Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet HELGA
(getauft
am 16.10.2020)
Im
Laufe des 15.10.2020 begann im Grenzbereich zwischen kalter Arktisluft, die
über das Nordmeer nach Süden vorstieß, und deutlich wärmeren Luftmassen, die am
Rande eines südöstlich vor Grönland liegenden ausgeprägten Höhentroges bis weit
nach Norden vordringen konnten, sich ein neuer Tiefdruckwirbel auszubilden, der
anhand der Analysekarte für 00 UTC des 16.10. auf den Namen HELGA getauft
wurde. Hatte seine Entwicklung und weitere Ausprägung zunächst über den
äußersten Norden Grönlands eingesetzt, befand sich das Zentrum des Wirbels zum
Analysezeitpunkt mit einem Kerndruck von etwas unter 1020 hPa jedoch noch ohne
zugehörigen Frontensystem bereits über Spitzbergen. Hebungsprozesse
im Kernbereich des Wirbels als auch entlang seines sich im weiteren Verlauf
zunehmend ausbildenden Frontensystems hatten bis dahin zur Ausbildung eines
Niederschlagsfeldes geführt, welches über dem Nordpolarmeer und Spitzbergen
leichten Schneefall brachte. Während aus Spitzbergen zumeist nur vereinzelte
Schneeflocken ohne nennenswerte Niederschlagsmengen gemeldet wurden, konnten
auf Jan Mayen bereits 1,5 mm in 24 Stunden registriert werden. Sich rasch
verstärkend verlagerte sich der Wirbel und mit ihm sein Niederschlagsfeld nach
Süden und hatte bereits in den Mittagsstunden Nordskandinavien erreicht. Beim
Auftreffen der feuchten Luftmassen auf die norwegischen Gebirgsketten und dem
damit einhergehenden erzwungenen Aufgleiten jener in deutlich kühlere
Luftschichten sowie durch Staueffekte erfuhren die Niederschläge lokal noch
zusätzliche Intensivierung. So waren binnen 24 Stunden durch Regen- oder
Schneeregenschauer bei Bardufoss 7,2 mm, an der Messstation auf dem Nordnesfjellet 11,4 mm und in Andøya 21,8 mm gefallen. Am
Flughafen von Tromsø wurden bis zu 29,0 mm gemessen.
Gegen
00 UTC des 17.10. befand sich das Zentrum des Tiefs mit einem Druck von knapp
1005 hPa über Tromsø. Von seinem Kern erstreckte sich sowohl eine Warmfront
über Luleå und den Bottnischen Meerbusen in Richtung Stockholm sowie eine
Kaltfront in einem Bogen entlang der norwegischen Küste und weiter über das
Nordmeer bis nach Reykjavík. Zusätzlich erstreckte sich eine jedoch nur in der
Höhe analysierbare Okklusionsfront, also eine Mischfront, die daraus
resultiert, wenn die Kaltfront die vorlaufende Warmfront einholt, westlich des
Kerns in Richtung Jan Mayen auf das Nordmeer hinaus. Tief HELGA verlagerte sich
auf seiner südöstlichen Zugbahn über Norwegen hinweg in Richtung Nordschweden,
wodurch sich sein Niederschlagsfeld auf weite Regionen Nordskandinaviens und
Finnlands ausweitete. Durch leichten bis mäßigen Regen oder Schneeregen, der in
den nördlicheren Regionen auch gänzlich als Schnee fiel, wurden innerhalb von
24 Stunden an den schwedischen Stationen Svartbyn 10,3 mm, Storöhamn 14,9 mm
und in Ylinenjärvi 17,6 mm beobachtet sowie jenseits des Meerbusens in Finnland
in Maaninka 10,1 mm, bei Rovaniemi 15,8 mm und in Anjala 17,4 mm gemessen. In
Lappland, am Ort Rensjön waren es gar bis zu 20,7 mm und in Kemijarvi 32,1 mm.
Trotz schwindenden Einflusses des zunehmend nach Finnland abziehenden Tiefs
hielten die Niederschläge in Norwegen weiter an. Auf der Rückseite des Wirbels
wurden mit einer nordwestlichen bis nördlichen Strömung
beständig feuchte Luftmassen entlang der Küsten nach Süden geführt. Besonders
intensiv gestalteten sich die Niederschläge dabei in der Region zwischen
Trondheim und Bergen: Während bei Bardufoss noch 2,7 mm, in Andøya 4,8 mm und
in Trondheim selbst 7,2 mm gemessen wurden, fielen im selben Zeitraum etwas
weiter südlich Trondheims in der Region Innerdalen 27,8 mm, am Tafjord 29,0 mm
und auf dem Mannen bis zu 39,5 mm. Der Nordwind erreichte dabei besonders
entlang der Küsten aber auch in den Hochlagen verbreitet Sturmstärke. Mancherorts
sowie an besonders exponierten Lagen konnten auch schwere Sturm- und teils
orkanartige Böen registriert werden. So wurden beispielsweise in Andøya mit
Böen von 82,9
km/h Windgeschwindigkeiten der Stärke 9, am Leuchtturm von Kråkenes mit 93,7
km/h Stärke 10 und am Leuchtturm der Insel Nordøyan mit 111,7 km/h auch Stärke
11 gemessen. Am Leuchtturm der nördlich von Trondheim gelegenen Insel
Buholmråsa erreichte der Wind mit Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 129,7
km/h gar Orkanstärke.
Am
18.10. befand sich das Zentrum des Tiefs HELGA mit einem bis 00 UTC auf unter
995 hPa gefallenen Kerndruck nahe Oulu, am nördlichen Ende des Bottnischen
Meerbusens. Von seinem Kern reichte eine Warmfront Richtung Archangelsk nach
Osten und die ihr folgende Kaltfront über Helsinki, Gotland und Kopenhagen bis
in den Nordwesten Wales. Westlich des Kerns zog sich weiterhin eine nunmehr
auch am Boden analysierbare Okklusionsfront über Mittelschweden bis nach
Trondheim. Die Kaltfront begann im Laufe des Tages die ihr vorlaufende
Warmfront einzuholen, wodurch sich beide zu einer nach Nordosten
voranschreitenden Okklusionsfront vereinten. Auch verlagerte sich der Wirbel
zunehmend langsamer nach Südosten, sodass die Niederschläge in der Region
weiter anhielten und trotz leichter Abschwächung oftmals über 15 mm in 24
Stunden mit sich führten: Zunehmend in Schnee übergehend waren in Schweden bei
Haparanda 20,5 mm, in Rodkallen 26,4 mm und bei Storöhamn 28,5 mm gefallen, in
Finnland konnten im selben Zeitraum in Tornio 15,9 mm, bei Valtimo 19,9 mm und
in Juuka 27,9 mm registriert werden. Die Niederschläge wurden auch weiterhin
von einem teils stark böigen Wind begleitet, der sowohl in Schweden als auch in
Finnland an exponierten Lagen mit Windgeschwindigkeiten zwischen 75 und 90 km/h
Stärke 9 bis 10 erreichen konnte. So maßen die Anemometer an der Station in
Rödkallen Spitzenböen von 75,6 km/h, in Bjuröklubb von 97,3 km/h und im
finnischen Kittilä bis zu 100,9 km/h. Entlang der über die Ostsee nach Südosten
ziehenden Kaltfront setzte auch über dem Baltikum vorübergehend ein wolken-
sowie niederschlagsreicher Witterungsabschnitt ein. Durch teils schauerartig
verstärkten Regen und von Böen der Stärken 7 bis 8 begleitet waren im
Litauischen Šilutė 12,0 mm, in Tallinn 13,7 mm und im lettischen
Priekuļi bis zu 20,7 mm gefallen. Deutschland gelangte ebenfalls in den
Einflussbereich der über Mitteleuropa nach Süden voranschreitenden Kaltfront
des Tiefs HELGA, dessen dichte Wolkenfelder bereits in der Nacht den Norden des
Landes erreicht hatten. Im Gegensatz zu Norwegen zeigte sie sich über Deutschland
vergleichsweise wenig wetterwirksam. Dort war es gegenüber den vorangegangenen
Tagen zu einem deutlichen Temperaturrückgang gekommen mit verbreitet
nächtlichem, ganz im Norden auch ganztägigem Frost. In Deutschland änderte sich
das Temperaturniveau hingegen kaum. Im Norden als auch im Süden verblieben die
Temperaturen im Bereich zwischen 11 und 13°C und fielen auch nachts lediglich
entlang der Küsten und den Hochlagen auf Werte unter 6°C. Während Süddeutschland
unter schwachem Einfluss des mit seinem Zentrum über Frankreich liegenden Hochs
OTMAR unter einer kompakten Wolkendecke lag, kam hinter der Kaltfront
gelegentlich auch die Sonne zum Vorschein. Größere Regenmengen fielen entlang
der im Tagesverlauf in die Mitte des Landes vordringenden Front jedoch kaum:
Leichter Regen oder Sprühregen brachte in Nordholz 2,8 mm, in Wiesenburg 4,5 mm
und in Greifswald noch bis zu 5,2 mm, in den überwiegenden Regionen fielen
sonst zumeist zwischen zwei und unter einem Millimeter in 24 Stunden. In
Norwegen hielten dagegen die Regen- und Schneefälle am Rande des Tiefs HELGA
an. Obwohl sie allgemein an Intensität verloren, konnten sie vor allem in der
Region südlich von Trondheim weiterhin sehr ergiebig ausfallen: An der Station
Tafjord, am Ende des gleichnamigen Meeresarms, wurden 16,2 mm, bei Kotsøy 25,1
mm und in der Region Innerdalen nochmals 31,9 mm gemessen. Der Wind hatte
ebenfalls allgemein nachgelassen, konnte aber dennoch mit Geschwindigkeiten
zwischen 79,3 km/h am Leuchtturm von Nordøyan und 90,1 km/h auf der Insel
Buholmråsa an den Küsten und in exponierten Lagen weiter Sturmstärke erreichen.
Aufgrund
der blockierenden Wirkung des Südosteuropahochs OTMAR in Verbindung mit der
ausgeprägten Tiefdruckzone IMKA und seinem korrelierenden Höhentrog mit
Schwerpunkt über dem Ostatlantik war das Tief HELGA zum 19.10. über Finnland
zwischenzeitlich nahezu stationär geworden und begann allmählich von seiner
ursprünglich südöstlichen Zugbahn nach Nordosten abzudrehen. Gegen 00 UTC
befand sich sein Zentrum mit einem Druck von weiterhin knapp 995 hPa mittig
zwischen Oulu und Helsinki. Westlich des Kerns beginnend erstreckte sich eine
erste Okklusionsfront um das Zentrum herum nach Moskau. Ab Moskau den Charakter
einer Kaltfront annehmend, jedoch im weiteren Verlauf lediglich nur noch in der
Höhe analysierbar, reichte sie anschließend in einem Bogen weiter über Gomel
(Weißrussland) und Łódź (Polen) bis nach Berlin. Eine zweite
Okklusionsfront zog sich vom Kern über Oulo nach Norden bis Murmansk. Seine
Kaltfront zeigte sich über Polen und Deutschland nur noch geringfügig
wetterwirksam. Größere Niederschläge wurden von lokalen Ausnahmen abgesehen
keine mehr registriert: In Berlin-Tegel waren durch gelegentlichen Regen oder
Sprühregen 0,1 mm, in Chemnitz 0,4 mm und in Wrocław (Breslau) 1,3 mm
gefallen. In vielen Regionen blieb es auch gänzlich trocken oder wurden nur
vereinzelte Tropfen ohne messbare Niederschlagsmenge registriert. Lokale
Schauer brachten dagegen in St. Peter-Ording immerhin 9,2 mm und westlich von
Danzig, im polnischen Darłowoh 13,1 mm. Demgegenüber hielten die Regen-
und Schneefälle entlang der kernnahen Okklusionsfronten über Finnland und dem
Baltikum zunächst noch weiter an, doch verloren auch sie zunehmend an
Intensität und zogen mit dem Tief im Tagesverlauf aus dem Ostseeraum in den
Norden Russlands ab. Dadurch wurden auch in Finnland zumeist
Niederschlagsmengen von oftmals unter 2 mm in 24 Stunden registriert. Einzelne
Schauer, die je nach Region als Regen, Schneeregen oder Schnee fielen, führten
bei Kuhmo 5,3 mm, in Jomala 8,1 und in Fagerholm 15,0
mm mit sich. Etwas ergiebiger gestalteten sich die Niederschläge hingegen im
nördlichen Baltikum: Im lettischen Priekuļi waren im selben Zeitraum 11,7
mm, im estnischen Kuusiku 14,6 mm und im ebenfalls estnischen Nigula gar bis zu
31,8 mm gefallen. Auf ihrem Weg in den Norden Russlands verloren die
Niederschläge weiter an Intensität. Die höchsten Niederschlagsmengen fielen
mitunter noch in einem Streifen südlich des Finnischen Meerbusens von Estland
über die russischen Seen bis Archangelsk am Weißen Meer. Während aus St.
Petersburg lediglich 0,5 mm gemeldet wurden, konnten im südwestlich davon
gelegenem Kingisepp 9,0 mm, in Kolezhma 10,0 mm und in Severodvinsk bei
Archangelsk 13,0 mm gemessen werden. Seinen Einfluss auf Norwegen hatte das
Tief HELGA dagegen verloren. Für den Süden des Landes wurde alsbald der sich
vom Ostatlantik nach Großbritannien verlagernde Tiefdruckkomplex IMKA
wetterbestimmend, der erneut ergiebige Niederschläge
in die Region führte, wodurch der unbeständige Wettercharakter dort und im
weiteren Verlauf auch in Deutschland seine Fortsetzung fand.
Mit
einem auf 1000 hPa leicht angestiegenem Druck befand sich das Zentrum des sich
allmählich auflösenden und beständig an Dynamik verlierenden Tiefs HELGA um 00
UTC des 20.10. unweit von Archangelsk über dem äußersten Norden Russlands. Eine
erste jedoch kaum noch wetteraktive Okklusionsfront reichte östlich des Kerns
in einem Bogen über Kasan bis nach Luhansk und ab Luhansk den Charakter einer
Kaltfront annehmend weiter bis in die südliche Ukraine. Eine zweite, ebenfalls
an Stärke verlierende Okklusionsfront erstreckte sich südlich des Kerns über
Moskau in Richtung Minsk. Die überwiegend leichten Schneefälle hielten an und
zogen sich langsam auflösend mit dem Tief in Richtung des Urals. Dabei fielen
in Kolezhma noch 2,1 mm, in Perm 1,8 mm und bei Workuta am Nordural 0,9 mm.
Ohne
ein zugehöriges Frontensystem befanden sich die Reste des sich in fortgeschrittener
Auflösung befindenden Tiefdruckwirbels um 00 UTC des Folgetages noch östlich
von Archangelsk. Er löste sich in den folgenden Stunden zunehmend auf, sodass
das einst vor Grönland über dem Nordpolarmeer entstandene Tief HELGA
anschließend nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte als eigenständiger Wirbel
analysiert und somit auch nicht mehr auf jener namentlich verzeichnet werden
konnte. Seine Reste gingen im Laufe des 22.10. in die Zirkulation eines Tiefs
mit Zentrum über Sibirien über. Nennenswerte Niederschläge waren in seinem
Einflussbereich bis dahin jedoch nicht mehr gefallen.