Lebensgeschichte


Tiefdruckgebiet HERRMANN

(getauft am 04.06.2013)


Über Südskandinavien spaltete sich aus einem Höhentrog, einem sogenannten Kaltluftvorstoß nach Süden in einer Höhe von ca. 5,5 km, ein Kaltlufttropfen ab, der am 04.06. in der Prognose für den Folgetag auf den Namen HERMMANN getauft wurde. Bereits am Tauftag und in der Nacht zum 05.06. entwickelte sich vor allem an seiner Nordflanke Wetteraktivität. Mit der Einbeziehung feuchtwarmer Luft aus Osteuropa entstanden über Mittelschweden etwas nördlich von Stockholm größere Regengebiete, die in der Nacht Regenmengen bis zu 20 mm brachten. Vereinzelt entluden sich dort auch Gewitter. Bis zum Mittag setzte sich die Zyklonalität bis zum Boden durch, wobei sich über dem Skagerrak schließlich ein eigenständiges Bodentief ausbildete. Zu diesem Zeitpunkt besaß das Tief eine Okklusionsfront, eine Mischfront mit Eigenschaften von Warm- und Kaltfront, welche sich vom Kern bogenförmig zunächst entlang der Südwestküste Norwegens und dann weiter über das Landesinnere, bis zum Galdhoppigen, dem höchsten Berg Norwegens zog. Dort teilte sie sich in Warm- und Kaltfront. Die Warmfront reichte von dort nach Nordosten, bevor sie sich über dem zentralen Bottnischen Meerbusen mit einem unbenannten Frontensystem verband. Dagegen erstreckte sich die Kaltfront in einem Bogen über die Ostsee, den Rigaschen Meerbusen und die Ostseeküste Lettlands bis nahe der deutsch-polnischen Grenze.

In der Nacht zum 06.06. war es vor allem in Vorpommern empfindlich kalt. Grund dafür war die durch Tief HERRMANN herangeführte maritime Polarluft. In Barth und Tribsees sank die Hüttentemperatur, die Temperatur die normalerweise in 2 m Höhe gemessen wird, auf 3°C, am Boden gab es sogar Tiefstwerte von 0°C. Das kleinräumige, aber durchaus kräftige Höhentief verlagerte sich mit seinem Kern westwärts und lag nachts über Südnorwegen. Das zugehörige Bodentief HERRMANN, in einer großräumigen Bodenhochdruckzone über der Norwegischen See gelegen, blieb dagegen eher schwach ausgeprägt und wies einen Kerndruck knapp unter 1020 hPa auf. Trotzdem verursachte der Höhenwirbel durch Hebungsprozesse besonders in Südnorwegen Regenfälle, die zum Teil staubedingt an den Berghängen noch verstärkt wurden. In Konsmo-Hoyland, an der Südspitze Norwegens gelegen, fielen 24-stündig bis zum Morgen 38 mm. Meist blieben die Niederschlagsmengen aber unter 10 mm. An der Ostflanke von Tief HERRMANN strömte Warmluft nordwärts und brachte insbesondere Finnland zu einem ungewöhnlich frühen Zeitpunkt eine sommerlich warme Witterungsperiode. In Helsinki stieg die Temperatur an diesem Tag auf 26°C. Hauptsächlich das östliche Mitteleuropa, der Balkan und die Ukraine wurden von feucht-warmer Luft beherrscht, die unverändert zu Schauer- und Gewitterbildungen führte. Unwetterartige Niederschlagsmengen gab es aber nur noch ganz vereinzelt, wie beispielsweise im nordpolnischen Mlawa, wo am Abend des 06.06. für die vorangegangenen 12 Stunden 46 mm registriert wurden.

Am 07.06. war der über Mittelnorwegen gelegene kleine Höhenwirbel recht kräftig ausgeprägt im Vergleich zum Bodentief, dessen Frontensystem sich im Verlauf nach Norden verlagert hatte, seinen Aufbau jedoch beibehielt. Durch allmähliche Erwärmung der unteren Troposphäre nahm im Tagesverlauf die Labilität der Schichtung zu. Der KO-Index, ein Maß für die potetielle Labilität der Atmosphäre, wies um 12 Uhr UTC, das entspricht 14 Uhr MESZ, über Lindenberg einen Wert von -3 auf. Bei einem Wert unter 2 gilt für diesen Index eine hohe Gewitterwahrscheinlichkeit. Gleichzeitig strömte feuchtere Luft von Polen über die Oder und Neiße nach Brandenburg. An einer schwach ausgeprägten bodennahen Konvergenz bildeten sich am Nachmittag vom südlichen Brandenburg bis zum Erzgebirge und westlichen Thüringer Wald einzelne Schauer und Gewitter. Dabei fielen in Lindenberg 3 mm, in Bad Muskau 9 mm und in Marienberg 18 mm Regen.

Der Höhentrog über Skandinavien, in dem die Zyklone HERRMANN eingelagert war, dehnte sich etwas nach Süden aus. Damit entstand zwischen dem Höhentief über Frankreich und dem Höhentief über Mittelskandinavien eine Verbindung. Die Folge des Aufeinandertreffens beider unterschiedlicher Luftmassen war die Bildung einer markanten Luftmassengrenze über Mitteleuropa. Im Grenzbereich beider Luftmassen bildeten sich am 08.06. einzelne, teils heftige Gewitter. Gegen 17 Uhr UTC fielen in Starkenberg-Tegkwitz bei Osterfeld 25 mm innerhalb von nur einer Stunde und 26 mm waren es in Hohenbucko bei Doberlug-Kirchhain.

Mit nördlicher Strömung zogen am 09.06. zwischen einem Bodenhoch über Großbritannien und dem sich nach Nordskandinavien verlagernden Tiefdruckgebiet HERRMANN kühlere und stabil geschichtete Luftmassen nach Norddeutschland. An der Nordsee zog sogar Stratocumulus auf, sodass dort die Temperatur nur auf 12 bis 13°C stieg. Die betroffenen Hochwassergebiete wurden zum Teil nochmals von recht ergiebigen Niederschlägen erfasst, die häufig konvektiver Natur und stellenweise auch gewittrig waren. Diese Niederschlagsfelder entwickelten sich im Zuge der über Deutschland gelegenen Kaltfrontokklusion des Tiefs HERRMANN über dem nördlichen Finnland. Stellenweise wurden dabei innerhalb von 24 Stunden bis zum Morgen des 10.06. mehr als 30 mm gemessen, wie beispielsweise am Rande des Thüringer Waldes in Schmücke und Meinigen. Eine Niederschlagsmenge von 31 mm gab es in Oschatz und 32 mm in Doberlug-Kirchhain.

Die Bodenwetterkarte vom frühen Morgen des 10.06. zeigte das Zentrum der Zyklone HERRMANN über Zentralfinnland. Im Nordwesten Russlands war es am 11.06. recht warm, da auf der Vorderseite des am Morgen über Karelien gelegenen Tiefs HERRMANN Warmluft subtropischen Ursprungs bis zur Eismeerküste gelangte. In Workuta stieg die Temperatur bis 25,7°C. Entlang der Zugbahn des Tiefdruckwirbels entstanden auch kräftige Gewitter, die am Onega-See und am Weißen Meer örtlich Regenmengen von mehr als 30 mm brachten.

Um Mitternacht lag der Tiefdruckwirbel HERRMANN mit seinem Zentrum am nördlichen Ural und verstärkte sich auf einen Kerndruck von etwas weniger als 990 hPa. An seiner Rückseite breitete sich kalte Polarluft nach Nordrussland und Lappland aus. In ihr stieg am 12.06. in Archangelsk die Temperatur nur noch bis 6,8°C. Wenig weiter nördlich traten auch Schneeschauer auf.

Der über Nordwestrussland gelegene kräftige Tiefdruckwirbel HERRMANN zog rasch weiter nach Nordosten und lag am 13.06. über der russischen Halbinsel Jamal. Bis zum 14.06.2013 verschwand das Tief HERRMANN schließlich vollständig aus dem Analysebereich der Berliner Wetterkarte.

 


Geschrieben am 26.06.2013 von Jasmin Holzapfel

Berliner Wetterkarte: 06.06.2013

Pate: Herrmann Wunn