Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet ILKA
(getauft am 05.11.2016)


Anfang November entwickelte sich über dem Nordostatlantik ein hochreichendes Tiefdruckgebiet namens HUSCH, welches unter Verstärkung in Richtung Britischer Inseln zog. Dieser Wirbel führte auf seiner Rückseite einen kräftigen Schwall polarer Kaltluft nach Westeuropa. Dieser Kaltluftvorstoß, markiert von einer Kaltfront im Bodenniveau, erfasste im Laufe des 04. und 05. November von Nordwesten her Frankreich, Spanien und schließlich auch den Alpenraum. Dabei kam es im frontalen Bereich und begünstigt durch orographische und dynamische Effekte der Alpen, am 05. November zur Entstehung eines neuen Tiefs über Norditalien, welches an den folgenden Tagen in Mitteleuropa das Wetter beeinflussen sollte. Daher wurde dieses Tief noch am selben Tag auf den Namen ILKA getauft.

Erstmals analysiert werden konnte das Tief ILKA am frühen Morgen des 06. November als sogenanntes Wellentief im Bereich des Golfs von Genua. Der Wirbel war eingebettet in die langgezogene Kaltfront von Tief HUSCH, welche zu diesem Zeitpunkt vom östlichen Mitteleuropa über den Alpenraum bis zum westlichen Mittelmeer und darüber hinaus sogar noch bis zum Seegebiet der Azoren reichte. Im Vorfeld der Front war es bereits am 05. November zu teilweise kräftigen Schauern und Gewittern zwischen Alpen, Norditalien und Westbalkan gekommen, weil das Tief HUSCH auf der Vorderseite zunächst Warmluft aus dem Mittelmeerraum anzapfte und nordostwärts transportierte. Mit der herannahenden Kaltluft und zusätzlichen Impulsen durch die Zyklogenese setzten sich die Niederschläge in den folgenden Stunden fort. In der Nacht zum 06. November lag ein Zentrum des Regengebietes zwischen Toskana und Korsika, wurden doch innerhalb eines 12-stündigen Messintervalls zwischen 18 und 06 Uhr UTC in Florenz 28 l/m², an der Nordküste Korsikas in L'Île Rousse 38 l/m² und 66 l/m² im toskanischen Arezzo gemessen. Ein anderer Schwerpunkt befand sich über Slowenien, mit 53 l/m² in Ljubljana, oder 77 l/m² in Nova Gorica an der slowenisch-italienischen Grenze. Die Zeitangabe UTC entspricht mitteleuropäischer Zeit minus einer Stunde. Während sich das Tiefdruckgebiet ILKA im Laufe des Tages über Italien zu einer abgeschlossenen Zyklone weiterentwickeln konnte, drang die Kaltfront unter weiterer Wellenbildung langsam weiter ostwärts, bzw. südostwärts voran. Dies führte über der Apenninenhalbinsel zeit- und gebietsweise zu weiteren schauerartigen Niederschlägen, in Florenz fielen weitere 18 l/m², im sardischen Alghero 19 l/m². Dagegen breiteten sich flächige Niederschläge im Übergangsbereich zwischen einströmender Meereskaltluft und vorhandener, warmer Mittelmeerluft von den Alpen über das südöstliche Mitteleuropa bis zu den Karpaten aus. Vor allem über Österreich kam es dabei zu ergiebigen Niederschlägen, wobei zwischen 06 und 18 Uhr UTC nicht selten an oder über 30 l/m² registriert wurden; 28 l/m² waren es beispielsweise in Salzburg, 33 l/m² in Graz oder 43 l/m² in Semmering. In Deutschland wurde der äußerste Süden ebenfalls von den Niederschlagsfeldern erfasst. So wurde in München 13 l/m² und in höher gelegenen Alpengebieten auch bis zu 25 l/m² registriert. In der sich anschließenden Nacht dehnte sich das mittlerweile umfangreiche Regengebiet etwas weiter nach Ost- und Südosteuropa aus und erfasste auch die Westukraine, das westliche Rumänien, sowie Kroatien, Bosnien und Serbien. Bis zum darauf folgenden Morgen fielen vielerorts mehr als 10 l/m², regional auch deutlich mehr. Im slowenischen Maribor, wie auch im bosnischen Mostar wurden jeweils 30 l/m² gemessen. In Österreich wurden in Graz weitere 27 l/m² Regen registriert und im italienischen Triest regnete es gar 57 l/m² innerhalb von 12 Stunden. Ursache für die Ausbreitung der Niederschläge bei anhaltender Intensität war nicht zuletzt die Entstehung eines weiteren Wellentiefs entlang der Kaltfront über dem südöstlichen Mitteleuropa.

Dieses neue Tief, welches den Namen ILKA II erhielt, konnte am frühen Morgen des 07. November mit Zentrum über der Ostslowakei bzw. Westukraine analysiert werden. Das Tief ILKA I dagegen war mit Zentrum über der Poebene zu finden. Der tiefste Luftdruck lag bei beiden Kernen knapp unter 1000 hPa. Zusammen mit dem Tief HUSCH, dessen Kern mittlerweile über den Benelux-Staaten lag, bildeten die Tiefs ILKA I und II einen umfangreichen Tiefdruckkomplex der weite Teile Europas überdeckte. Alle drei Druckzentren waren durch Frontenzüge, die teilweise Warmfront-, teils Kaltfrontcharakter aufwiesen, miteinander verbunden, wobei die Front über Osteuropa mehrheitlich Kaltfrontcharakter besaß. In den folgenden Stunden übernahm Tief ILKA II die Rolle des steuernden Tiefs in diesem Dreiergespann. Dabei zog der Wirbel rasch nordostwärts in Richtung Westrussland, sodass auch die Kaltfront weiter Richtung Osteuropa vordrang. Allerdings ließen die Niederschlagsaktivitäten im frontalen Bereich nach, selten wurden mehr als 1 bis 2 l/m² in 12 Stunden registriert. Stattdessen konzentrierten sich die Niederschlagsaktivitäten vornehmlich auf den Bereich rund um das Zyklonenzentrum, was sich anhand der verbreitet zweistelligen Niederschlagsmengen über Weiß- und Westrussland verfolgen lässt. Zwischen 06 und 18 UTC fielen in Minsk 9 l/m², in Moskau 11 l/m² und in Spas-Demensk, nahe der weißrussisch-russischen Grenze 15 l/m². Da zu diesem Zeitpunkt zwischen Skandinavien und Nordwestrussland schon arktische Kaltluft und Temperaturen unter dem Gefrierpunkt beobachtet werden konnten, wie beispielsweise in St. Petersburg mit einer Tageshöchsttemperatur von -5,5°C, gingen die Niederschläge zunehmend in Schnee über. Dabei kam es vor allem nördlich des Moskauer und östlich des Petersburger Raums zu teilweise starken Schneefällen. In der Folge erhöhte sich die Schneedecke beispielsweise in Rybinsk, rund 280 km nördlich von Moskau, innerhalb von 24 Stunden um 13 cm. Dagegen verblieb der Kern des Tiefs ILKA I nahezu stationär über Norditalien und löste sich bis zum Tagesende auf. Dass es über dem westlichen Mittelmeerraum bis zur Apeninnen-Halbinsel abermals zu einer Verstärkung der Niederschlagsaktivitäten kam, lag an einer weiteren Tiefneuentwicklung zwischen Tunesien und Italien, worauf aber das Tief ILKA keinen Einfluss mehr hatte.

In den Frühstunden des 08. November wurde das Tief ILKA mit einem Druck von wenig unter 1000 hPa im Raum Moskau analysiert. Zum ersten Mal wies das Tief die klassischen Strukturen einer Zyklone auf. So erstreckte sich die Kaltfront in einem langgezogenen Bogen vom Zentrum aus südwestwärts bis zum Schwarzen Meer, die Warmfront dagegen in östliche Richtungen bis zum Uralgebirge. Außerdem spannte sich noch eine Okklusion in westliche Richtungen, sie stellte die Verbindung zu einem weiteren Tiefdruckkern über dem Baltikum her. Eine Okklusion ist eine Mischfront, bei welcher die Kaltfront die langsamer ziehende Warmfront eingeholt und vom Boden angehoben hat. In den folgenden Stunden verlagerte sich die Zyklone ILKA recht zügig auf einer zonalen Zugbahn bis zum Tagesende zum Südural. Dabei hielten die Niederschläge vor allem im Umfeld des Kernbereichs weiter an, wobei diese nördlich des Zentrum auf der Seite mit der Kaltluft als Schnee, südlich davon auf der warmen Seite als Regen fielen. In einem 12-stündigen Messintervall zwischen 03 und 15 Uhr UTC wurden in Perm und Kazan jeweils 6 l/m² und in Ischewsk 17 l/m² Niederschlag vermeldet. Je nach Niederschlagsart schrumpfte oder erhöhte sich dabei die hier vorhandene Schneedecke um mehrere Zentimeter. In Kazan z.B. verringerte sie sich bis zum Folgetag von 16 cm auf 5 cm. In den Abend- und Nachtstunden ließen die Niederschläge aber auch über Zentralrussland nach, bzw. verlagerten sich östlich des Urals. Jekaterinburg meldete zwischen 15 UTC und 03 UTC des Folgetages zum Beispiel 10 l/m², wodurch die Schneedecke dort von 13 auf 24 cm anwuchs.

Währenddessen konnte das Tief ILKA in den Frühstunden des 09. November letztmalig analysiert werden. Das Zentrum mit einem Luftdruck von nur noch knapp unter 1015 hPa befand sich in etwa über der westsibirischen Stadt Tjumen. Doch schon in den folgenden Stunden entfernte sich das Tief ILKA rasch weiter ostwärts in Richtung Sibirien und verließ damit den Darstellungsbereich der Berliner Wetterkarte.



Geschrieben am 21.12.2016 von Gregor Pittke
Berliner Wetterkarte: 08.11.2016

Pate: Ilka Krauß