Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
HEINRICH
(getauft
am 31.05.2017)
Am 28.05.2017
entwickelte sich am Rande eines Troges, d.h. eines Kaltluftvorstoßes in einer
Höhe von 5,5 km, im Bodenniveau südlich von Neufundland über dem Nordatlantik
ein neues Tiefdruckgebiet, welches in der Folge mit der Höhenströmung von der
Nordostküste Nordamerikas nach Osten zog. Dabei begann die Zyklone mit einem
Höhenwirbel zu korrespondieren, wodurch sie sich rasch verstärkte. Von einem
ursprünglichen Kerndruck von etwa 1015 hPa zum Zeitpunkt der Entstehung wies
das Tief um 01 Uhr MEZ am 31.05. bereits einen Druck von ca. 985 hPa im Zentrum
auf. Da dieser Tiefdruckwirbel auch das mitteleuropäische Wettergeschehen
beeinflussen sollte, wurde er noch am gleichen Tag auf den Namen HEINRICH
getauft.
Das Tief
HEINRICH befand sich zu diesem Zeitpunkt etwa auf Breite von Paris über dem
zentralen Nordatlantik. Das zugehörige Frontensystem war bereits zu einem Teil
okkludiert, wies also eine Okklusionsfront auf. Dabei holt die sich schneller
verlagernde Kaltfront die vorlaufende Warmfront am sogenannten Okklusionspunkt
ein und hebt die warme Luft an. Dadurch entsteht ein neuer Frontentyp, welcher
die Eigenschaften von Warm- und Kaltfront in sich vereint. Die Okklusion verlief
spiralförmig um das Tiefdruckzentrum herum und spaltete sich schließlich rund
500 km nordöstlich des Kerns in eine Warm- und eine Kaltfront auf. Die
Warmfront führte anschließend nach Südosten bis östlich der Azoren, während die
Kaltfront nach Südwesten reichte. Beim Durchzug der Kaltfront traten vor allem
auf den Azoreninseln Flores und Corvo zum Teil
kräftige Niederschläge auf. An der Station auf Flores fielen dabei 12-stündig
bis 19 Uhr MEZ 33 l/m² Regen.
Im Westeuropa
etablierte sich bis zum Folgetag von Frankreich bis zum Nordmeer in der Höhe
ein Vorstoß warmer Luft nach Norden, welcher als Keil bezeichnet wird. Dieser
Keil verhinderte eine weitere Ostverlagerung des Wirbels HEINRICH, wodurch
dieser mit unverändertem Kerndruck nach Nordosten zog. Um 01 Uhr MEZ lag das
Tief HEINRICH ca. 600 km südlich von Island und wies eine bogenförmig nach
Südosten verlaufende Okklusionsfront auf, welche nahe der Südwestspitze Irlands
ihren Okklusionspunkt fand. Die Warmfront führte über die westliche Biskaya
nach Süden und die Kaltfront erstreckte sich nach Südwesten über die Azoren.
Der Regen über den Azoren hielt dadurch weiter an, wobei in 12 Stunden bis 07
Uhr MEZ dieses Tages 13 l/m² in Ponta Delgada, der
Hauptstadt der Azoren auf der Insel São Miguel, 16 l/m² in Horta auf Faial und 26 l/m² in Lajes auf Terceira
gemessen wurden. Bis zu diesem Zeitpunkt griff die Okklusion auch bereits auf
Irland über. Im selben Zeitraum wie zuvor fielen dabei 10 l/m² am Observatorium
auf Valentia Island. Im Laufe des Tages verlagerte sich die Okklusion weiter in
Richtung Großbritannien und führte bis 19 Uhr MEZ zu 18 l/m² in Port Ellen auf
der inneren Hebrideninsel Islay, 13 l/m² am Lough Fea in Nordirland und je 11 l/m² an den Stationen in Portglenone und Machrihanish. Das
Tiefdruckzentrum des Wirbels HEINRICH zog derweil weiter nach Norden und sorgte
auch in Island für Regen und Sprühregen mit 9-stündigen Niederschlagsmengen von
14 l/m² in Akurnes und 36 l/m² in Dalatangi.
Durch die
Blockierung des Höhenkeils stellte sich im weiteren Verlauf eine retrograde
Verlagerung des Tiefs HEINRICH ein, also eine der vorherrschenden Zugrichtung
von West nach Ost entgegen gerichtete Bewegung, wodurch sich der Wirbel am
02.06. um 01 Uhr MEZ rund 600 km südwestlich von Reykjavik befand. Die
Okklusion erstreckte sich westlich um das Zentrum führend über die
Dänemarkstraße und Island, bevor sie nach Südosten über die Britischen Inseln
und die Biskaya verlief. Vom Okklusionspunkt knapp nordwestlich der
Nordwestspitze Spaniens reichte die Warmfront nach Madeira und die Kaltfront
bis über den zentralen Nordatlantik. Des Weiteren spaltete sich über der
Ostküste Islands eine weitere Warmfront ab, die bis zum Süden Norwegens
verlief. Die Niederschläge über Island intensivierten sich weiter, wobei bis 10
Uhr MEZ innerhalb von 15 Stunden extreme 56 l/m² in Dalatangi registriert
wurden. Entlang des Tiefausläufer der Zyklone HEINRICH wurden währenddessen
weiterhin zweistellige Niederschlagssummen verzeichnet, wie im norwegischen Nedre Vats mit 15 l/m², im
französischen Chartres 17 l/m² und im englischen Andrewsfield
mit 18 l/m².
Am Abend des
02.06. entwickelte sich entlang der Okklusion über dem Osten Englands ein
weiteres Tiefdruckzentrum, welches in der Folge als Tief HEINRICH II bezeichnet
wurde. Um 01 Uhr MEZ am 03.06. führte von diesem Kern eine Kaltfront über den
Westen Frankreichs nach Süden bis über den Norden Spaniens. Die Front trennte dabei
subpolare Luftmassen im Westen von subtropischer Luft im Osten und sorgte beim
Durchzug für ein Ende der heißen Temperaturen in Frankreich, wobei Absenkungen
der Tagesmaxima von bis zu 10 Grad beobachtet werden konnten. Gleichzeitig
bildeten sich in der heißen Luftmasse entlang sogenannter Konvergenzlinien, an
denen die Luft zusammenfließt und aufsteigt, Schauer und Gewitter, welche in 12
Stunden 26 l/m² in Brive, 29 l/m² in Périgny und 31 l/m² in Mannheim mit sich brachten. In nur 6
Stunden kamen zuvor 30 l/m² in Aurillac zusammen, im
spanischen Soria waren es 3-stündig 25 l/m² und innerhalb von nur 1 Stunde
wurden an der Station Huesca/Monflorite
19 l/m² Niederschlag registriert.
Das Tief
HEINRICH I, welches den ursprünglichen Kern darstellt, verblieb nahezu
stationär südlich von Island mit einem Druck von ca. 995 hPa. Die zugehörige
Okklusion wies zunächst nach Westen bis zur Dänemarkstraße und von dort nach
Osten über Island und das Europäische Nordmeer bis nach Südnorwegen, wo sich
der Okklusionspunkt nordwestlich von Oslo befand. Die kurze Warmfront reichte
bis Südschweden und die Kaltfront erstreckte sich nach Südwesten bis über die
Nordsee, wo sie in die Warmfront des Wirbels HEINRICH II überging. Die dem
Frontensystem des Tiefs HEINRICH I zuzuweisenden Niederschläge fielen deutlich
schwächer aus und lagen beispielsweise bei 7 l/m² im norwegischen Porsgrunn.
Die Zyklone
HEINRICH I wurde mit 995 hPa auch am Folgetag südlich von Island analysiert,
besaß jedoch mit ihrem nun vollständig okkludierten Frontensystem kaum noch
Einfluss auf das Wettergeschehen. Dennoch konnten in Island nochmals 7 l/m² in Akurnes oder 5 l/m² in Dalatangi in einem
Beobachtungszeitraum von 15 Stunden gemessen werden. Der Wirbel HEINRICH II
verlagerte sich derweil mit einem Kerndruck von etwa 1010 hPa nach Nordosten
bis über die südwestliche Küste Norwegens. Von dort führte die Warmfront nach
Norden bis nach Mittelnorwegen, wo sie sich mit der Kaltfront eines
kleinräumigen Tiefs über der Norwegischen See verband. Die Kaltfront verlief
über Schleswig-Holstein, Hamburg, Köln und Frankreich bis zu den Pyrenäen. Der
Kaltfront vorgelagert war dabei erneut eine Konvergenzlinie, die sich von
Hamburg bis zu den österreichischen Alpen erstreckte. Auch in Deutschland wirkte
sich der Zustrom der kälteren Subpolarluft auf die Tageshöchsttemperaturen aus.
Wie zuvor in Frankreich sanken die Maxima erneut um bis zu 10 Grad herab, wie
zum Beispiel an der Station Dresden-Klotzsche. Während dort am Vortag noch
28,6°C gemessen wurden, betrug das Maxima nun nur noch 18,3°C. Die an der Front
und an der Konvergenzlinie entstehenden und zum Teil schauerartig verstärkten
Niederschläge hielten auch in der vorangegangenen Nacht an. Innerhalb von nur 6
Stunden bis 01 Uhr MEZ wurden dabei 34 l/m² an der Station Chambery/Aix-les-Bains und 27 l/m² in
Besançon verzeichnet. Bis zum Morgen summierten sich die Niederschläge in
Deutschland und in der Schweiz hingegen auf 12-stündige Mengen von 37 l/m² auf
dem schweizerischen Napf, 40 l/m² in Bad Marienberg und 42 l/m² in Cronhütte. Vielerorts nahm die Intensität der Niederschläge
im Laufe des Tages wieder ab. In Evanger in Norwegen
wurden 12-stündig noch 15 l/m² sowie in Baruth und auf dem Feldberg in
Mecklenburg je 23 l/m² registriert. Lediglich im österreichischen Mönichkirchen sorgten kräftige Schauer und Gewitter für
eine extreme Niederschlagsmenge von 60 l/m² innerhalb von 3 Stunden bis 16 Uhr
MEZ.
Das Tief
HEINRICH I verblieb in der Folge weiterhin stationär über dem Seegebiet
zwischen Island und den Britischen Inseln, wies am 05.06. jedoch kein
zugehöriges Frontensystem mehr auf und löste sich bis zum Abend auf. Der Wirbel
HEINRICH II zog weiter nach Nordosten und befand sich über dem Raum Trondheim.
Dessen Frontensystem war inzwischen vollständig okkludiert, wobei je eine
Okklusion nach Osten bis über Finnland und nach Südosten bis zur schwedischen
Ostseeinsel Gotland verliefen. Nochmals konnten im Bereich des Tiefs HEINRICH
II 12-stündige Niederschlagsmengen von 12 l/m² in Snåsa,
17 l/m² in Korsvattnet und 20 l/m² in Verdal-Reppe gemessen.
Das
Tiefdruckgebiet HEINRICH II verlagerte sich dabei im Tagesverlauf unter
Abschwächung bis über Mittelschweden und löste sich schließlich auf, wodurch
das Tiefdrucksystem HEINRICH am Folgetag nicht mehr auf der Berliner
Wetterkarte analysiert werden konnte.
Geschrieben am 13.08.2017 von
Sebastian Wölk
Berliner
Wetterkarte: 04.06.2017
Pate:
Heinrich Grefe