Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet INGE

(getauft am 28.09.2018)

 

In der Nacht zum 28.09.2018 entwickelte sich nur wenige Kilometer von der Ostküste Grönlands entfernt ein Tiefdruckgebiet. Im weiteren Verlauf intensivierte sich das Tief mit fallendem Kerndruck stetig und strömte mit der Höhenströmung in etwa 5,5 km Höhe kontinuierlich in Richtung des europäischen Festlands. Aufgrund der Entwicklung, die dieses Tief einschlug, wurde eine Einflussnahme auf das europäische Wettergeschehen vorhergesagt. Somit taufte die Berliner Wetterkarte die Zyklone in der Prognose für den 29.09.2018 auf den Namen INGE.

Bis zum 29.09.2018 verlagerte sich das Tiefdruckgebiet INGE etwa 850 km in nordöstliche Richtung, bis das Zentrum mit einem Kerndruck von knapp 985 hPa zum Analysezeitpunkt um 01 Uhr MEZ über dem europäischen Nordmeer östlich der grönländischen Stadt Ittoqqortoormiit zu verorten war. Bereits am ersten Tag, an dem die Zyklone INGE namentlich in der Analyse der Berliner Wetterkarte erschien, besaß das Druckgebilde ein sehr fortgeschrittenes Frontensystem, welches sich vorwiegend aus einer langen Okklusionsfront zusammensetzte, die sich vom Kern aus über die Färöer-Inseln bis weit über den nordatlantischen Ozean erstreckte und etwa 1000 km südlich von Reykjavik endete. Am Okklusionspunkt schlossen sich je eine kurze Warm- und Kaltfront an, wobei die Kaltfront in ein weiteres, unabhängiges Frontensystem überging, welches etwa zentral über der kanadischen Prinz-Edward-Insel zu verorten war. Der Okklusionspunkt beschreibt in der Meteorologie den Ort, an dem Warm- und Kaltfront beginnen, sich zu einer Okklusionsfront zu vereinen, da die Kaltfront die Warmfront mit der Zeit einholt. Warm- und Kaltfront bezeichnen hier die Grenze zwischen zwei unterschiedlich temperierten Luftmassen, an denen durch Hebungsprozesse Kondensation und somit auch Niederschläge stattfinden können. Bei der Okklusionsfront handelt es sich hingegen um eine Mischfront, welche die Eigenschaften von Warm- und Kaltfront in sich vereint. Im weiteren Tagesverlauf zog das Tief INGE bei weiterem Druckfall stetig in östliche Richtung, wodurch sich das Frontensystem ebenfalls kontinuierlich dem europäischen Festland näherte, wobei sich das Zentrum der Wetteraktivität auf die weitläufigen Küstenregionen Norwegens beschränkte. So sorgten die Regenfelder an der Okklusionsfront in einem 12-stündigen Messintervall bis 19 Uhr MEZ für mäßige und zum Teil auch kräftige, schauerartige Niederschläge, die in den norwegischen Städten Tokla 63 mm, in Fossmark 44 mm und in Evanger 18 mm Regen brachten.  Weiter nördlich wurden im gleichen Messzeitraum mit durchschnittlich 15 bis 32 mm und maximal 52 mm in der Ortschaft Rost ähnlich hohe Regenmengen registriert.

Bis zum 30.09.2018 verlagerte sich die Zyklone INGE weiter in östliche Richtung, bis sie sich um 01 Uhr MEZ mit einem Kerndruck von weiterhin unter 985 hPa etwa 150 km westlich der Lofoten befand. Wie auch am Tag zuvor bestand das Frontensystem von Tief INGE vorwiegend aus der Okklusionsfront, die vom Kern aus in einer konvexen Bahn über den Bottnischen Meerbusen reichte und über der englischen Stadt Middlesbrough endete, um von dort aus in eine Kaltfront überzugehen, welche sich über Irland erstreckte und über dem Nordatlantik auflöste. Zusätzlich konnte eine Warmfront von der finnländischen Stadt Oulu bis etwa über die polnische Stadt Danzig analysiert werden. Was die Wetteraktivität an diesem Tag angeht, ergab sich ein ähnliches Bild zum Vortag, nur konnten neben den Regenfeldern über Norwegen auch einige über den Britischen Inseln sowie Teilen Norddeutschlands und Dänemarks ausgemacht werden, welche in ihrer Intensität jedoch deutlich schwächer waren. Im norwegischen Raum sorgte die Okklusionsfront und die damit verbundenen Wolkenfelder von Tief INGE in einem 24-stündigen Messintervall bis 01 Uhr MEZ des Folgetages für Niederschlag leichter Intensität, der jedoch besonders langanhaltend war und ein breites Spektrum an Regenmengen mit sich brachte. So wurden in Norwegen verbreitet Werte von 5 bis 30 mm registriert. Diese regionalen Unterschiede der Niederschlagsmengen erklären sich hierbei vor allem durch die recht unterschiedlichen Höhenlagen der Wetterstationen, denn in erhöhten und exponierten Lagen setzt auf der windzugewandten Seite eine zusätzliche Hebewirkung der Luftmassen ein, wodurch eine verstärkte Kondensation und somit größere Niederschlagsmengen bewirkt werden. Zudem befinden sich einige Stationen auf der windabgewandten Seite von Gebirgen, wodurch an diesen Positionen geringere Niederschläge registriert werden konnten, da der überwiegende Teil der Regenmengen auf der windzugewandten Seite bereits abregnete.

In der Nacht zum 01.10.2018 konnte im Einflussbereich der Zyklone INGE ein interessanter meteorologischer Prozess beobachtet werden. Im Bereich des Okklusionspunktes entstand durch verstärkte Hebung ein weiteres, lokales Tiefdruckminimum, wodurch in der Folge ein sogenanntes Teiltief entstand, welches in der Analysekarte um 01 Uhr MEZ mit dem Zusatz “II“ gekennzeichnet wurde und zentral über der russischen Stadt Kandalakscha zu verorten war. Der Kern des steuernden Tiefs wurde hingegen mit dem Zusatz “I“ kenntlich gemacht und befand sich zum selbigen Zeitpunkt zentral über den Lofoten. Dabei umfasste das Frontensystem der Zyklone INGE in erster Linie eine ausgeprägte Okklusionsfront, welche sich vom Tief INGE I über den Kern des Tiefs INGE II erstreckte und von dort aus in einem weiten Bogen bis über den mitteleuropäischen Raum verlief. Im weiteren Verlauf verlagerte sich jene Front sukzessive in südöstliche Richtung und wies dabei im Großteil des Einflussgebiets eine geringe Wetterwirksamkeit auf. So wurden in einem 24-stündigen Messintervall bis 01 Uhr MEZ zum Folgetag nur sehr vereinzelt Niederschlagsmengen von mehr als 7 mm registriert wie in Bremerhaven mit 10 mm, auf Sylt mit 11 mm und in einigen weiteren Städten Dänemarks sowie in Norwegen. Mit dem Frontendurchgang über Südschweden konnten auch geringe Regenmengen von beispielsweise 2 mm in Hagshult erfasst werden. Aber auch das Baltikum wurde von Niederschlägen getroffen, sodass Kuusiku in Estland 6 mm in 12 Stunden bis 18 Uhr UTC und das lettische Ventspils noch 3 mm Regen maß.

Bis zum 02.10.2018 schwächte sich der Tiefdruckkomplex INGE bei einer Druckzunahme von 5 bis 10 hPa kontinuierlich ab und verlagerte sich in südliche Richtung, wobei der Kern des Tiefs INGE I zum Analysezeitpunkt um 01 Uhr MEZ etwa 150 km südwestlich der Lofoten und der Kern INGE II nördlich von Helsinki zu lokalisieren war. An diesem Tag bestand das Frontensystem ausschließlich aus einer Okklusionsfront, die sich vom ersten über den zweiten Kern erstreckte und anschließend mit einem Tiefdruckgebiet verband, welches über der östlichen Barentssee lag. Der Übergang in eine vollokkludierte Zyklone markiert in der Regel das Ende des Lebenszyklus eines Tiefdruckkomplexes, da im Bereich der Okklusion die Temperaturgegensätze abgebaut werden und somit die Energiezufuhr für die zyklonale Rotation abbricht. Dieses Verhalten spiegelte sich im Wettergeschehen im Einzugsgebiet der Zyklone INGE wider. So konnten ausschließlich Wetterstationen im östlichen Finnland 24-stündige Niederschlagssummen von mehr als 10 mm erfassen, zum Beispiel in Kumo Kalliojoki, in Ilomantsi Potsonvaara sowie in Virolahti Koivuniemi.

Zum letzten Tag, an dem die Zyklone INGE namentlich in der Analyse der Berliner Wetterkarte erwähnt wurde, dem 03.10.2018, löste sich Tiefdruckgebiet INGE II im Zuge der weiteren Druckzunahme auf, sodass zum Analysezeitpunkt um 01 Uhr MEZ lediglich der Kern INGE I, nun wieder als Tief INGE bezeichnet, über der norwegischen Stadt Trondheim erfasst wurde. Die Okklusionsfront umfasste eine sehr kleinräumige Region vom Kern des Tiefs bis zum Bottnischen Meerbusen. An diesem Tag beschränkte sich das Zentrum der Wetteraktivität auf einen kleinen Raum südlich von Trondheim, wo die leichten bis mäßigen Niederschläge in einem 12-stündigen Messintervall bis 19 Uhr MEZ in Tafjord und Mannen 13 mm und in Tingvoll-Hanem 14 mm brachten. Im Tagesverlauf schwächte sich die Zyklone INGE bei weiterem Druckanstieg zunehmend ab, bis der Einfluss auf das europäische Wettergeschehen schließlich vollständig verschwand. Aus diesem Grund wurde das Tief INGE an diesem Tag zuletzt namentlich in der Berliner Wetterkarte erwähnt.