Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet HUBERTUS

(getauft am 06. Mai 2021)

 

Anfang Mai 2021 lag Mitteleuropa unter dem Einfluss mehrerer aufeinanderfolgender Tiefdruckgebiete. Auf der Bodenwetterkarte der Berliner Wetterkarte vom 06. Mai waren gleich fünf verschiedene Tiefs verzeichnet, darunter DANIEL über Nordwestsibirien, EUGEN über Schweden, FÜRCHTEGOTT über dem Baltikum und GREGOR westlich der Britischen Inseln. Neu vergeben wurde der Name HUBERTUS für ein Wellentief über dem westlichen Nordatlantik, das sich entlang der Frontalzone zwischen Tief GREGOR und dem nordamerikanischen Festland gebildet hatte. Der minimale Luftdruck in seinem Zentrum belief sich um 02 Uhr MESZ auf knapp 1000 hPa.

 

Auch auf der Bodenwetterkarte vom 07. Mai, die die Situation genau 24 Stunden später darstellt, ist zu erkennen, dass sich Tief HUBERTUS in der Zwischenzeit deutlich verstärkt hatte. Der Luftdruck war auf 995 hPa gesunken und das Zentrum des Tiefs hatte sich mehrere hundert Kilometer nach Südosten verlagert. Zudem hatte das Tiefdruckgebiet ein eigenständiges Frontensystem ausgebildet, welches sich jedoch noch komplett über dem offenen Ozean befand. Am Nachmittag erreichte jedoch die Kaltfront die Azoren mit teils ergiebigem Regen. Auf den Inseln Flores und Pico wurden innerhalb von 12 Stunden bis 20 Uhr MESZ je 11 l/m² registriert, auf Santa Maria immerhin 4 l/m². Dabei wurden an den exponierteren Messstellen Böen der Stärke 8 gemessen.

 

Im Verlauf des 07. Mai bewegte sich das Tief HUBERTUS zwar insgesamt nur wenig Richtung Europa, hatte aber währenddessen an Kraft gewonnen, so dass der Bodendruck im Tiefzentrum am 08. Mai schon mit rund 965 hPa  angegeben werden konnte, eine drastische Verringerung von ca. 30 hPa in 24 Stunden oder 45 hPa in 48 Stunden.

In der Nacht auf den 08. Mai machte auch die Warmfront von Tief HUBERTUS ersten Kontakt mit einer Landmasse und traf von Südwesten auf Irland. Auch hier kam es zu Böen der Stärke 8, an der Küste allerdings keine Seltenheit, und bis 08 Uhr MESZ flächendeckend zu 15 bis 20 l/m² Regen. Auch im Südwesten Englands regnete es schon am Morgen, später kam der große Rest des Königreichs hinzu, mit einer maximalen Regensumme bis 20 Uhr MESZ von 48 l/m² im walisischen Sennybridge. Extreme Orkanböen gab es dabei auf dem auch extrem exponierten Gipfel des Cairn Gorm (maximal 150 km/h); in flacheren, bebauten Gebieten kam es überall zur Windstärke 7 und vereinzelt zu Stärke 9 (Odiham 77,8 km/h um 17 Uhr MESZ). An der Küste der Bretagne gab es in der Nacht maximal 11 l/m² Regen in Brest, die stärksten Windböen aber erst mittags, mit bis zu 80 km/h ebenfalls in Brest. Ab dem Nachmittag traf der Warmfrontregen von Tief HUBERTUS auch in Nordwestdeutschland ein: in Nordrhein-Westfalen gab es nur wenige Tropfen, in Emden jedoch 7,7 l/m² und auf Borkum 10,1 l/m². Den Regen begleitete dabei ein Wechsel zu einer deutlich wärmeren Luftmasse. Subpolarluft wurde von maritimer Subtropikluft abgelöst, wodurch beispielsweise in Köln die Höchsttemperatur vom 07. auf den 08. Mai von 13,1°C auf 18,1°C stieg, trotz jeweils nur 4 bis 5 Stunden Sonnenschein.

Auf der Bodenkarte des 09. Mai lag das Zentrum von Tief HUBERTUS mit minimal 975 hPa westlich von Irland. Von dort aus spannte sich eine Okklusionsfront, quasi eine Mischform aus Warm- und Kaltfront, über Schottland bis zur Nordsee, wo sie sich in eine nach Bayern reichende Warmfront und eine stationär über England und der Biskaya liegende Kaltfront aufspaltete. Die Warmfront sorgte in der Nacht für Landregen in Dänemark, Schleswig-Holstein und dem nördlichen Niedersachsen, mit Spitzenwerten von 12 l/m² in Skrydstrup und 10,1 l/m² in Bordelum. Zudem kam es durch die Kaltfront zu weiteren Regenfällen in England, Galicien und Portugal, die zumindest auf der Iberischen Halbinsel mit maximal 24,8 l/m² an der Station Mazaricos-A Picota auch reichhaltig ausfielen. Bemerkenswert war auch, dass die Temperatur in San Sebastián am westlichen Rand der Pyrenäen nachtsüber nicht unter 24°C sank. Diese warme Luftmasse kam tagsüber dann auch im deutschsprachigen Raum an. Zum ersten Mal im Jahr 2021 wurde in Deutschland die 30-Grad-Marke geknackt, mit 31,3°C in Waghäusel-Kirrlach. In Berlin-Dahlem wurde eine Temperatur von 26,9°C registriert, und damit der erste Sommertag des Jahres, der nach meteorologischer Defition bei einer Überschreitung von 25°C eintritt. Nur zwei Tage zuvor hatte es am späten Vormittag im Einflussbereich von Tief GREGOR noch geschneit. Derweil zog die Kaltfront im Tagesverlauf von West nach Ost über die Iberische Halbinsel und brachte zum Teil kräftige Niederschläge und Gewitter mit sich. Die maximale Niederschlagssumme belief sich auf 31,8 l/m² in Aragüés del Puerto. In Teilen Mitteleuropas war der Wind sehr böig. In Rodez kam es am Nachmittag zu Böen der Stärke 10 mit 97km/h, und auch in den Schweizer Föhntälern wehte ein starker Föhn: in Brunnen am Vierwaldstättersee wurden von 13 Uhr bis 5 Uhr MESZ jede Stunde Böen mit über 90 km/h gemessen, mit maximal 127,8 km/h (Windstärke 12, Orkan) um 02 Uhr morgens am 10. Mai.

 

Die Wetterkarte von dieser Nacht auf den 10. Mai zeigt das Zentrum von Tief HUBERTUS über Irland mit einem Luftdruck von rund 980 hPa. Die Struktur des Tiefs hatte sich im Vergleich zum Vortag nicht verändert, die geographische Verteilung aber schon ein bisschen. Die Okklusion reichte nun bis nach Zentralschweden, die Warmfront vom dortigen Okklusionspunkt bis nach Polen und die weiterhin gewellte Kaltfront über die Nordsee, Frankreich und die spanische Mittelmeerküste bis nach Marokko. Im Föhnsturm wurde die erste Tropennacht des Jahres in der Schweiz registriert: in Altenrhein am Bodensee sank die Temperatur nicht unter 22,2°C. Ab einer Minimaltemperatur von 20°C spricht man in der Meteorologie von einer Tropennacht. Eine solche gab es auch an den beiden deutschen Stationen Hamminkeln-Brünen und Hamburg-Neuwiedenthal mit je 20,1°C. Kräftige Regenfälle nebst Gewittern traten in der Nacht in Südfrankreich und Dänemark sowie Schleswig-Holstein auf. Im Massif Central lagen die Regensummen flächendeckend über 10 l/m², die höchsten Werte gab es in Espot in den spanischen Pyrenäen mit 39,8 l/m², in Bertodasco-Locana bei Turin mit 37,0 l/m² und erneut in Skrydstrup mit 20 l/m². Tagsüber stellte sich in Deutschland ein starker Kontrast zwischen einer Osthälfte, in der überall Höchsttemperaturen zwischen 25°C und 32°C erreicht wurden, und einer Westhälfte, in der die Maxima meist zwischen 20°C und 25°C lagen, in Rheinland-Pfalz auch unter 20°C, ein. Das lag natürlich an der von Westen hereinziehenden Kaltfront. In Norddeutschland verlief die Passage der Front weitgehend niederschlagsfrei, in Süddeutschland kam es örtlich zu Regenmengen unter 10 l/m². Anders gestaltete sich die Situation in Frankreich. Da die Front nahezu stationär lag und durchgängig warme und feuchte Luft vom Mittelmeer herangeführt wurde, regnete es zum Beispiel in Lyon den ganzen Tag, wodurch 12-stündig bis 20 Uhr MESZ 77 l/m² Regen fielen; in 24 Stunden bis 08 Uhr am nächsten Tag waren es sogar 106 l/m². Trotz dieser rekordverdächtigen Summen gab es nur leichte Überschwemmungen. Diese Niederschläge waren nicht nur auf Lyon konzentriert, sondern erstreckten sich über weite Teile der italienischen und französischen Westalpen sowie das Jura. Da sich in dieser Region an der Kaltfront von Tief HUBERTUS in der Nacht auf den 11. Mai das Leetief IMMANUEL bildete, sind weitere Starkniederschläge im Alpenraum auf letzteres zurückzuführen. Das Regengebiet aus Südostfrankreich „hangelte“ sich in der Nacht quasi nordwärts und schlug sich in Landregen über Nordwestdeutschland nieder. Der höchste gemessene 12-Stunden-Wert lag bei 34,5 l/m² und stammte von der Wetterstation Frankenfeld-Hedern.

 

Auch fünf Tage nach seiner Taufe war Tief HUBERTUS noch auf der Bodenwetterkarte zu erkennen, und zwar sogar mit zwei Kernen. Tief HUBERTUS I lag mit etwa 992 hPa nach wie vor nordwestlich von Irland. Tief HUBERTUS II hatte sich vor Norwegen gebildet und wies einen Luftdruck von etwa 995 hPa auf. Der Okklusionspunkt lag nahe Trondheim, die Warmfront erstreckte sich mittlerweile über Finnland bis Nordwestrussland, und die Kaltfront reichte südwärts über Stockholm und Berlin bis nach Thüringen, wo in die Warmfront von Tief IMMANUEL überging. Im Warmsektor, also dem Bereich zwischen Kalt- und Warmfront, stieg die Temperatur in der Südhälfte Finnlands auf bis zu 25°C. In Südschweden gab es im Bereich der Kaltfront einen ähnlichen Temperaturkontrast wie in Deutschland am Vortag. Während in Växjö 25,1°C erreicht wurden, war das Maximum nur wenig weiter westlich an der Station Naven 8,7°C. Stattdessen fielen dort im Bereich der Kaltfront von Tief HUBERTUS 20 l/m² Regen in 12 Stunden. Auch in weiten Teilen Englands kam es durch das nahe Tiefdruckzentrum zu weiteren, aber meist leichteren Regenfällen.

 

Aufgrund einer nur langsamen Annäherung an den normalen Atmosphärendruck von 1013,5 hPa waren die beiden Tiefdruckgebiete HUBERTUS I und II auch noch auf den Wetterkarten vom 12. und 13. Mai verzeichnet, wobei das Tief HUBERTUS II entlang der norwegischen Küste bis zum Nordkap zog und Tief HUBERTUS I nicht von Irlands Seite wich. In der Nacht auf den 12. Mai gab es weitere Schauer meist leichter Intensität auf den Britischen Inseln, mit maximal 17 l/m² in Bingley, die sich am Tag weiter nördlich fortsetzten: in 6 Stunden bis 14 Uhr MESZ fielen im schottischen Aboyne 21 l/m². Danach kam nicht mehr viel, und am 14. Mai 2021 musste die Wetterkarte ohne Tief HUBERTUS auskommen. Insgesamt war das Tief eine Woche auf ihr verzeichnet und damit ein sehr langlebiges – von DANIEL bis LOTHAR teilte es sich die Wetterkarte mit 8 anderen Tiefdruckgebieten. Auch wenn sich das Zentrum von Tief HUBERTUS, oder später HUBERTUS I, nach einer flinken Atlantiküberquerung nur wenig bewegte, brachten seine Ausläufer von Regen in Madrid zu 25°C in Helsinki Wetter aller Art in die gesamte Nordwesthälfte des Europäischen Kontinents.