. Mit der
Zyklone zogen auch die Gewitter langsam nach Osten in Richtung Polen ab. Auch
dort kam es noch zu teils heftigen und stürmischen Gewittern, wobei das
Hauptniederschlagsgebiet über Dänemark sowie entlang der polnischen Küste lag.
So fielen im dänischen Aarhus innerhalb von 6 Stunden bis 18 Uhr UTC 30 l/m²
und im nahe Danzig gelegenen Lauenburg i. Pom. in den
6 Stunden bis Mitternacht 28 l/m² Regen.
Gegen 0 Uhr UTC des 19.06. befand sich die Zyklone HEIDI mit ihrem
auf unter 1010 hPa gefallenem Kerndruck über der knapp 250 Kilometer südlich
von Stockholm gelegenen Stadt Oskarshamn. Teile der
Kaltfront schafften es bereits die verlaufende Warmfront einzuholen, sodass
sich dort eine Okklusionsfront, welche die Eigenschaften beider Frontenarten
vereint, ausbildete. Diese Okklusionsfront ging nördlich des Zentrums aus,
beschrieb einen an Gotland vorbeiführenden Bogen in Richtung Südost und endete
nahe der lettischen Hafenstadt Ventspils, wo sie sich
in eine Warm-, sowie eine Kaltfront aufspaltete. Die Warmfront erstreckte sich weiter
in Richtung Südost und ging bei Kiew in die Kaltfront eines nun bei Archangelsk
liegendes Tiefdruckgebiet über. Die Kaltfront hingegen
verlief von Ventspils ausgehend nach Südwest und ging
bei München in das Frontensystem eines Tief HEIDI nachfolgenden Wirbels über.
Entlang der Kaltfront kam es weiter zu gewittrig ausfallenden und zum Teil
recht ergiebigen Schauern. So meldete der Münchener Flughafen Gewitter, die bis
in die frühen Morgenstunden anhielten und in einem Zeitraum von knapp 4 Stunden
bis zu 11 l/m² Regen brachten.
Im Laufe des Tages verlagerte sich der zunehmend verwirbelnde
Tiefdruckwirbel HEIDI in nordöstlicher Richtung. Gegen 0 Uhr UTC des 20.06. lag
sein Kern mit einem um 5 hPa gefallenen Druck über dem Weißen Meer, mittig zwischen
den russischen Städten Murmansk und Archangelsk. Vom Kern ausgehend zog sich
nun südlich die Okklusionsfront in einem Spiralbogen über West nach Süd und reichte
dann von Archangelsk bis nach Moskau. Bei Moskau teilte sich die Okklusionsfront
in eine Warm- und eine Kaltfront auf. Während sich die Warmfront von Moskau aus
in Richtung der ukrainischen Stadt Charkiv erstreckte,
knickte die Kaltfront nach Südosten ab und verband sich etwas nördlich von Kiew
mit der Warmfront eines neu entstandenen und auf den Namen INGELORE getauften
Tiefdruckgebiets.
Zum 21.06. zog das Zentrum des Tiefs HEIDI geringfügig nach Osten und
lag zum Zeitpunkt der Kartenerstellung mit einem Kerndruck von etwas unter 1000
hPa über der Kanin Halbinsel. Östlich des Zentrums ging eine Okklusionsfront aus,
die weite Teile Zentralrusslands in südwestlicher Richtung überquerte. Nahe des russischen Kirow ging diese Okklusionsfront in eine
Kaltfront über, die einen ausgedehnten Bogen nach Südwesten vollzog und sich
südlich von Kiew mit der Warmfront des Tiefs INGELORE verband. Auf der zu
Russland gehörenden Halbinsel Kola sorgte Tief HEIDI ganztägig für
schauerartige Niederschläge, größere Regenmengen wie bei den Gewittern der
vergangenen Tage kamen aber nicht mehr zusammen. So fielen in Murmansk in 24
Stunden bis 6 Uhr UTC des nächsten Tages 5 Liter und in Kandalaksa
sogar nur 0,9 Liter auf einen Quadratmeter.
Am 22.06., dem letzten Tag an dem der Wirbel HEIDI auf der
Berliner Wetterkarte verzeichnet werden konnte, lag sein Zentrum südwestlich
vor der sich zwischen der Barentssee und dem Karameer
befindlichen Insel Nowaja Semlja. Von ihm ging in
nordöstlicher Richtung weiter eine Okklusionsfront aus, die bis weit auf das Karameer reichte. Im Laufe des Tages verließ der Wirbel
endgültig den Bereich der Karte, sodass er nicht mehr erfasst werden konnte.
Geschrieben
am 24.07.2012
Berliner
Wetterkarte: 18.06.2012
Pate:
Michael Noack