Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet IMMANUEL
(getauft am 24.08.2015)
Am 24. August 2015 wurde ein Tiefdruckgebiet über
dem zentralen Nordatlantik auf den Namen IMMANUEL getauft. Es hatte sich,
unterstützt durch die Entwicklung und Verstärkung eines Tiefs in höheren
Luftschichten, als Wellentief gebildet und lag zum Zeitpunkt der Taufe etwa 800
km südöstlich von Grönland. Der Kerndruck betrug knapp 1005 hPa. Eine vom
Zentrum des Wirbels IMMANUEL ausgehende Mischfront mit Warm- und
Kaltfronteigenschaften, auch als Okklusionsfront bezeichnet, verlief in
südöstlicher Richtung bis zum Okklusionspunkt, etwa 800 km nördlich der
Inselgruppe der Azoren und ebenfalls rund 800 km westlich von Irland. Am
Okklusionspunkt holt die schnellere, nachziehende Kaltfront die Warmfront ein.
Die Warmfront erstreckte sich in südöstlicher Richtung bis ungefähr 300 km
nordnordöstlich der Inselgruppe Madeira, um in die Kaltfront des über der
nördlichen Biskaya liegenden Tiefs HANS überzugehen. Die vom Okklusionspunkt
der Zyklone IMMANUEL ausgehende Kaltfront hatte nur eine Länge von rund 200 km,
bevor die Warmfront eines weiter westlich liegenden, unbenannten Wellentiefs
folgte.
Bis zum Morgen des Folgetages hatte sich das
Tiefdruckgebiet IMMANUEL auf einen Kerndruck von unter 995 hPa verstärkt und
war, einer kräftigen westlichen Höhenströmung folgend, bis etwa 500 km westlich
von Irland gezogen. Vom Zentrum des Wirbels IMMANUEL erstreckte sich eine
Okklusionsfront bis ungefähr zur Hälfte der Strecke bis zur Südspitze Irlands.
Am Okklusionspunkt trafen sich eine über die westliche Biskaya bis zur
Nordwestspitze der Iberischen Halbinsel reichende Warmfront und eine Kaltfront,
die über weite Teile des Nordatlantiks verlief und etwa 700 km südöstlich der
kanadischen Insel Neufundland in die Warmfront eines südöstlich der ebenfalls
zu Kanada gehörenden Halbinsel Neuschottland überging.
Die 24-stündigen Niederschlagsmengen bis zum Morgen
des 26. August zeigen die Hauptaktivität der beschriebenen Fronten. So kamen in
24 Stunden bis 07 Uhr MEZ im westfranzösischen Brest und auf Valentia
Island im Südwesten Irlands jeweils 12 l/m² zusammen. Im südenglischen Plymouth
fielen mit 25 l/m² sogar mehr als das Doppelte, allerdings war nicht der
ganze Niederschlag eindeutig auf die Fronten des Tiefs IMMANUEL zurückzuführen.
Denn mittlerweile hatte sich an der Kaltfront des Wirbels IMMANUEL ein
Wellentief gebildet, das zumindest zum Teil für die hohe Niederschlagsmenge an
der englischen Südküste verantwortlich war. Neben dem teils recht ergiebigen
Regen kam es besonders im Bereich des westlichen Ärmelkanals in Folge des
starken Luftdruckgradienten zu gelegentlichen Böen der Sturmstärke 9,
vereinzelt sogar zu schweren Sturmböen der Stärke 10 auf der Baufortskala. Der
Kern des Tiefs IMMANUEL lag mit knapp 990 hPa ungefähr 300 km nordwestlich von
Irland. In südwestlicher Richtung war eine etwa 500 km lange, überwiegend in
höheren Luftschichten aktive Okklusionsfront zu erkennen, während sich östlich
an das Zentrum der Zyklone IMMANUEL eine Okklusion anschloss, die auch im
Bodenniveau analysiert wurde. Sie zog sich entlang der Nordspitze Irlands und
über dem Norden von Großbritannien sowie die Nordsee bis ungefähr vor die
Ostfriesischen Inseln. Vom dortigen Okklusionspunkt ging zum einen eine bis
etwa ins Bergische Land reichende Warmfront aus. Zum anderen folgte etwas
weiter westlich die Kaltfront, die im niederländisch-belgischen Grenzgebiet in
die Warmfront des Wellentiefs überging, das sich am westlichen Ausgang des
Ärmelkanals gebildet hatte.
Bis zum Morgen des 27. August kamen auf Norderney
15 l/m² zusammen, was auf die Nähe zum beschriebenen Okklusionspunkt zurückzuführen
ist, denn dort gibt es oft die stärksten und länger anhaltenden Niederschläge.
Ein weiterer Faktor für die Intensität der Niederschläge war in diesem Gebiet
der große Unterschied von 18 bis 20°C warmen Nordseewasser und kalter Luft in
der Höhe. So wurde im 500-hPa-Luftdruckniveau, entsprechend etwa 5,5 km Höhe,
eine Temperatur von ungefähr -15°C gemessen. Dies führte auch dazu, dass am
Morgen des 27. August Gewitter über den Nordwesten Deutschlands zogen. Zuvor
gab es in der Nacht zum 27. August aufgrund des starken Luftdruckgradienten von
Ostfriesland bis nach Sylt stellenweise Sturmböen der Stärke 9 sowie einzelne
schwere Sturmböen der Stärke 10 auf der Beaufortskala. Auf den Britischen
Inseln wurden teils noch deutlich höhere Niederschlagssummen gemessen, wie
beispielsweise in London mit 48 l/m², diese sind aber ebensowenig
eindeutig nur dem Tiefdruckgebiet IMMANUEL und seinen Fronten zuzuordnen, wie
es bei der Regensumme von 33 l/m² aus Thyboron in
Dänemark der Fall ist. Einerseits war das Wellentief besonders für das Wetter
auf den Britischen Inseln mitbestimmend, andererseits bildete sich im
Tagesverlauf des 27. August eine zum Tiefdruckgebiet HANS gehörende Kaltfront
aus. Diese war in Südskandinavien für den Regen mitverantwortlich. Diese
Kaltfront bildete sich zeitlich hinter dem Okklusionspunkt vor den
Ostfriesischen Inseln. Das Tiefdruckgebiet HANS hatte sich indes als steuerndes
Tief südlich von Island etabliert.
Zum 28. August bildete sich im Bereich des
großräumigen Tiefdruckgebietes, das sowohl im Bodendruckniveau, als auch als
Höhentief aktiv war, eine Dipolstruktur. Dabei wurde der westliche Kern südlich
von Island als Tiefdruckgebiet HANS bezeichnet, wohingegen das östliche
Zentrum, mit einem Kerndruck von unter 995 hPa vor der norwegischen Küste etwa
in der Breite des Polarkreises und leicht südlich davon gelegen, als
Tiefdruckgebiet IMMANUEL bezeichnet wurde. Vom Kern des Wirbels IMMANUEL erstreckte
sich eine vor allem in höheren Luftschichten aktive Okklusionsfront nach Norden
bis Nordwesten, um etwa auf halbem Wege zur Insel Jan Mayen in eine auch am
Boden analysierte Okklusionsfront überzugehen, die zum Tiefdruckgebiet HANS
gehörte. Vom Zentrum des Randtiefs IMMANUEL ging außerdem eine Kaltfront aus,
die über Mittelskandinavien und den Bottnischen Meerbusen sowie den Südwesten
Finnlands und an der Küste der Baltischen Staaten entlang verlief und etwa im
Raum Danzig in eine Höhenwarmfront überging. Die Luftmassengrenze verwellte
weiter südwestlich bis westlich und verlief weiter über den Atlantik. Im
lettischen Jelgava bei Riga wurde hinter der
Kaltfront nur noch eine Temperatur von 20°C erreicht, während am Vortag 28°C
gemessen wurden.
Bis zum Morgen des 29. August fielen an den Fronten
des Tiefs IMMANUEL vor allem in Skandinavien, dem Baltikum und in Finnland
größere Niederschlagsmengen. In der nordschwedischen Stadt Haparanda nahe der
Grenze zu Finnland kamen 45 l/m² zusammen, im estnischen Tallinn 21 l/m² und in
der finnischen Hauptstadt Helsinki wurden 8 l/m² registriert. Das
Tiefdruckgebiet IMMANUEL befand sich mit seinem Zentrum, in dem ein Kerndruck
von unter 995 hPa gemessen wurde, westlich der norwegischen Küste nördlich des
Polarkreises. Eine Okklusionsfront erstreckte sich westlich und nordwestlich
des Tiefdruckkerns des Wirbels IMMANUEL und ging östlich von Jan Mayen in eine
Warmfront über, die bis knapp südlich der Inselgruppe Spitzbergen zu verfolgen
war. Östlich des Zentrums des Tiefdruckgebietes IMMANUEL reichte eine weitere
Okklusionsfront über das nördliche Skandinavien. Diese ging über dem nördlichen
Finnland in die Höhenokklusionsfront eines
unbenannten Tiefs mit Zentrum über Karelien, dem finnisch-russischen Grenzgebiet,
über.
In den nächsten Tagen zog das Tiefdruckgebiet
IMMANUEL mit seinem Frontensystem von der Norwegischen See zur Barentssee,
wobei vor allem vom 31. August bis zum 1. September Wetteraktivität an
landgebundenen Wetterstationen festgestellt wurde, was sich in Form einer
24-stündigen Niederschlagsmenge von 3 l/m² innerhalb von 24 Stunden bis zum
Morgen des 1. September im nordrussischen Murmansk zeigte.
Am 1. September war das Tiefdruckgebiet IMMANUEL
zum letzten Mal als eigenes Druckgebilde auf der Berliner Wetterkarte zu
erkennen. Der Wirbel IMMANUEL befand sich mit einem Kerndruck von etwas unter
1005 hPa ungefähr 500 km nördlich des Nordkaps und ungefähr 300 km östlich von
Spitzbergen. In den nächsten Tagen verlagerten sich die Tiefdruckgebiete weiter
nach Osten in Richtung der russischen Doppelinsel Nowaja Semlja und weiter zur
nordwestsibirischen Küste.
Geschrieben
am 13.11.2015 von Heiko Wiese
Berliner
Wetterkarte: 26.8.2015
Pate:
Silvia Anna Geier