Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet INGMAR

(getauft am 15.11.2019)

 

Die Vergabe von Namen an Hoch- und Tiefdruckgebiete wird von den Meteorologen der Berliner Wetterkarte nur für Druckgebilde durchgeführt, die einen Einfluss auf die Großwetterlage in Europa haben. Am 15.11. befand sich das Tiefdruckgebiet HEINER über Korsika. Das Frontensystem von Zyklone HEINER erstreckte sich über den Mittelmeerraum bis nach Nordafrika. In den nächsten Tagen sollte sich Tiefdruckgebiet HEINER weiter nach Norden verlagern, sodass die Warmfront von Tief HEINER über dem Mittelmeer in eine Kaltfront überging. An dieser Stelle entwickelt sich oftmals eine schwache Wellenstörung, die sich in diesem Fall nach Einschätzung der Berliner Wetterkarte zu einem weiteren Mittelmeertief entwickeln sollte. Deshalb taufte die Berliner Wetterkarte diesen Wirbel auf der Prognosekarte vom 15.11. für den Folgetag auf den Namen INGMAR. Tief INGMAR wurde auf einer Analysekarte erstmals am 17.11. um 01 Uhr MEZ erwähnt.

Am 17.11. lag Tief INGMAR 200 km östlich von Sardinien mit einem Kerndruck von unter 1000 hPa. Die Warmfront war nach Nordosten ausgerichtet, überquerte Budapest und ging östlich von Warschau in die Kaltfront von Tief HEINER über. Die Kaltfront verlief nach Südosten und zog über Tripolis hinweg.  Warm- und Kaltfront bezeichnen hier die Grenze zwischen zwei unterschiedlich temperierten Luftmassen. Des Weiteren verursachte Tief INGMAR einige signifikante Wetterzustände in Südeuropa. Besonders in Italien gab es anhaltende Starkniederschläge wie in Bologna, Venedig oder Neapel.  In Bologna wurden beispielsweise zwischen 7 und 13 Uhr MEZ 53 mm registriert. Insgesamt fielen dort innerhalb des gesamten Tages 107 mm. Ähnlich war es auch in Neapel, wo 70 mm gemessen wurden. Die höchsten Niederschlagssummen des Tages wurden in den Dolomiten in der Nähe des weltberühmten Skiortes Cortina d'Ampezzo gemessen. An der Station Falorla auf 2235 Metern wurden außergewöhnliche 174,4 mm gemeldet. Die Schneefallgrenze lag zwischen 1200 und 1700 Metern, sodass ein Großteil des Niederschlags als Schnee fiel. Dies sicherte in Südtirol einen frühzeitigen Start in die Skisaison und verhinderte zeitgleich Überschwemmungen in den Alpen wie im Vorjahr, als das Tief VAIA für zahlreiche Hochwasser sorgte, da die Schneefallgrenze damals bis auf 2500 Meter anstieg. Für Venedig gab es keinen offiziellen Stationswert, allerdings wurden die Niederschlagsmengen nach Radarmessungen auf ca. 100 mm geschätzt. Die wiederholten Starkniederschläge mehrerer Mittelmeertiefs verursachten ein hundertjähriges Hochwasser in Venedig. Zudem wehte der Südostwind zum Teil mit Orkanböen und verstärkte somit die Sturmflut. Beispielsweise am Cap Corse am Nordkap Korsikas erreichte der Wind 120 km/h. An den Hochgebirgsstationen in den Alpen wurden ebenfalls zahlreiche Orkanböen an der Villacher Alpe, Piz Corvatsch und anderen Stationen gemeldet.

Am 18.11. lag die Zyklone INGMAR über Erfurt mit einem Kerndruck von unter 1005 hPa, welcher für ein Tiefdruckgebiet vergleichsweise hoch war. Der durchschnittliche Bodendruck befindet sich schließlich bei 1013,25 hPa. Darüber hinaus ereignete sich zu diesem Zeitpunkt parallel ein Prozess innerhalb des Tiefdruckgebiets INGMAR, der in der Meteorologie unter dem Begriff der Okklusion fällt. Dabei handelt es sich um einen Vorgang, bei dem eine Mischfront aufgrund des Zusammenschlusses von Warm- und Kaltfront entsteht und die Eigenschaften beider Typen in sich vereint. Die Okklusionsfront war nur schwach ausgeprägt und endete an der deutsch-französischen Grenze. An diesem Tag traten die signifikanten Wetterzustände besonders in Nordwestdeutschland und den Beneluxstaaten auf. Aufgrund der Rotationsrichtung eines Tiefdruckgebiets, gegen den Uhrzeigersinn, wurde feuchte Luft aus dem Nordseeraum Richtung Nordwesteuropa angeströmt. Sobald diese Luftmasse auf die Küsten und die Mittelgebirge trafen, kam es zu orographisch bedingten Hebungsprozessen, wodurch die starken Niederschläge erklärt werden können. An mehreren Stationen fielen über 30 mm, meist in Form von Regen, wie in Alfhausen mit 36 mm. In den deutschen Mittelgebirgen ging der Regen meist in Schneeregen oder Schnee über. Zudem wurde verbreitet Windstärke 6 Beaufort im Flachland erreicht. Auf einigen Erhebungen der Mittelgebirge wehte der Wind mit bis zu 89 km/h wie auf der Schmücke (937 Meter).

Am nächsten Tag war der Wirbel INGMAR mit einem Kerndruck von unter 1005 hPa über Dänemark verortet. An diesem Tag setzte in Nordostdeutschland advektiver Landregen ein, welcher auch in Berlin für ungemütliches Wetter sorgte. An der Station Berlin-Dahlem wurden 6,6 mm registriert. Zusätzlich schneite es in Norwegen und Schweden verbreitet, sodass an einigen Stationen im skandinavischen Gebirge bereits eine gesetzte Schneedecke von 50 cm wie in Kittelfjäll herrschte. Insgesamt wurden dort Niederschlagssummen vom bis zu 25 mm/m² in Korsvattnet gemessen. Gleichzeitig sank die Temperatur im Norden Norwegens auf zweistellige Minusgrade.

Auch am darauffolgenden Tag lag der Wirbel INGMAR mit einem weiterhin ansteigenden Kerndruck von nun 1015 hPa über Dänemark. Dies deutet auf eine Abschwächung der Zyklone INGMAR hin, weshalb sie auch am nächsten Tag nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte namentlich erwähnt wurde. Trotzdem gab es noch einige Niederschlagsereignisse in Norddeutschland und Dänemark. Besonders im Norden Dänemarks fielen nochmals erwähnenswerte Niederschlagssummen von 16 mm in Tylstrup und 12 mm in Aalborg.