Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
HILDEGARD
(getauft
am 25.05.2020)
Bereits am 24.05. befand sich ein ausgedehntes
Tiefdruckgebiet mit einem weit fortgeschrittenen Frontensystem 1000 km
nordöstlich von Neufundland mit einem tiefen Kerndruck von etwa 985 hPa. Dieses
Tiefdruckgebiet geriet im Tagesverlauf in die stark ausgeprägte Westwinddrift,
sodass es sich über Nacht weiter nach Osten verlagerte. Aufgrund der schnellen
Fortbewegungsgeschwindigkeit und der weiteren Intensivierung tauften die
Meteorologen der Berliner Wetterkarte dieses Tiefdruckgebiet am 25.05. auf den
Namen HILDEGARD. Die Zyklone befand sich am Morgen des 25.05. 1000 km südlich
von Grönland und 1000 km westlich von Island mit einem Kerndruck von etwas
unter 985 hPa. Das Frontensystem bestand aus zwei Mischfronten, auch genannt
als Okklusion, welche sich einmal nach Südwesten und zusätzlich nach Osten
erstreckten. An der Nordostküste Islands war der Okklusionspunkt verortet,
welcher die Front in eine Warm- und Kaltfront aufteilte. Die Warmfront
überquerte die Nordsee, die Benelux-Länder und endete in einer Kaltfront über
Köln. Die Kaltfront hingegen verlief über den Atlantischen Ozean, wo sie in
eine Warmfront mündete. Über den gesamten Tag sorgte die Okklusionsfront in
Island für anhaltenden Regen bei maximal 4,3°C auf der Erhebung Hveravellir Sjalfvirk Stoed und 11,0°C in der Hauptstadt Reykjavík. An der
Wetterstation Lónakvísl wurden insgesamt 33,0 l/m² in
einem 12-stündigen Intervall zwischen 08 und 20 Uhr MESZ gemessen, wobei die
Niederschlagsintensität insbesondere am frühen Abend zunahm. Des Weiteren wehte
der Wind an der Südwestküste zeitweise mit 80 km/h auf den Bergen Hafnarfjall und 76 km/h auf Þyrill.
Zusätzlich erreichte die Warmfront am Mittag die skandinavische Küste, wobei
sich diese aufgrund des dortigen zunehmenden Hochdruckeinflusses schnell
auflöste und keinen nennenswerten Niederschlag verursachte. Gleichzeit zog die
Kaltfront über Nordirland und Schottland hinweg, wobei dort nur kurze Schauer
an der Westküste einsetzten. In Folge dessen wurden innerhalb von 12 Stunden
6,0 l/m² in Valentia und 3,0 l/m² an der
Forschungsstation Mace Head gemessen. Des Weiteren frischte der Wind in
Schottland auf und erreichte auf der Erhebung Bealach
Na Bá immerhin 100 km/h.
Am nachfolgenden Tag spaltete sich das
Kerndruckgebiet von Tief HILDEGARD in insgesamt drei Kerne auf, welche jeweils
in einem Abstand von 1000 km voneinander entfernt um Island verteilt lagen und
mit römischen Ziffern markiert wurden. Der Kerndruck der drei Kerne lag zwischen
995 und 1000 hPa. An diesem Tag waren die Niederschläge ebenfalls nur sehr
schwach ausgeprägt mit 3,8 l/m² an dem Fjordort Bremuseet. Etwas stärker waren die Schauer im Norden
Schwedens ausgeprägt, wo 12,0 l/m² in dem Ort Vidsel
gemessen wurden. Sturmböen traten dabei nur sehr selten auf. Die stärkste
Windböe war in einem norwegischen Küstenort an dem Leuchtturm von Kråkenes mit 79,6 km/h verortet. Beachtlich war
allerdings der Kaltluftvorstoß, sodass die Frostgrenze in der Nacht zum 26.05.
auf 500 Meter sank und auf den skandinavischen Bergen und im hohen Norden
kurzzeitigen Frost verursachte.
In der Nacht zum 27. Mai löste sich der Kern mit
der römischen Ziffer II auf und die übrigen Kerne I und III von Wirbel
HILDEGARD erstreckten sich von den Jan Mayen Inseln bis nach Grönland, sodass
die Tiefdruckkerne nicht direkt in das Wetter Mitteleuropas involviert waren.
Allerdings verlief die Kaltfront des Frontensystems in welliger Form von
Schweden über Nordfrankreich bis nach Irland und überquerte im Tagesverlauf
Dänemark und den Nordwesten Deutschlands. Die Front war jedoch nicht markant,
da ein Großteil des Niederschlags in den Regionen Island und der Nordwestküste
Norwegens niederging. Hierbei war vor allem die zyklonale, also die sich gegen
den Uhrzeigersinn drehende, Strömungsrichtung entscheidend, welche zusammen mit
weiteren Frontausläufern diverse Hebungsprozesse an den Küsten auslöste. Im islandischen Fall führte dies zu 50,2 l/m² innerhalb von 12
Stunden in Grundarfjörður. Ab den Mittagsstunden intensivierte
sich der Regen auf eine Niederschlagsintensität von durchschnittlich 5 l/m² pro
Stunde. In Norwegen waren die Niederschlagswerte etwas geringer, wobei am
Nachmittag in der Stadt Hitra 12,0 l/m² registriert
wurde. Auch in Seljelia meldete die Wetterstation
11,0 l/m², wobei hier der Niederschlag am späten Nachmittag zunehmend nachließ.
Zudem wehte der Wind an der Steilküste Andoya/Trolltinden mit bis zu 100 km/h.
Im weiteren Verlauf löste sich noch ein weiterer
Kern vom Tiefdruckgebiet HILDEGARD auf, sodass nur noch das Hauptdruckgebiet
auf der Berliner Wetterkarte 200 km südwestlich von Spitzbergen markiert wurde
mit einem Druck von unter 1005 hPa. Wie bereits am Vortag strömte dank der
Rotationsrichtung weiterhin feuchte Luft an die nordwestliche Küste Norwegens,
was topographisch bedingte Niederschläge auslöste. Bereits am Vormittag setzte
zeitweise Regen ein, am Nachmittag war es wiederum trocken, bevor am Abend
wieder längere Regenperioden stattfanden. Insgesamt lagen die
Niederschlagssummen in Reipå, einem norwegischen Dorf im Nordland, innerhalb
von 24 Stunden bei 21,2 l/m² und an dem Flughafen Mosjøen
in der
Region Kjærstad bei 20,9 l/m². Zusätzlich überquerte der
südliche Teil der Kaltfront Tschechien, Bayern und Ostösterreich, wo diese
kurzzeitig gestaut wurde und es daher zu zahlreichen Schauern und vereinzelten
Gewittern kam. Die Schauerlinie gestaltete sich hierbei flächendeckend, wobei
sie nur in den bereits erwähnten Gebieten größere Niederschlagssummen
produzierte. Im sogenannten Deutschen Eck bei Salzburg fielen die Schauer am
stärksten aus bei maximal 21,0 l/m² am
Salzburger Flughafen oder 17,5 l/m² im
Berchtesgadener Land innerhalb von 12 Stunden. Der Wind wehte in Schauernähe
zwar meist stark, erreichte aber aufgrund der langsamen
Strömungsgeschwindigkeit des Frontsystems nie Sturmcharakter. Selbst auf den
Gletschern registrierten die Wetterstationen nur Böen bis maximal 80 km/h, wie
z.B. auf dem Schnalstaler Gletscher in 3200 Meter
Höhe. Auffällig war allerdings die niedrige Höchsttemperatur in Polen,
Tschechien und zum Teil in Österreich. In dem höhergelegenen tschechischen Ort Svratouch sank die Temperatur auf für diese Jahreszeit
recht kühle 9,3°C an. Am Vortag war es bei 16,4°C noch deutlich angenehmer und
wärmer gewesen.
In der Nacht zum 29.05. bildete sich entlang der
Okklusion wieder ein zweiter Kern, welcher mit der römischen Ziffer II
identifiziert wurde. Darüber hinaus befand sich das Tief HILDGARD I frontenlos
direkt über Spitzbergen und das andere Kerngebiet HIDLEGARD II 500km
nordöstlich von der Halbinsel Kola. Wie bereits an den Vortagen gab es
zahlreiche Niederschlagsmeldungen an der norwegischen Küste, sodass darauf
nicht nochmal gesondert eingegangen wird. Die Kaltfront, die vom Kern II nach
Süden abging, hatte sich bis zu den frühen Morgenstunden nach Norditalien und
Ungarn verlagert, sodass sich auch die Niederschlagsereignisse in dieser Region
abspielten. In der Nähe von Florenz traten die höchsten Niederschlagswerte auf.
Beispielsweise in Castagneto San Godenzo
fielen 20,4 l/m², in Giogo 28,8 l/m² und in Sestino 26,4 l/m². Der nördliche Teil der Kaltfront
hingegen zog über Russland hinweg, wobei sich in der Region um Moskau
wiederholt kurze, aber zum Teil recht kräftige Schauer bildeten. In Moskau
wurden somit 37,0 l/m² zwischen 05 und 17 Uhr MESZ gemessen.
In den folgenden zwei Tagen verlagerte sich die
Zyklone HILDEGARD weiter nach Osten bis in den Norden Sibiriens. Dadurch hatte
auch das Frontensystem keinen Einfluss mehr auf das Wetter in Mitteleuropa.