Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet ILDEFONS

(getauft am 11.08.2017)

 

Zwischen den kühlen polaren Luftmassen und milder Luft der Subtropen verläuft eine Zone mit recht starkem Nord-Süd Temperaturgradienten, welche als Polarfront bezeichnet wird. An dieser Front bilden sich als Folge von Störungen zunächst Wellen und daraus anschließend Tiefdruckgebiete aus. Da an den Fronten dieser Tiefs wiederum neue Störungen auftreten, entstehen unter den entsprechenden Bedingungen oft mehrere Tiefdruckkerne hintereinander. Solche Ketten werden Tiefdruckfamilien genannt. Als Teil einer solchen Familie bildete sich im Verlauf des 10. August 2017 ein neues Tief über dem Nordostatlantik. Am Morgen des Folgetages wurde es in der Bodenwetterkarte der Berliner Wetterkarte zwischen Schottland und Island analysiert und aus diesem Grund mit dem Namen ILDEFONS belegt.

Um 02 Uhr MESZ am 11. August besaß das Tiefdruckgebiet ILDEFONS einen minimalen Druck im Kern von ungefähr 995 hPa. Das Kerngebiet über den Färöer-Inseln war dabei in West-Ost-Richtung über ungefähr 800 km gestreckt. Von dort zog sich eine Warmfront in einem leichten Bogen nach Osten bis über Zentralnorwegen, während in Richtung Südwesten eine Okklusion, also eine Front mit Warm- und Kaltfrontcharakter, etwa 1000 km über dem Nordostatlantik analysiert wurde. Eine zweite Okklusion verlief in einem scharfen Bogen nach Osten und anschließend kurz nach Südwesten bis zum sogenannten Okklusionspunkt 600 km nördlich von Irland, wo sie sich in eine weitere Warmfront nach Süden über Irland und eine Kaltfront nach Südwesten bis zu den angrenzenden Fronten des nachfolgenden Kerns der Tiefdruckfamilie über dem Nordatlantik auftrennte. Im Tagesverlauf wurde Tief ILDEFONS vor Norwegen nach Norden über das Europäische Nordmeer abgelenkt. Dabei sorgte zunächst die kurze Warmfront östlich des Kerns, besonders unterstützt durch orographische Hebung der Luft an den norwegischen Gebirgen, für anhaltenden, meist leichten bis mäßigen Regen. Beispielhaft wurden zwischen 6 und 7 Uhr MESZ in Vega-Vallsjo 2 l/m² registriert. Etwas später zwischen 11 und 12 Uhr MESZ verzeichnete das nahegelegene Tjotta stündlich sogar 6 l/m² Regen, was den Schwellwert für starken Regen überschreitet. Weiterhin kam das Frontensystem durch die kräftige Strömung südlich des Tiefs ILDEFONS weiter nach Osten voran und überquerte Südnorwegen und Großbritannien. Innerhalb von 12 Stunden bis 20 Uhr MESZ wurden dabei im schottischen Aberdeen 3 l/m², im englischen Dundrennan 8 l/m² und im walisischen Capel Curig 13 l/m² gemessen. In Südnorwegen wurde die größte Niederschlagsmenge mit 10 l/m² an der Station Furuneset registriert. Bis zum folgenden Morgen zog die Warmfront noch weiter bis über die Nordsee und den Ärmelkanal, wobei zum Beispiel in Brest leichten Regen mit 0,4 l/m² Niederschlagsmenge in 6 Stunden bis 02 Uhr MESZ brachte.

Zum Nachttermin des 12. August wurde der Kern des Tiefs ILDEFONS etwa 300 km westlich von Nordnorwegen analysiert. Der Kerndruck hatte sich im Vergleich zum Vortag auf 985 hPa verstärkt. In Richtung Osten bis über die norwegische Küste verlief weiterhin die vordere Warmfront. Dahinter war die Okklusion des Frontensystems weiter fortgeschritten und zog sich vom Kern in einem Bogen nach Osten und dann nach Süden zwischen Norwegen und Schweden bis zum Okklusionspunkt über der Nordsee. Dort trennte sie sich in eine Warmfront über dem Ärmelkanal und Westfrankreich und eine Kaltfront über England und weiter über den Nordostatlantik bis zu einer nachfolgenden Warmfront auf. Weiterhin wurde eine zweite Kaltfront vom Kern bis über Schottland und Irland in der Bodenwetterkarte eingezeichnet. Der Wirbel ILDEFONS lag mittlerweile nicht mehr innerhalb der Höhenströmung, sodass es sich im Verlauf des Tages über dem Europäischen Nordmeer eindrehte. Die Fronten dagegen wurden weiter über Europa geführt. Die Okklusion erreichte bis zum Abend die Ostsee. Zwischen 08 und 20 Uhr MESZ fielen in Tromso 2 l/m², im zentralfinnischen Vilhelmina 12 l/m² und in Stockholm 0,2 l/m². In der Nähe des Okklusionspunktes entwickelte sich ein neuer Tiefdruckkern, welcher mit seinen Fronten Dänemark, Norddeutschland und Nordfrankreich beeinflusste. Dort registrierten die Stationen in Rouen, Düsseldorf und Bremerhaven im selben Zeitraum 6,0, 2,3 und 7,7 l/m² Regen. Die größten Niederschlagmengen fielen jedoch in der Region des ehemaligen Okklusionspunktes mit 12 l/m² auf St. Peter Ording und 15 l/m² in Karup. Tief ILDEFONS brachte mit seinen Fronten keinen starken Wechsel in den Temperaturen. In London wurde am Vortag eine Höchsttemperatur von 22,2°C gemessen. Am 12. August, nach Durchgang der Fronten, stieg die Temperatur auf 22,1°C.

Bis zum Nachttermin des 13. August hatte sich der neue Kern innerhalb des Frontensystems weiter verstärkt und wurde daher als Tief ILDEFONS II über Südnorwegen mit etwa 1005 hPa Kerndruck analysiert. Das Haupttief ILDEFONS I lag derweil weiterhin ungefähr 500 km östlich der Insel Jan Mayen über dem Europäischen Nordmeer. Der Druck war weiter auf unter 980 hPa gefallen. Der aus diesem intensiven Druckgradienten resultierende Wind sorgte im Tagesverlauf verbreitet für starke Windböen. Da der Wirbel ILDEFONS jedoch recht zentral über dem Nordmeer lag, waren nur die Insel Jan Mayen und die Nordwestküste Norwegens am Rande betroffen, wo mit Böen über 80 km/h aber immerhin noch Beaufort 9, also Sturmstärke, erreicht wurde. Auch die Fronten wurden von der Strömung weitergeführt und lagen in der 02 Uhr MESZ-Bodenwetterkarte zunächst als Okklusion vom Kern ILDEFONS I nach Osten bis zu einem neuen Okklusionspunkt zwischen Spitzbergen und Norwegen vor. Von dort zog sich eine Warmfront über die Barentssee nach Südosten und eine Kaltfront nach Süden über Finnland und den Bottnischen Meerbusen. Dort verwellte sie teilweise als Warmfront, da sich kleinräumige Tiefs entlang der Front bildeten, einschließlich des Wirbels ILDEFONS II über dem Osloer Raum. Von dort verlief das Frontensystem weiter als Kaltfront nach Süden über die Ostsee und dann in einem Bogen über Deutschland und Frankreich bis über die Biskaya, wo sie in die Warmfront eines nachfolgenden Tiefs überging. Über Zentraleuropa lösten sich die Fronten langsam auf und es setzte sich ein großes Hochdruckgebiet durch. Am Vormittag zwischen 08 und 14 Uhr MESZ verzeichnete Zeitz in Sachsen-Anhalt jedoch noch einmal 11,5 l/m² Niederschlag durch ein schauerartig verstärktes Regengebiet. In Worms wurden im selben Zeitraum 1,1 l/m² und in Landshut 1,5 l/m² registriert. Im skandinavischen Raum sorgten die eingelagerten Wellentiefs für eine lokale Verstärkung des Niederschlags entlang der Fronten. In der Nähe von Stockholm wurden 7 l/m² Niederschlag in 12 Stunden gemessen. Die finnische Station Kajaani verzeichnete 11 l/m² im selben Zeitraum und in Murmansk waren es 8 l/m². Auch näher in Richtung des Tiefdruckkerns der Zyklone ILDEFONS I kam es durch Aufgleiten der Luft an der norwegischen Westküste zu Regenmengen von 12-stündig beispielsweise 11 l/m² in Tjotta.

Am Folgetag hatte sich das Tief ILDEFONS II bereits aufgelöst und auch der Wirbel ILDEFONS I, welcher noch stationär zwischen Jan Mayen und Norwegen lag, begann sich allmählich abzuschwächen. Als Frontensystem wurde vom Kern aus eine Okklusion nach Nordwesten in einem Bogen über Spitzbergen nach Südosten und dann als doppelte Warmfront über der Barentssee und Karasee analysiert. Von einem eingelagerten Tiefdruckkern über der Barentssee gingen außerdem nach Süden zwei Kaltfronten ab. Die vordere verlief über ganz Westrussland bis über die Ukraine und Rumänien und die hintere entlang der finnisch-russischen Grenze bis über das Baltikum. Am wetterwirksamsten war an diesem Tag noch die vordere Kaltfront, welche in der gealterten, schwülen Luftmasse letzte Gewitter auslöste. Einzelne Stationen, wie das russische Orel oder das rumänische Sfantu Gheorghe Delta, meldeten 12-stündig bis 20 Uhr MESZ 18 bzw. 16 l/m². Weitere Niederschläge fielen erneut entlang der Küstengebiete in größerer Nähe zum Tief ILDEFONS. So meldeten Tromso 14 l/m² und Teriberka 4 l/m² Regen im oben genannten Zeitraum.

Bis zum Folgetag schwächte sich das Tief ILDEFONS und dessen Frontensystem weiter ab und verlagerte sich schließlich ostwärts bis außerhalb des Darstellungsbereichs der Berliner Wetterkarte.

 


Geschrieben am 23.10.2017 von Jannick Fischer

Berliner Wetterkarte: 13.08.2017

Pate: Karl Ildefons Menges