Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet HERMANN

(getauft am 12.01.2015)

 

Am 12.01.2015 wurde auf der Vorderseite eines ausgeprägten Hochdruckgebietes über dem Nordosten der Vereinigten Staaten Kaltluft arktischen Ursprungs vom nordamerikanischen Kontinent Richtung Atlantikküste gelenkt. Beim Zusammentreffen dieser Kaltluft mit der feucht-warmen Atlantikluft entstand im Bereich einer Wellenstörung über der kanadischen Halbinsel Nova Scotia ein Tiefdruckgebiet, welches in der Prognose für den Folgetag auf den Namen HERMANN getauft wurde. Auf der Analysekarte der Berliner Wetterkarte wurde dieses Tief schon am 13.01. mit einer kurzen Warmfront und einer über den Atlantik entlang der Ostküste Nordamerikas reichenden Kaltfront gekennzeichnet.

Im Tagesverlauf des 13.01. zog der Wirbel ostwärts über den offenen Nordatlantik und befand sich am 14.01. um 00 Uhr UTC, also 01 Uhr MEZ, ca. 1500 km südöstlich der Südspitze Grönlands. Der im Zentrum des Tiefs HERMANN herrschende Luftdruck betrug knapp unter 980 hPa. Vom Zentrum führten eine kurze, nach Süden reichende Warmfront mit einem kleinen nachfolgenden Warmluftsektor und eine ausgeprägte, nach Südwesten reichende Kaltfront. Der Tiefdruckwirbel HERMANN verlagerte sich in der Folgezeit weiter ostwärts in Richtung der Britischen Inseln, wobei die Reste des vorlaufenden Tiefs GUNTER I in ihn übergingen. In den Abendstunden des 14.01. erreichte das bereits zu Teilen okkludierte Frontensystem des Tiefs HERMANN schließlich die irische Westküste, in dessen Folge starke Regen- und Schneefälle in Irland und Großbritannien einsetzten.

Am 15.01. um 00 Uhr UTC befand sich das Tiefdruckzentrum nordwestlich von Irland. Beachtlich war vor allem die enorme Verstärkung von Tief HERMANN hin zu einem Orkantief. In nur 24 Stunden sank der zentrumsnahe Luftdruck von knapp 980 hPa auf unter 945 hPa, also ein Abfall von über 35 hPa. Hierbei wird von einer rapiden Zyklogenese gesprochen, also einem Luftdruckabfall von mehr als 24 hPa innerhalb von 24 Stunden. Die Fronten hatten sich weiter ostwärts verlagert, die Okklusionsfront reichte vom Tiefzentrum bis zum Okklusionspunkt, welcher nahe der schottischen Stadt Edinburgh lag. Dort spaltete sie sich in die vorranziehende, bis Nordspanien reichende Warmfront und die nachfolgende, bis weit über den Atlantik reichende Kaltfront auf. Okklusion bedeutet, dass in einem Tiefdruckgebiet die vorlaufende Warmfront von der nachfolgenden, schneller ziehenden Kaltfront eingeholt wurde und sich so eine Mischfront aus beiden Frontentypen ausbildet.

Bis 06 Uhr UTC des 15.01. fielen binnen 24 Stunden an der irischen Station Connaught Airport beachtliche 33 mm Niederschlag, am Cork Airport 29 mm und an den britischen Stationen Strathallan und Keswick 41,2 bzw. 40,4 mm. Das Orkantief HERMANN sorgte zudem bis ins Flachland für Sturm- und Orkanböen mit bis zu 122,5 km/h im irischen Belmullet und sogar bis 147,7 km/h am Flughafen in Cork. In den schottischen Highlands  wurden flächendeckend Orkanböen registriert, die stärksten mit 177,9 km/h an der Station Aonach Mor, einem 1130 m hohen Berg im Norden Schottlands.

Im Tagesverlauf des 15.01. zog das Zentrum von Tief HERMANN über den Norden Schottlands hinweg und sorgte mit den an die Fronten gebundenen Niederschlagsgebieten für stärkere Schnee- und Regenfälle von Portugal über Spanien, Frankreich, den Benelux-Ländern und Deutschland bis in den Süden Skandinaviens. Außerdem traten in diesem Gebiet verbreitet Sturm- und Orkanböen auf, welche ihren Schwerpunkt über Großbritannien und Südskandinavien hatten. So wurde 06 Uhr UTC des 16.01. entlang der norwegischen Küste sehr starke Böen wie an der Station Utsira Fyr mit 129,7 km/h und in der norwegischen Stadt Obrestad bis 118,9 km/h gemeldet. Auch auf dem Aonoch Mor mit bis zu 183,5 km/h und auf dem Brocken mit bis 136,9 km/h kam es zu Orkanböen. Die starken Niederschläge summierten sich 24-stündig auf oftmals mehr als 30 mm. Lokal wurden aber auch deutlich mehr wie beispielsweise in Norwegen an der Station Ualand-Bjuland mit 60,5 mm, im spanischen Vigo mit 55,2 mm und im schottischen Tulloch Bridge mit 43,2 mm erreicht.

Am Morgen des 16.01. befand sich das Zentrum des Wirbels HERMANN über der Nordsee zwischen Schottland und Norwegen. Das Tief hatte sich dabei abgeschwächt, die Fronten waren schon deutlich stärker okkludiert und der Kerndruck war auf ca. 960 hPa gestiegen. Die Okklusionsfront hatte sich vom Tiefzentrum in Richtung Stockholm verlagert. Von dort aus reichten jeweils eine kurze Warm- sowie Kaltfront nach Südosten bzw. Südwesten.

Das sich auf einen Kerndruck von 975 hPa weiter abschwächende Tief HERMANN zog bis zum Folgetag entlang der norwegischen Küste nordwärts. Dabei trennte sich ein von Island bis Norwegen verlaufender Teil der Okklusionsfront ab und zog mit der auf der Tiefrückseite herrschenden Nordströmung südwärts. Die andere Okklusion erstreckte sich vom Tiefdruckkern erst nordostwärts Richtung Nordkap und Murmansk, dann südostwärts bis kurz vor Moskau. Dort teilte sie sich in jeweils eine nur noch sehr schwach ausgeprägte Warm- und Kaltfront auf. Die starken Niederschläge konzentrierten sich hauptsächlich auf das Gebiet zwischen Schottland und Norwegen, besonders entlang der Küste von Norwegen im Stau des norwegischen Gebirges traten innerhalb von 24 Stunden bis 06 Uhr UTC dieses Tages mit 83,9 mm an der Station Takle und 49,8 mm in Forde-Tefre hohe Niederschlagssummen auf, aber auch in Baltasound auf den Shetland Inseln mit 31,6 mm. Orkanböen wurden noch mit 129,7 km/h in Norwegen an der Station Byglandsfjord-Solbakken, sowie im norwegischen Bergland registriert, besaßen jedoch nicht mehr die Intensität des Vortages.

Im Verlauf des 17.01. teilte sich das Tief HERMANN langsam auf, wobei ein Tiefzentrum unter starker Abschwächung nahezu ortsfest vor der norwegischen Küste blieb. Dieses wurde nachfolgend auf der Analysekarte des 18.01. um 00 Uhr UTC mit HERMANN I bezeichnet und wies einen zentrumsnahen Druck von ungefähr 994 hPa auf. Ein zweites, stärkeres Tiefdruckzentrum mit einem Kerndruck von unter 990 hPa bildete sich südlich der russischen Insel Nowaja Semlja aus und wurde nachfolgend HERMANN II genannt. Die beiden Gebiete tiefen Druckes waren durch eine Okklusionsfront miteinander verbunden, welche sich südöstlich des Tiefs HERMANN II auf Höhe des Urals in eine wieder verstärkte Warmfront mit einem nachfolgenden, ca. 3000 km breiten Warmluftsektor und eine bis zur polnisch-ukrainischen Grenze ausgeprägte Kaltfront aufteilte. Stärkere Niederschläge traten nur noch im Stau des norwegischen Gebirges auf, wie in Fossmark, wo 24-stündig bis 06 Uhr UTC 34,7 mm registriert wurden. Sonst traten im Bereich der Okklusionsfront zwischen den Tiefs HERMANN I und HERMANN II sowie an der Warmfront über Russland und der Kaltfront über Osteuropa verbreitet 5 bis 10 mm Niederschlag auf.

Das sich vom Nordmeer her nach Skandinavien ausdehnende Hoch DORIS spaltete die beiden Tiefdruckzentren des Systems HERMANN in der Folgezeit weiter auf. Das Tief HERMANN II zog weiter ostwärts entlang der russischen Nordmeerküste und verschwand dadurch zunehmend aus dem Analysebereich der Berliner Wetterkarte.

Am 19.01.2015 um 00 Uhr UTC war das Tief HERMANN II nach Osten gezogen, so dass es auf der Analysekarte nicht mehr namentlich erwähnt werden konnte, wodurch der Wirbel HERMANN I nachfolgend wieder den Namen Tief HERMANN trug. Das Tiefdruckzentrum hatte sich etwas südwärts verlagert und befand sich nun auf Breite der Stadt Trondheim vor der Küste Norwegens. Von ihm ging eine kurze Okklusionsfront in Richtung Skandinavien aus, welche über Schweden in eine Kaltfront überging, die bis zum Kern des ehemaligen Tiefs HERMANN II reichte. Das Tief HERMANN war in seiner Ausprägung nun nur noch sehr schwach und erreichte etwa einen Kerndruck von 1010 hPa. Auch die Niederschläge, welche im Zusammenhang mit dem Tief HERMANN auftraten, fielen nur noch schwach aus. Entlang der Küste Norwegens wurden nicht mehr als 4 bis 6 mm Niederschlag bis 06 Uhr UTC gemessen, im Bereich der Kaltfront über Skandinavien sogar noch weniger. Im Verlauf des 19.01. schwächte sich das Tiefdruckgebiet immer weiter ab und hatte sich bis zum Morgen des 20.01.2015 komplett aufgelöst.

Das Tief HERMANN beeinflusste insgesamt über 7 Tage das Wetter über dem Atlantik sowie weiten Teilen Europas und konnte sich in dieser Zeit sogar zu einem beachtlichen Orkan entwickeln.

 

 

Geschrieben am 21.02.2015 von Maximilian Steinbach

Berliner Wetterkarte: 15.01.2015

Pate: Hermann Löffelmann