Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet HELMA
(getauft am 10.06.2016)
Am 9. Juni dominierten die Hochdruckgebiete ULRICH und
TOBIAS sowie das Tief GISELA das Wettergeschehen, weite Teile Europas
profitierten vom hohen Druck der beiden Antizyklonen und dem damit verbundenen
sonnigen Wetter. Im Laufe des Tages fand zwischen dem Tief GISELA über
Südfinnland und einem unbenannten Tief südlich von Grönland eine Zyklogenese
statt.
Am 10. Juni um 01 Uhr MEZ konnte dieses Tief erstmalig
auf der Berliner Wetterkarte analysiert werden, welches auf den Namen HELMA
getauft wurde. Die Zyklone befand sich über dem südlichen Nordmeer zwischen den
Färöer-Inseln und dem norwegischen Trondheim. Das Tief HELMA war zunächst nur
schwach ausgeprägt und erreichte einen Druck von ca. 1017 hPa. Zu diesem
Zeitpunkt konnte eine bogenförmige Okklusion vom Kern über Schottland und Island
bis an die Südostküste von Grönland analysiert werden, die aber kaum
wetteraktiv war. Eine Okklusion ist eine Mischfront und entsteht wenn die
schneller ziehende Kaltfront die vordere Warmfront einholt und sich unter
dieser schiebt. Aufgrund des Hochs ULRICH und einem Hoch über dem Mittelmeer
baute sich über Westeuropa ein Hochdruckkeil auf. An dessen Nordostflanke
konnte sich nun das neu entstandene Tief stromabwärts in der relativ starken
Höhenströmung rasch nach Südosten verlagern. Am Abend befand sich das Tief
HELMA bereits über dem Nordosten von Polen. Mit Vertiefung des Kerns nahm die
Okklusion zusehends Kaltfrontcharakter an und erstreckte sich bogenförmig von
Schottland über Belgien, den Alpenraum bis Polen. Die Wetteraktivität blieb
aber weiterhin entlang der Front gering, sodass ein Luftmassenwechsel ohne wesentliche
Niederschläge stattfand. Deutlich anders gestaltete sich der Frontendurchgang
in der Nähe des Kerns. Mit der Intensivierung des Zentrums wurden teils starke
Hebungsvorgänge und damit Niederschlagsprozesse in Gang gesetzt. Von
Nordostpolen bis in den Norden Lettlands konnten bis 19 Uhr MEZ 12-stündige
Niederschlagsmengen von 10 bis örtlich 28 mm gemessen werden. Tallinn
registrierte beispielsweise 13 mm, das nordostpolnische Ketrzyn
14 mm, Ventspils und Kolka
in Lettland 19 bzw. 28 mm. Auch auf Rügen und im Nordosten von
Mecklenburg-Vorpommern konnten geringe Mengen vermeldet werden. Putbus
verzeichnete im selbigen Zeitraum 0,7 mm und Greifswald 0,3 mm. Besonders im
Nordosten von Polen konnten sich am Nachmittag gebietsweise Gewitter mit
Windböen entwickeln. Meist wurden dabei Böen von 50 bis 65 km/h gemessen, was einer
Windstärke von 7 bis 8 auf der Beaufortskala entspricht. Am markantesten war
der mit dem Wechsel von Luftmassen subtropischen zu polaren Ursprungs verbundene
Temperaturabfall. Im Nordosten von Polen konnte die Temperatur bis zum späten
Vormittag auf 18 bis 22°C ansteigen, sank anschließend aber mit
Kaltfrontdurchgang auf 10°C ab. In Estland und Lettland wurden im Bereich der
ergiebigen Regenfälle Höchstwerte von nur 8 bis 14°C gemessen. Grund dafür war
die subpolare Luftmasse, welche ihren Ursprung östlich von Grönland und dem
Nordmeer hatte.
Am 11. Juni um 01 Uhr MEZ befand sich das Tief HELMA
mit einem deutlich vertieften Kern von ca. 998 hPa über Lettland. Die fast 3500
km lange Kaltfront reichte vom Kern über Minsk, Krakau, Wien, München,
Amsterdam bis in den Norden von Schottland. In der nun gradientschwachen
Boden- und Höhenströmung zwischen Hoch VOLKER und Hoch TOBIAS blieb die Zyklone
HELMA quasi stationär. Teilweise wurde die Kaltfront sogar rückläufig und wurde
deshalb als Warmfront klassifiziert. In der eingeflossenen Kaltluft konnte sich
bei klarem Himmel die Luft stark abkühlen. Die Temperaturen sanken bis zum
Morgen in Norddeutschland verbreitet unter 10°C, in Schleswig-Holstein und
Mecklenburg-Vorpommern stellenweise unter 5°C. Elpersbüttel
verzeichnete 3,9°C und Barth 3,4°C, am Boden wurden dort sogar 0,0°C erreicht.
Auch in Hamburg und Berlin-Kaniswall war es mit 7,0°C
bzw. 6,0°C sehr frisch. Große Teile Dänemarks, Südschweden und Südfinnland
vermeldeten ebenfalls geringe Tiefstwerte von 4 bis 0°C. Örtlich, wie im
finnischen Lahti, konnte mit -0,1°C Luftfrost registriert werden. In den baltischen
Staaten blieb es mit Tiefstwerten von 8 bis 6°C etwas milder, da hier die
Wolkendecke eine zu starke Abkühlung verhinderte. Dieser Kaltlufteinbruch passt
zeitlich perfekt im Zeitraum der meteorologischen Singularität der Schafskälte.
Diese tritt meist zwischen dem 4. und 20. Juni auf und bezieht ihren Namen
darauf, dass Schafe zu diesem Zeitpunkt bereits geschoren wurden. Die niedrigen
Temperaturwerte können den Schafen ohne schützende Wolle durchaus gefährlich
werden.
Wie am Vortag wurden abseits des Kerns von Tiefs HELMA
an der Kalt- bzw. Warmfront nur geringe Mengen Regen gemessen. So fielen
beispielsweise 6-stündig bis 13 Uhr MEZ entlang der Front vom nördlichen Nordrhein-Westfalen,
Nordhessen, Südthüringen und Südsachsen gerade einmal 0,1 bis 0,7 mm. Südlich
der sich langsam verlagernden Front konnten sich dagegen tagsüber in der
wärmeren Luftmasse zum Teil kräftige Regenfälle entwickeln, welche 12-stündig
bis 19 Uhr MEZ beispielsweise in Stuttgart 11 mm, in Graz 16 mm und in Budapest
14 mm brachten. Ähnlich hohe Niederschlagsmengen wurden an der deutlich
aktiveren Kaltfront in der Nähe des Kerns registriert. In den baltischen
Staaten, Westrussland, Weißrussland und in der Ukraine fielen verbreitet 5 bis
30 mm, wobei sich der Niederschlagsschwerpunkt langsam nach Osten verlagerte.
Besonders im Westen Russlands registrierten die Stationen verbreitet
24-stündige Regenmengen von 15 bis 25 mm, in der Moskauer Region stellenweise
bis 40 mm. In Tilrikoja im Osten von Estland wurden
sogar 55,2 mm gemessen, währenddessen in Tallinn nur 0,6 mm fielen und 2
Stunden Sonne erreicht werden konnten. Postfrontal stellte sich eine absinkende
Luftbewegung ein, sodass es verbreitet zu einer Auflösung der Wolken kam.
Besonders von Schleswig-Holstein bis Brandenburg sowie nördlich und östlich
davon konnten 9 bis 14 Stunden Sonne gemessen werden, auf Kap Arkona sogar die
maximal astronomische Länge von knapp 17 Stunden. Die eingeflossene kühle
Meeresluft erwärmte sich auf 20 bis 23°C im Binnenland und auf 16 bis 19°C an
den Küsten. Unter den Wolken der Front in Deutschland blieb es im oben
erwähnten Streifen bedeckt, aber mit 18 bis 21°C relativ mild. Im direkten
Einflussgebiet des Tiefdruckkerns wurden bei ebenfalls dicht bewölktem Himmel
Höchstwerte von 16 bis 20°C erreicht. Durch die Drehrichtung des Tiefs HELMA
gegen den Uhrzeigersinn und mit Unterstützung des sich im Uhrzeigersinn
drehenden Hochs VOLKER wurde aus Norden Luft arktischen Ursprungs herangeführt.
In Lettland und Estland verzeichnete man erneut nur 8 bis 12°C. Auch in Litauen
und im Nordosten von Polen wurden trotz 6 bis 9 Sonnenstunden nur 11 bis 14°C
gemessen. Erneut gab es im Bereich der Kaltfront Windböen von 50 bis maximal 68
km/h.
Bis zum 12. Juni verlagerte sich das Tief HELMA nur
langsam nach Osten und befand um 01 Uhr MEZ zwischen Sankt Petersburg und
Moskau mit einem Druck von ca. 1002 hPa. Die nun vollständig als Okklusion
klassifizierte Front erstreckte in einem großen Bogen vom Kern über Nischni
Nowgorod, Charkiw, Brünn, Frankfurt am Main und Amsterdam bis über die
westliche Nordsee. In der absinkenden Luftmasse hinter der Front konnte nun
über Nordpolen ein Ableger von Hoch VOLKER analysiert werden. Anders als an den
Vortagen nahm die Wetteraktivität an der Front deutlich zu. Grund dafür war der
von Westen herannahende Tiefdruckkomplex INES, wodurch sich eine
Luftmassengrenze über Deutschland ausbildete. Diese bewegte sich im
Tagesverlauf langsam nach Norden und befand sich ungefähr auf einer Linie
Bremen – Dresden. Nördlich einer Linie Hamburg-Uckermark
blieb es in der trockenen Luftmasse bei 14 bis 17°C relativ kühl und trocken.
Entlang der Luftmassengrenze sowie in der labil geschichteten Warmluft südlich
davon entwickeln sich zahlreiche Schauer und Gewitter, die aufgrund einer nur
schwachen Höhenströmung geringe Zuggeschwindigkeiten aufwiesen und punktuell
hohe Regensummen generierten. Es konnten bis zu 55 mm in wenigen Stunden
gemessen werden, wie in Altendorf in Oberfranken mit 55,1 mm und in Bad
Herrenalb im Schwarzwald mit 52,8 mm. Bei 0 bis 3 Sonnenstunden wurden maximal
19 bis 24°C, in Südbrandenburg und Nordsachsen mit 3 bis 5 Stunden Sonne bis
26°C gemessen. Auch in den Gebieten nördlich der Front blieb es dicht bewölkt,
die Zone mit dem sonnenscheinreichen Wetter verlagerte sich nach Osten. Auch in
Österreich, Ungarn und in Rumänien traten Schauer und Gewitter auf, wenn auch
weniger verbreitet mit Mengen von meist 2 bis 8 mm, vereinzelt bis 15 mm. Ein
zweiter Niederschlagsschwerpunkt befand sich im Westen von Russland in der Nähe
des Kerns. Dort fielen verbreitet 12-stündig bis 19 Uhr MEZ 5 bis 20 mm, in dem
Gebiet des Kerns fielen extreme Mengen von 30 bis 69 mm. In 24 Stunden konnten
im 400 km nördlich von Moskau gelegenen Ort Okhona 78
mm registriert werden. Ursache dieser intensiven Niederschläge waren enorme
Temperaturgegensätze. Während in der Umgebung von Sankt Petersburg gerade
einmal 8 bis 14°C gemessen wurden, konnte vorderseitig von Tief HELMA entlang
des Ural bis an die Barentssee subtropische Luft geführt werden. Ungewöhnlich
warme 20 bis 27°C wurden in der Nähe des Polarkreises registriert. In baltischen
Staaten beruhigte sich das Wetter deutlich und bei 9 bis knapp 18 Sonnenstunden
stieg die Temperatur auf 15 bis 20°C.
Am 13. Juni um 01 Uhr MEZ befand sich die Zyklone
HELMA knapp nordöstlich von Sankt Petersburg. Das Tief konnte sich nochmals
deutlich verstärken und ein typisches Frontensystem aufweisen. Der Druck im
Kern betrug ca. 993 hPa. Nach Nordosten entlang der russischen Küste verlief
die Warmfront, die Kaltfront erstreckte sich bogenförmig entlang des Ural bis
sie im Südosten der Ukraine Warmfrontcharakter annahm. Den Frontenanteil vom
Vortag über Deutschland und große Teile Mitteleuropas wurde von Tief INES
aufgenommen. Die 24-stündigen Niederschlagsmengen beliefen sich auf 5 bis 15 mm
im Westen Russlands sowie im Norden von Skandinavien. Aufgrund des nicht gut
ausgeprägten Messnetzes von Wetterstationen in Sibirien sind höchstwahrscheinlich
örtlich ähnlich hohe Mengen wie am Vortag gefallen. Es gab nämlich erneut
enorme Temperaturgegensätze. Auf der Halbinsel Kola und im Norden von
Skandinavien gab es maximal 7 bis 10°C, östlich des Ural wurden erneut 21 bis
28°C gemessen.
Am 14. Juni um 01 Uhr MEZ konnte das Tief HELMA mit
zwei Kernen von ca. 998 hPa über dem Weißen Meer analysiert werden. Die
Warmfront überquerte bereits die Barentssee, die noch gut ausgeprägte Kaltfront
überquerte mit Regenfällen und Gewittern den Ural. Niederschläge wurden in
denselben Regionen wie am Vortag vermeldet. Meist betrugen diese 1 bis 10 mm,
im nordfinnischen Kittila Pokka
registrierte man 18 mm in 24 Stunden. Im Regen und unter dichter Bewölkung
blieb es mit 10 bis 14°C recht kühl.
Im Verlauf des Tages zog das Tief HELMA unter
deutlicher Abschwächung nach Norden mit Kurs Richtung Nordmeer. Damit befand
sich das Tiefdruckgebiet außerhalb des Bereichs der Berliner Wetterkarte und
wurde am 15. Juni nicht mehr verzeichnet.
Geschrieben am 08.08.2016 von Dennis Schneider
Berliner Wetterkarte: 11.06.2016
Wetterpate: Helma Postel