Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
IGNAZ
(getauft
am 12.09.2019)
Am 12.09.2019 befand sich ein noch unbenanntes Tiefdrucksystem
westlich von Neufundland. Damit lag es direkt unter der Westwinddrift, welche
zu diesem Zeitpunkt besonders stark ausgeprägt war. Dies ist anhand des
Abstandes der Isohypsen auf der 500 hPa-Karte in ca. 5,5 km Höhe ersichtlich.
Die Isohypsen lagen eng beieinander, was für eine hohe Windgeschwindigkeit spricht,
weshalb sich das Tief mit hoher Geschwindigkeit nach Osten fortbewegen würde.
Aufgrund dieser Annahme prognostizierte die Meteorologen der Berliner
Wetterkarte, dass der Wirbel den europäischen Raum erreichen würde und taufte ihn
auf der Prognosekarte vom 12.09. für den Folgetag auf den Namen IGNAZ.
Am 13.09. um 00 UTC bzw. 02 Uhr MESZ befand sich der Wirbel IGNAZ
mit einem Kerndruck von unter 1005 hPa ca. 1000 km östlich von Neufundland. An
diesem Tag bewegte sich die Zyklone zügig nach Osten über den Atlantischen
Ozean fort.
Am nächsten Tag lag das Tiefdrucksystem IGNAZ 500 km südwestlich
von Island. Zudem hatte es sich deutlich intensiviert, weshalb der Kerndruck um
15 hPa auf unter 990 hPa gesunken war. Der Grund hierfür war der große
Temperaturunterschied zwischen einer kalten Nordströmung, welche von Grönland
durch einen Trog herangeführt wurde und der wärmeren Luftmasse im Süden des
Tiefs IGNAZ. Die Zyklone war bereits in einer fortgeschrittenen
Entwicklungsphase mit einer kleinen Okklusion und einer Warm- und Kaltfront.
Bei einer Okklusion handelt es sich um einen Vorgang, bei dem eine Mischfront
durch den Zusammenschluss von Warm- und Kaltfront entsteht und die
Eigenschaften beider Typen in sich vereint. Warm- und Kaltfront bezeichnen hier
die Grenze zwischen zwei unterschiedlich temperierten Luftmassen. Die
Okklusionsfront verlief in einem konvexen Bogen nach Osten und spaltete sich
500 km östlich des Tiefdruckzentrums im Okklusionspunkt in eine Warm- und
Kaltfront auf. Die Warmfront war nach Südosten ausgerichtet und endete 500 km
westlich von Irland. Die Kaltfront erstreckte sich nach Südwesten und mündete
in die Warmfront eines weiteren Tiefdruckgebiets. Am Vormittag erreichte die
Warmfront Irland und im weiteren Tagesverlauf auch Westeuropa. Zudem wurde
aufgrund der Rotationsrichtung eines Tiefdruckgebiets, gegen den Uhrzeigersinn,
feuchte und warme Luft nach Island herangeführt, wo es durch die orographische
Hebung zu Niederschlägen kam. In Hellisskard regnete
es beispielsweise in den 12 Stunden bis 08 Uhr MESZ 28 l/m². In Kvisker auf der Südostküste Islands waren es zeitgleich
immerhin 23,7 l/m². Die Schneefallgrenze lag am Tag bei etwas über 1.000
Metern. In der Nacht zum 15.09. sank die Frostgrenze auf ca. 500 Meter, weshalb
der Niederschlag auf einigen Hügeln als Schnee fiel. Außerdem sorgte das sich intensivierende
Tief IGNAZ für Starkniederschläge in Norwegen. An der Südwestküste Norwegens
wurden 24-stündig bis zum nächsten Morgen 148 l/m² in Fister
registriert. In der niederschlagreichsten Großstadt Europas, in Bergen, fielen
ebenfalls 75 l/m². Hierbei handelte es sich um advektiven Regen, welcher
schauerartig verstärkt wurde. Zudem frischte der Wind in Schottland auf und
erreichte auf exponierten Bergen Orkanstärke. Auf dem 1200 Meter hohem Cairn Gorm und dem 1100 Meter
hohem Aonach Mòr wurden
über mehrere Stunden Orkanböen gemessen. Die höchste Böe trat auf dem Cairn Gorm mit 180 km/h um 19 Uhr
MESZ auf. Der Windrekord für diese Messstation liegt übrigens bei beachtlichen
278 km/h und ist damit einer der Spitzenreiter in Europa. Daher sind Orkanböen
bei einem Frontdurchgang in der Regel nicht außergewöhnlich.
Am 15.09. war die Zyklone IGNAZ 500 km westlich von Norwegen mit
einem Kerndruck von unter 980 hPa verortet und entwickelte sich immer mehr zu
einem Sturmtief. An diesem Tag regnete es weiterhin in Norwegen, wobei der
Niederschlag auch auf andere Regionen wie Norddeutschland übergriff. Die
höchste Niederschlagssumme über 24 Stunden trat in Fossmark
mit 66 l/m² auf.
Zum 16.09. spaltete sich das Tief IGNAZ in zwei Teiltiefs auf,
welche mit römischen Zahlen identifiziert werden. Ein Tiefdruckgebiet, IGNAZ
II, lag östlich von Helsinki mit einem Druck von unter 985 hPa, das andere
nördlich von Bergen mit unter 995 hPa. Dieser Tag war außer einigen
Niederschlägen von maximal 40 l/m² in Namsskogan eher
ruhig.
Zum 17.09. wurde der westliche Kern der Zyklone IGNAZ zunächst
nicht weiter benannt. Der östliche Kern verlagerte sich bis nach
Nordwestrussland mit einem Druck von unter 990 hPa. Im Tagesverlauf wurde
deutlich, dass sich der eigentlich zweite Kern von Tief IGNAZ ebenfalls zu
einem Sturmtief entwickelte, weshalb es auf der Mittagskarte auch wieder als Tief
IGNAZ I benannt wurde. Die Kaltfront dieses Tiefs überquerte am Nachmittag den
norddeutschen Raum. Dabei frischte der Wind auf und erreichte in Böen in der
Nähe von Flensburg 107 km/h. Aber auch an anderen Stationen wie in Bremerhaven
wurden 89 km/h; verbreitet herrschte Windstärke 8 bis 10. Aufgrund der starken
Belaubung der Bäume reichten die Böen aus, um manche zu entwurzeln. Deswegen
kam es zu starken Einschränkungen im Bahnverkehr, welcher bis zum nächsten
Morgen anhielt. In Berlin und Brandenburg war es vergleichsweise ruhig, wobei
in Potsdam vereinzelt 65 km/h in Böen gemeldet wurden. Zusätzlich regnete es
anhaltend, insbesondere in trockenen Regionen wie Mecklenburg-Vorpommern. An
der Müritz fielen beispielsweise 17,8 l/m². In der Nordhälfte Berlins
registrierte die automatische Wetterstation in Ahrensfelde 12,3 l/m².
In den darauffolgenden Tagen zogen die zwei Kerne von Tief IGNAZ
weiter nach Osten Richtung Russland. Am 18.09. gab es in Kroatien und den
umliegenden Ländern den dringend benötigten Niederschlag nach einem trockenen
Sommer. In der bosnischen Stadt Livno fielen 13 l/m²
in und auf dem Pass Ivan Sedlo 8 l/m². Am 21.09.2019
wurde die Zyklone IGNAZ letztmalig auf der Berliner Wetterkarte erwähnt, wobei
der Kerndruck in dem sich auflösenden vollokkludierten Tief ohne eine Front auf
fast 1000 hPa anstieg.