Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet HEIKE

(getauft am 07.08.2020)

 

Am Freitag, dem 07.08.2020 entwickelte sich auf der Vorderseite eines Troges, also einem Kaltluftvorstoß nach Süden, vor den Britischen Inseln, welcher nur im Nordteil eine stärkere Ausprägung aufwies, eine flache Tiefdruckrinne, welche von der Iberischen Halbinsel, über Frankreich hinweg bis zum Ärmelkanal reichte. So floss mit südwestlicher Strömung warme Subtropikluft bis nach Ostfrankreich ein, welche bodennah konvergierte (zusammenfloss), wie es auf der Bodenwetterkarte von 00 Uhr UTC gut zu erkennen ist. Dieser Bereich tieferen Luftdrucks wurde noch am selben Tag von den Meteorologen der Berliner Wetterkarte (BWK) in der Analyse auf den Namen HEIKE getauft.

In den folgenden zwei Tagen konnten sich vor allem über Spanien im Tagesverlauf immer wieder Hitzegewitter bilden. In Deutschland dominierte zur selben Zeit noch weitgehend hoher Luftdruck im Einflussgebiet des Hochs DETLEF, mit Zentrum über dem Baltikum, was dem Großteil des Landes ungetrübtes Hochsommerwetter mit Temperaturen zwischen 26°C und 35°C bescherte.

 

Im weiteren Verlauf gelangte eine zunehmend feucht-schwüle Luftmasse von Südwesten und Westen her nach Deutschland, sodass das Gewitterpotential langsam anstieg. So erstreckte sich am 09. August eine Konvergenzlinie von Nordrhein-Westfalen bis nach Brandenburg. Eine Konvergenzlinie bezeichnet einen Bereich in der unteren Troposphäre, wo die Luft horizontal zusammenströmt, angehoben wird, abkühlt und in der Folge zur Wolkenbildung führt. Je stärker die vertikalen Luftbewegungen, desto hochreichender können sich die Wolken auftürmen. In der Konsequenz können sich an solchen Konvergenzlinien kräftige Schauer und Gewitter bilden, welche linienhaft organisiert sind. So auch in diesem Fall. Im Laufe des 09. August wurde die Konvergenz wetterwirksam und bescherte der Mitte Deutschlands erste Hitzegewitter mit teils ergiebigem Starkregen. An der Station Ennigerloh-Ostenfelde in NRW wurden um 20 Uhr UTC (18 Uhr MESZ) einstündig 31,1 mm registriert, was einer typischen Starkregenmenge während eines Gewitters im Sommer entspricht. Wenn sich die nahezu ortsfesten Gewitter kaum verlagern, ist die Gefahr eines Starkregenereignisses deutlich erhöht. Die Höchsttemperaturen überschritten landesweit erneut die 30-Grad-Marke, was im meteorologischen Sinne einem Hitzetag entspricht. So meldete die Station Berlin-Dahlem 35,4°C. Im übrigen Stadtmessnetz wurden am Forstamt Tegel sowie am Wannsee sogar Temperaturen von 37,8°C erreicht. Hinzu kam eine hohe Ozonkonzentration von Werten zwischen 183 bis gar 233 Mikrogramm pro Kubikmeter wie sie in Krefeld-Linn gemessen wurde. Dieses Ozon, welches nicht mit dem gutartigen Ozon in der unteren Stratosphäre verwechselt werden sollte, entsteht strahlungsbedingt am Boden, wenn hochenergetische Strahlung der Sonne die zweiatomigen Sauerstoffmoleküle spaltet, welche wiederum eine Verbindung mit einem weiteren Sauerstoffmolekül zu Ozon eingehen. Wenn ein Schwellwert von 180 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft überschritten wird, ist empfindlich reagierenden Personen davon abzuraten größere körperliche Belastungen im Freien einzugehen. Ab 240 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft ist die Warnschwelle überschritten, bei der allgemein versucht werden sollte jegliche Art von Anstrengung zu vermeiden, um gesundheitsschädigende Auswirkungen vorzubeugen.

 

Am darauffolgenden Tag änderte sich an der Lage des Tiefdruckgebiets HEIKE nicht viel. Das sich wieder in einem ähnlichen Bereich befindliche konvergente Windfeld ließ in der Nordosthälfte Deutschlands erneut Gewitter entstehen. Die Windscherung, sprich die Zunahme des Windes mit der Höhe, war diesmal leicht erhöht, weshalb sich die Gewitterzellen etwas dynamischer verlagerten als am vorangegangenen Tag. Abseits davon schien in der Südhälfte und im Nordwesten die Sonne und es blieb trocken. An der Großwetterlage änderte sich kaum etwas.

 

Am 11. August gelangte die Nordhälfte Deutschlands unter Einfluss des Hochs EMIL über Skandinavien. Eine kurzzeitige Wetterberuhigung durch absinkende Luftmassen bei verbreitet sommerlichen Temperaturen war die Folge dieses nur kurzzeitig währenden Zwischenspiels. Ganz anders sah es auf der gegenüberliegenden Seite im Süden und Südwesten des Landes aus. Hier entstanden, bedingt durch das Tief HEIKE, welches mit Zentrum wieder über Frankreich lag und damit ein Stück retrograd (rückläufig) gewandert war, teils kräftige Unwetter. So meldete die Station Elzach-Fisnacht in Baden-Württemberg 41,8 mm Niederschlag nachdem ein Gewitter durchgezogen war. Beachtliche Mengen fielen dabei auch an anderen Orten.

Mit erneuter Annäherung eines Frontenausläufers des Tiefs HEIKE kam am    12. August etwas mehr Bewegung in die Wetterlage. So entstanden an der präfrontalen Konvergenz in einem Steifen von Baden-Württemberg bis NRW zahlreiche Gewitter, welche sich nach Nordosten verlagerten. Besonders intensiv entwickelte sich ein Gewitterkomplex zwischen Köln und Koblenz, welcher mit sehr hohen Blitzraten und heftigem Starkregen im Bereich von Bonn für einige wetterbedingte Einsätze der Feuerwehr sorgte. Der Norden bekam von dem Geschehen nicht viel mit, da das Hoch EMIL, welches mittlerweile die Position des ehemaligen Hochs DETLEF übernommen hatte, dagegenhielt und das Vorandringen der instabilen Luftmasse verhinderte. Folglich nistete sich EMIL mit Zentrum über Ostpolen ein.

Die beiden Folgetage wurden von einem Gerangel zwischen beiden Druckgebilden geprägt. Tief HEIKE sorgte auf der einen Seite für den Transport weiterer potentiell-energiereicher Luftmassen in die Mitte Deutschlands. Hingegen blockierte der Hochdruckkeil EMIL auf der anderen Seite den Zufluss nach Osteuropa, weswegen sich eine Luftmassengrenze über der Mitte des Landes etablieren konnte, an der es folglich fast stationär beide Tage vor sich hin köchelte. Überall da, wo genug Feuchte vorhanden war, bildeten sich Hitzegewitter. Das Satellitenbild dazu glich einem Kochtopf, welcher auf dem Herd (Erde) stehengelassen wurde und bei aktiver Flamme (Sonne) vor sich hinvegetierte. Dementsprechend chaotisch erschien auch das Wolkenbild über Deutschland.  

 

Am 15. August 2020 tauchte das Tief HEIKE letztmalig auf der Bodenwetterkarte der BWK auf. Das Druckgebilde verlor folglich mehr und mehr an Kraft und somit auch den Kampf gegen Hoch EMIL, welches nachfolgend mit einem Bereich hohen Luftdrucks über den Britischen Inseln und Norwegen eine Hochdruckbrücke aufbauen konnte. Einen Tag später war Tief HEIKE endgültig von den Wetterkarten der Berliner Wetterkarte verschwunden und ein neues Tief namens INGRID befand sich von der Biskaya her auf dem Weg nach Deutschland.  

 

Abschließend lässt sich sagen, dass HEIKE ein wanderfaules, aber wettertechnisch dennoch ereignisreiches Tiefdruckgebiet war. Länger andauernde Gewitterangriffe und schwülwarme Luftmassen lassen sich gut mit dem Namen in Verbindung setzen. Das Verhalten ist meist typisch für Tiefdruckgebiete gegen Ende des Sommers.