Lebengeschichte

 

Tiefdruckgebiet HEINER

(getauft am 15.11.2019)

 

Die Vergabe von Namen an Hoch- und Tiefdruckgebiete wird von den Meteorologen der Berliner Wetterkarte für Druckgebilde durchgeführt, die einen Einfluss auf die Großwetterlage in Europa haben. Am 14.11. befand sich das Tiefdruckgebiet GÜNTHER über den Britischen Inseln. Das Frontensystem von Zyklone GÜNTHER erstreckte sich bis nach Südostfrankreich. Im Tagesverlauf verlagerte es sich bis zur französischen Mittelmeerküste, und zusätzlich ging die Warmfront von Tief GÜNTHER über dem Mittelmeer in eine Kaltfront über. Aufgrund der schnelleren Rotationsgeschwindigkeit von Kaltfronten entwickelt sich an dieser Stelle oftmals eine schwache Wellenstörung, welche sich nach Einschätzung der Berliner Wetterkarte zu einem weiteren Mittelmeertief entwickeln sollte. Deshalb taufte die Berliner Wetterkarte diesen Wirbel auf der Analysekarte vom 15.11. auf den Namen HEINER.

Am 15.11. lag das Tief HEINER um 00 Uhr UTC bzw. 01 Uhr MEZ mit einem Kerndruck von unter 1000 hPa über Korsika. Die Warmfront war nach Nordosten ausgerichtet und endete westlich von Belgrad. Die Kaltfront verlief nach Südosten und mündete in Nordwestalgerien in eine Warmfront.  Warm- und Kaltfront bezeichnen hier die Grenze zwischen zwei unterschiedlich temperierten Luftmassen. Tief HEINER war ein Mittelmeertief, welches sich häufig im Herbst bildet.  Besonders wenn es Richtung Mitteleuropa weiterzieht, sind diese Tiefdruckgebiete durch große Niederschlagsmengen gekennzeichnet, besser bekannt als die Vb-Wetterlage. Die Zyklone HEINER überquerte im Tagesverlauf den Alpenraum und verursachte in Italien und den angrenzenden Alpenländern größere Niederschlagssummen. In Nordwestitalien, an der Grenze zur Schweiz, meldeten zahlreiche Wetterstationen über 50 l/m² Niederschlag 12-stündig in der Nacht. Hierzu zählten Coldrerio mit 60,7 l/m², Stabio mit 60,5 l/m² und Bosco-Gurin mit 59,5 l/m². Auf der Alpe Robiei wurden sogar 71 l/m² registriert. Noch stärker fielen die Niederschläge im Nordosten Italiens aus, mit bis zu 200 l/m² innerhalb von 12 Stunden. In Castana wurden beispielsweise 201,8 l/m² gemessen. Aber auch an anderen Stationen wie Agordo kamen 166 l/m² zusammen. Zum Vergleich fallen in Berlin im gesamten Jahr durchschnittlich nur 570 l/m². Zudem frischte der Südwind verbreitet auf und erreichte an einigen Stationen Orkanstärke. Am Monte Matajur wehte der Wind um 23 Uhr MEZ mit 122 km/h. Der Höchstwert wurde an der italienischen Hochgebirgsstation Pfunders Dannelspitz auf 2800 Metern mit 159 km/h gemessen. Zudem sorgte der Südwind in Venedig dafür, dass das Wasser in die Stadt gedrückt wurde und der Wasserpegel in der Stadt wieder anstieg. Das erneute Hochwasser erforderte die Schließung des Markusplatzes und die Ausrufung des Notstandes für Venedig.

Am 16.11. lag die Zyklone HEINER über München mit einem Kerndruck von unter 1005 hPa, welcher für ein Tiefdruckgebiet vergleichsweise hoch ist. Der durchschnittliche Bodendruck befindet sich schließlich bei 1013 hPa. An diesem Tag traten die signifikanten Wetterzustände besonders in Skandinavien, Dänemark, Nordwestdeutschland und weiterhin in Nordostitalien auf.  Aufgrund der Rotationsrichtung eines Tiefdruckgebiets, gegen den Uhrzeigersinn, wurde feuchte Luft aus dem Nordseeraum Richtung Nordwestdeutschland angeströmt. Sobald diese Luftmasse auf die deutschen Küsten und die Mittelgebirge traf, kam es zu orographisch bedingten Hebungsprozessen, wodurch die Niederschläge erklärt werden können. An mehreren Stationen fielen über 15 l/m², meist in Form von Regen, wie in Hatten-Dingstede mit 20 l/m². In den deutschen Mittelgebirgen ging der Regen teils in Schneeregen oder Schnee über. In Schweden wurden in Kroppefjäll-Granan beispielsweise 33,2 l/m² registriert. In Nordostitalien setzten die Niederschläge vor allem in der Nacht zum 17.11. ein. Dort war wieder das gleiche Gebiet wie am Vortag betroffen. Die beträchtlichen Niederschlagssummen hier waren allerdings schon mit dem nächsten Tiefdruckgebiet INGMAR verbunden.

Am nächsten Tag war der Wirbel HEINER mit einem Kerndruck von unter 1005 hPa nordöstlich von Dänemark verortet. Zu diesem Zeitpunkt ereignete sich ein Prozess innerhalb des Tiefdruckgebiets HEINER, der in der Meteorologie unter dem Begriff der Okklusion fällt. Dabei handelt es sich um einen Vorgang, bei dem eine Mischfront durch den Zusammenschluss von Warm- und Kaltfront entsteht und die Eigenschaften beider Typen in sich vereint. Die Okklusionsfront stellte die Verbindung mit dem Tief GÜNTHER dar. Die Niederschläge nahmen deutlich ab, wobei an der norwegischen Station Veggli II immerhin 14,1 l/m² innerhalb des Tages gemeldet wurden. Weitaus beeindruckender war der Temperaturanstieg in Schweden und Norwegen. Im Norden Schwedens gab es eine Erwärmung um meist 10 Kelvin von -16°C am 16.11 auf -6°C am 17.11. in Gällivare und Saittarova.

Am darauffolgenden Tag erstreckte sich der Wirbel HEINER über Finnland mit einem weiterhin ansteigenden Kerndruck von nun 1020 hPa. Dies deutet auf eine Abschwächung der Zyklone HEINER hin, weshalb sie auch am nächsten Tag nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte namentlich erwähnt wurde. Der Grund für die starke Abschwächung war das ausgedehnte Hochdruckgebiet PALOMA über Russland, welches das Tief HEINER blockierte. Trotzdem gab es noch einige Niederschlagsereignisse in Finnland, wobei diese mit maximal 2 l/m² kaum erwähnenswert waren.