Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet HORST
(getauft am
04.11.2013)
Am
02.11. verlagerte sich ein bereits vollständig und kräftig ausgebildetes
Tiefdruckgebiet von Westen her über den Osten Kanadas und damit in den Bereich
der Berliner Wetterkarte. Der Kerndruck betrug etwa 973 hPa und es besaß
mehrere Frontensysteme. Gesteuert wurde das Tief durch Höhenkaltluft in ca. 5,5
km Höhe und einer kräftigen Westströmung. Am folgenden Tag konnte es sich auf
einen Kerndruck von knapp unter 970 hPa verstärken und wurde mit dem Zentrum
vor der Südwestküste Grönlands analysiert. Die Frontensysteme hatten sich zu
einer Okklusionsfront, einer sogenannten Mischfront mit Eigenschaften von Warm-
und Kaltfront, zusammengefügt, die sich vom Zentrum aus südostwärts über den
Nordatlantik mit einer Länge von etwa 1500 km erstreckte.
Über
der Südküste Grönlands entstand in der mittleren Troposphäre ein neues
Höhentief, welches die Ostverlagerung des Tiefdruckgebietes am Boden am 04.11.
verhinderte. Das führte dazu, dass sich in der Höhe der Temperaturgradient
zwischen Höhenkalt- und Höhenwarmluft im südwestlichen Bereich verschärfte und
ein neues Frontensystem entstand. Diese neuen Fronten wurden dem
Tiefdruckgebiet mit Zentrum vor der Südküste Grönlands zugeordnet, welches an
diesem Tag auf den Namen HORST getauft wurde. Die ursprüngliche
Okklusionsfront, welche sich an diesem Tag noch vom Zentrum aus südostwärts bis
nach Irland erstreckte, hatte sich schon weitgehend aufgelöst.
Durch
die einsetzende Ostverlagerung des umfangreichen Höhentiefs kam auch Tief HORST
im Bodenniveau weiter nach Osten voran und befand sich mit seinem Zentrum am
05.11. südwestlich von Island. Die Okklusionsfront reichte vom Zentrum aus
südostwärts bis nach Irland. Dort teilte diese sich in eine Warmfront, die
weiter südostwärts bis zu den Pyrenäen verlief, und eine Kaltfront, die sich
westwärts auf den Nordatlantik erstreckte. Hinter der Warmfront wurde
subtropische Luft zur Iberischen Halbinsel geführt, die gegenüber dem Vortag zu
einem deutlichen Temperaturanstieg führten. So wurden beispielsweise in
Valencia 29°C als Höchsttemperatur erreicht, während es am Vortag noch 23°C
waren, in Madrid 23°C, nach zuvor 16°C, und in Barcelona 26°C, nach zuvor 20°C.
Dabei blieb es in allen genannten Orten trocken. Ganz anders gestaltete sich
das Wettergeschehen in Irland und Großbritannien. Hier überquerte die
Okklusionsfront im Laufe des Tages beide Länder von West nach Ost und brachte
neben dichten Wolken auch gebietsweise leichte bis mäßige Niederschläge.
Verbreitet fielen 1 bis 4 l/m² innerhalb von 24 Stunden, in Glasgow und
Edinburgh kamen je 8 l/m² zusammen.
Bis
zum Abend erreichte die Okklusionsfront von Tief HORST auch den Westen
Deutschlands. Hierbei wurden vom Mittelrhein bis zur Emsmündung
2 bis 5 l/m² innerhalb von 12 Stunden gemessen, in Bonn waren es 10 l/m². Im
Laufe der Nacht kam die Front weiter
nach Osten voran und erreichte am frühen Morgen auch den Nordosten
Deutschlands. In höheren Lagen fiel der Niederschlag teilweise als Schnee,
sodass der Brocken am Morgen eine Schneehöhe von 6 cm und der Große Arber von
13 cm meldeten.
Am
06.11. kam die ohnehin schon langsame Ostverlagerung des Höhentiefs zum
erliegen, sodass auch Tiefdruckgebiet HORST im Bodenniveau nicht weiter nach
Osten vorankam. Dabei erstreckte sich die nur noch aus einer Okklusion
bestehende Front vom Zentrum, welches weiterhin südwestlich von Island lag, aus
ost- bis südostwärts nach Dänemark. Der sich vorher von dort bis nach
Tschechien verlaufende Teil löste sich nach der Überquerung Deutschlands auf. Die
niederschlagsreichsten Orte im Einflussbereich von Tief HORST waren die
Hauptstadt der Färöer-Inseln Thorshavn mit 12 l/m² und die Stadt Bergen im
Südwesten Norwegens, wo Stauniederschläge zu 20 l/m² innerhalb von 24 Stunden
führten.
Während
das Zentrum des Tiefs HORST auch am 07.11. stationär vor der Südwestküste von
Island lag, kam die inzwischen abgeschwächte Okklusionsfront nach Norden voran,
sodass diese vom Kern ostwärts bis zur Westküste Norwegens verlief. Der
Kerndruck hatte sich aber nur wenig auf knapp 974 hPa abgeschwächt. Dabei
wurden in Bergen nochmals 18 l/m² registriert, in Thorshavn waren es 2 l/m²
innerhalb von 24 Stunden.
Am
folgenden Tag verlagerte sich das Höhentief westwärts, sodass sich wärmere
Höhenkaltluft über dem Zentrum von HORST befand und dieses sich dementsprechend
leicht abschwächte. Gleichzeitig zog das Zentrum nordostwärts und befand sich
mit einem Kerndruck von etwa 983 hPa über dem Europäischen Nordmeer.
Im
Bereich eines neuen Höhentiefs über dem Europäischen Nordmeer konnten am 09.11.
wieder neu entstandene Fronten für Tief HORST analysiert werden. Dabei reichte
die kurze Warmfront vom Zentrum aus nordostwärts bis zum Nordkap, die Kaltfront
in einem engen Bogen erst südwärts bis zu den Färöer-Inseln und dann westwärts
bis zur Südküste Islands. Dabei trennte die Kaltfront polare Meeresluft im
Süden von arktischer Meeresluft im Norden. In Jan Mayen wurde dementsprechend
eine Höchsttemperatur von nur -4°C gemessen.
Am
10.11. befand sich Tief HORST außerhalb der über Mittel- und Osteuropa
vorherrschenden Westströmung. Auch konnte in der Höhenkarte kein zugehöriges Höhentief
mehr analysiert werden, sodass sich dieses unter erneuter Abschwächung langsam
nach Nordosten verlagerte. Das Zentrum lag zwischen Spitzbergen und der
Nordküste Norwegens. Die kurze Warmfront verlief über das Nordkap zur Insel Nowaja Semlja, die Kaltfront zog sich entlang der
norwegischen Westküste südwärts bis nach Schottland. Dadurch konnten in Bergen
3 l/m² und in Glasgow nochmals 7 l/m² innerhalb von
24 Stunden registriert werden. Die Höchsttemperatur stieg in Glasgow durch die
eingeflossene arktische Kaltluft nur noch auf 6°C.
Am
11.11. verlagerte sich Tief HORST weiter nach Spitzbergen mit Zugrichtung zum
Nordpol. Dabei wurden auf Spitzbergen am Flughafen Svalbard bei Temperaturen um
-3°C sogar Schneegewitter beobachtet. Die Niederschlagsmengen waren aber sehr
gering. Im Laufe des Tages verließ Tiefdruckgebiet HORST den Bereich der
Berliner Wetterkarte nach Norden und tauchte nach einer Lebensdauer von 10
Tagen letztmalig auf der Bodenwetterkarte auf.
Geschrieben von Matthias Treinzen
Berliner Wetterkarte: 06.11.2013
Pate: Horst Lommatzsch