Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet IMMANUEL

(getauft am 03.10.2011)

 

Am 02. Oktober 2011 bildete sich etwa 1000 Kilometer südwestlich von Island ein Teiltief einer zwischen Island und der Südspitze Grönlands gelegenen Zyklone. Es entstand an deren Okklusionspunkt, also an der Stelle, wo ihre Warm- und Kaltfront zusammenliefen. Am 03. Oktober wurde dieses Teiltief auf den Namen IMMANUEL getauft.

In seinem Kern herrschte ein Luftdruck von knapp unter 990 hPa. Von dort verlief eine Warmfront nach Nordosten bis vor die zu Schottland gehörenden Äußeren Hebriden, wo sie in eine Kaltfront des nördlich gelegenen Islandtiefs überging. An der Wetterstation Stornoway auf den Äußeren Hebriden gab es im Einflussbereich der Warmfront zeitweise Regen und kräftigen Wind. Im Mittel wurden Windgeschwindigkeiten über 50 km/h erreicht, das entspricht der Stärke 7 auf der Beaufort-Skala. In Böen wurden sogar 96 km/h gemessen, was einem schweren Sturm oder Beaufort 10 entspricht. Weiterhin ging vom Kern des Teiltiefs IMMANUEL eine Kaltfront aus, die nach Südwesten bis Westen über weite Teile des Nordatlantiks hinweg reichte und die einige Hundert Kilometer östlich von Neufundland Anschluss an die Warmfront eines Tiefdrucksystems über Ostkanada hatte.

Bis zum Folgetag vereinigten sich das angesprochene Islandtief und das südlich gelegene Teiltief zu einem gemeinsamen Wirbel IMMANUEL, der nun zwischen Island und Norwegen auf Höhe des Polarkreises lag und einen Kerndruck von etwas unter 970 hPa besaß. Abgelöst vom Tiefdruckzentrum verlief eine Okklusionsfront, also eine Mischfront mit Warm- und Kaltfronteigenschaften, von Island aus in einem nordöstlichen Bogen bis zum Okklusionspunkt nördlich von Oslo, von wo eine Warmfront und eine Kaltfront ausgingen. Entlang der Okklusionsfront regnete es beispielsweise an den Stationen auf der Insel Jan Mayen nordöstlich von Island und in den norwegischen Städten Trondheim und Bergen, wobei vor allem an der letztgenannten Wetterstation größere Niederschlagsmengen registriert wurden. Innerhalb von 24 Stunden kamen dort bis zum Morgen des 05. Oktobers 15 Liter Regen pro Quadratmeter zusammen. Die Warmfront des Tiefs IMMANUEL reichte über Mittelschweden bis zur Ostsee, wo sie in die Kaltfront eines über dem Finnischen Meerbusen gelegenen Tiefs überging. Die Kaltfront des Tiefdruckgebietes IMMANUEL zog sich entlang der norddänischen Küste über die Nordsee bis nach England und hatte südlich von Irland Anschluss zu einer nach Westen, hinaus auf den Nordatlantik verlaufenden Warmfront. Die Kaltfront brachte zwischen Südnorwegen und England meist Niederschlagswerte bis 1 l/m² innerhalb von 24 Stunden bis zum Morgen des 05. Oktober. An der Nordspitze Dänemarks wurden mit 4 l/m² im gleichen Zeitraum die höchste Regenmenge im Bereich der Warmfront gemessen. Auf der Rückseite der Kaltfront, also westlich von ihr, kam es in der labilen Luft örtlich zur Bildung von Schauern, wie beispielsweise in Schottland, wo in Stornoway weitere 6 l/m² Regen gemeldet wurden.

Am 05. Oktober hatte sich die Position des Kerns des Tiefdruckgebietes IMMANUEL nur wenig weiter nach Osten verlagert. Dort herrschte ein Luftdruck von knapp unter 970 hPa. Vom Kern ging eine Okklusionsfront nach Osten aus, die über Lappland verwellt war, also mehrmals ihre Verlaufsrichtung wechselte, und bis zum südlichen Weißen Meer reichte. Dort befand sich der Okklusionspunkt, von dem aus eine Warmfront nach Südosten bis vor den Ural verlief, und sich an eine, zu einem westsibirischen Tiefdruckgebiet gehörende, Kaltfront anschloss. Außerdem konnte vom Okklusionspunkt ausgehend eine weitere Okklusionsfront einige Hundert Kilometer nach Süden verfolgt werden, von der ihrerseits eine Warmfront über Westrussland bis in die Ukraine sowie eine Kaltfront bis nach Norddeutschland reichten. Die zuletzt genannte Kaltfront brachte dem nördlichen Mitteleuropa teils dichtere Wolken, die weiter nordöstlich gelegenen Fronten sorgten vor allem im nördlichen Teil des europäischen Russlands gebietsweise für Schauer. Im Warmluftsektor zwischen Warm- und Kaltfront, südlich des Okklusionspunktes, konnte sich die Luft zum Beispiel in Moskau auf bis zu 16°C erwärmen. Dies markiert einen deutlichen Temperatursprung im Vergleich zu 11°C am Vortag.

Am 06. Oktober gab es über Nordosteuropa eine komplexe Verteilung der Druckgebilde, unter anderem mit dem kleinräumigen Kern des Tiefdruckgebietes IMMANUEL westlich der norwegischen Inselgruppe der Lofoten, sowie dem ehemaligen Hurrikan OPHELIA vor der mittelnorwegischen Küste. An diesem Tag war das Tiefdruckgebiet IMMANUEL zum letzten Mal als eigenständiges Druckgebilde auf der Berliner Wetterkarte zu analysieren. Nachfolgend war Tief ex OPHELIA das steuernde Tiefdruckzentrum über Nordosteuropa und zog in den nächsten Tagen nach Nordosten ab.

 


Geschrieben am 11.11.2011 von Heiko Wiese

Berliner Wetterkarte: 04.10.2011

Pate: Manuel Druzgala