Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet INGMAR

(getauft am 31.12.2017)

 

Das Wetter in Nordwesteuropa wurde Ende Dezember vom ausgedehnten Tiefdruckkomplex GERNOT bestimmt, welcher mit drei Kernen über dem Nordatlantik und Großbritannien lag. Am Rand dieser weiträumigen Zyklone bildeten sich mehrere Randtiefs aus, welche zwar bereits durch eine eigenständige Zirkulation gekennzeichnet sind, aber noch von mindestens einer Isobare der Hauptzyklone umschlossen werden. Eine Isobare bezeichnet dabei eine Linie gleichen Luftdruckes. Eines dieser Randtiefs lag vor Neufundland und sollte in den kommenden Tagen das Wetter in Mitteleuropa beeinflussen. In der Analysekarte des 31.12.2017 um 01 Uhr MEZ, was 00 Uhr UTC entspricht, wurde es deshalb auf den Namen INGMAR getauft. Zu diesem Zeitpunkt befand sich das Tief INGMAR mit einem Kerndruck von rund 1005 hPa östlich von Neufundland und hatte bereits eine Okklusion ausgebildet. Unter einer Okklusionssfront wird dabei die Mischform der Warm- und Kaltfront verstanden, bei welcher die schneller ziehende Kaltfront die vorlaufende Warmfront einholt und im Okklusionspunkt vom Boden anhebt. Diese Mischfront zog sich vom Kern ausgehend in einem Bogen nach Süden. Vom Okklusionspunk über dem westlichen Nordatlantik, auf dem Breitengrad Madrids und südlich der Südspitze Grönlands, verlief eine kurze nur rund 1000 km weitreichende Kaltfront westwärts ehe sie in die Warmfront eines unbenannten Tiefs überging. Die Warmfront reichte in einem Bogen zunächst nach Süden, dann nach Westen, bevor auch sie über dem Zentralen Atlantik in die Kaltfront des Tiefs HORST überging.

Mit der stark ausgeprägten Höhenströmung verlagerte sich die Zyklone INGMAR schnell ostwärts, nur 24 Stunden später hatte sie fast den Atlantik überquert und befand sich mit dem Kerngebiet westlich der Südspitze Irlands. Sich leicht verstärkend wies der Kern am 01.01.2018 einen Kerndruck von knapp unter 1000 hPa auf. Wie am Vortag bestand das Frontensystem des Wirbels INGMAR zum Großteil aus einer Okklusion, die sich über rund 1000 km in südsüdwestlicher Richtung erstreckte. Der Okklusionspunkt befand sich in etwa auf dem Schnittpunkt des Breitengrad Marseille´s und des Längengrades von Reykjavik. Von ihm aus spaltete sich die Okklusionsfront auf in eine Warmfront, die einen leichten Bogen in süd- später südwestlicher Richtung beschrieb und nach etwa 800 km über dem Zentralen Atlantik endete. Die Kaltfront hingegen ging, nachdem sie in westliche Richtung führte, in die Warmfront des nun auf den Namen ALJA getauften Tiefs über. Sich weiterhin, wegen der Höhenströmung in etwa 5,5 km, schnell verlagernd überquerte das Tief INGMAR weite Teile Westeuropas und mit ihm das ihm zugehörige Niederschlagsgebiet, welches vornehmlich Frankreich im Laufe des Neujahrstages betraf. Die Station in Charleville verzeichnete bei einem drastischen Rückgang der Temperaturen von maximalen 13,1°C am Vortag auf nun 7,7°C, innerhalb von nur 12 Stunden bis 19 Uhr MEZ 22,0 l/m² an flüssigen Niederschlägen. In Lanveoc Poulmic fielen in den gleichen Zeiträumen 15,0 l/m², in Bourges 21 l/m² und in Bourges 20,0 l/m².

Zudem hatte der Wirbel INGMAR einen zweiten Kern ausgebildet, der um 01 Uhr MEZ des 02.01.2018 über dem Golf von Genua verzeichnet wurde, während der erste Kern über Mitteldeutschland analysiert wurde. Die beiden Kerne wurden durch eine Okklusionsfront miteinander verbunden. Vom zweiten Kern ging eine Kaltfront ab, die einen engen Bogen um Korsika und über den Norden Sardiniens beschrieb und in diesem Bereich ebenfalls Okklusionscharakter aufwies, weiter in Richtung der Balearen führte und über der Spanischen Halbinsel abermals in die Warmfront des Tiefs ALJA überging. Während der südliche Kern, angetrieben durch die Höhenströmung, schnell in Richtung des östlichen Mittelmeeres verlagert wurde, verlagerte sich der nördliche Kern nur unwesentlich in nordöstlicher Richtung.  Zudem löste dieser sich im Laufe des Tages auf, aber brachte Deutschland dennoch zum Teil ergiebigen Regen. So registrierten die Stationen von Helgoland, Itzehoe und Lüdenscheid innerhalb von 24 Stunden bis 07 Uhr MEZ des folgenden Tages 18,9, 20,7 und 24 l/m² an Niederschlägen. Auf dem Brocken wurden zudem Windböen von bis zu 115 km/h gemessen, was Stärke 11 auf der Beaufort-Skala entspricht. Die Niederschläge, welche der südliche Kern mit sich führte, zeichneten sich dadurch aus, dass das Gros in viel kompakteren Zeiträumen fiel.

Die Station des Monte S. Angelo registrierte bis um 01 Uhr MEZ des Folgetages 15 l/m² in 24 Stunden, wobei 11 l/m² davon auf einen Zeitraum von nur 12 Stunden bis 19 Uhr MEZ entfielen. Die Stationen von Serralta Di S. Vito und Messina verzeichneten in den gleichen Zeiträumen 30,2 und 25 l/m² sowie 36,2 und 34 l/m² wobei in Messina 29 l/m² allein innerhalb von nur 6 Stunden bis um 13 Uhr MEZ gefallen waren.

Bis zum 03.01.2018 hatte die Zyklone INGMAR die Ägäis erreicht und der Druck im Kern hatte sich auf knapp unter 1010 hPa erhöht. Von ihm verlief in nördlicher Richtung, den Bosporus überquerend und hinaus aufs Schwarze Meer führend, eine Warmfront, die dort in die Kaltfront des Tiefs JOSEF überging. Die Kaltfront hingegen beschrieb einen Bogen in südlicher Richtung vorbei an Kreta in Richtung Ägyptens, wo sie über der Sahara westlich von Kairo den Analysebereich der Berliner Wetterkarte verließ. Während Griechenland von Tief INGMAR vergleichsweise ruhiges Wetter beschert wurde, am Flughafen Kalamta fielen bei leichten Gewittern innerhalb von 24 Stunden 17,7 l/m² an Niederschlägen, traf es den Süden der Türkei deutlich stärker. Während seiner weiteren Verlagerung nach Südosten konnte der Wirbel INGMAR über dem östlichen Mittelmeer nochmals größere Wassermengen aufnehmen, die sich in heftigen Niederschlägen im Verbund mit starken Gewittern entluden, die noch von Zypern aus sichtbar waren. So meldeten die Station von Dalaman innerhalb von 12 Stunden bis um 19 Uhr MEZ 29 l/m², wovon 23 l/m² auf die 2. Hälfte dieses Zeitraumes entfielen und innerhalb von 24 Stunden fielen sogar 45,6 l/m² bei immer wieder einsetzenden Gewittern. In Anamur stiegen diese Werte auf 57, 4 l/m² innerhalb von 24 Stunden an. Die absoluten Spitzenwerte wurden allerding erst bei Adana erreicht. Die Station in Sakirpasa meldete 67 l/m² innerhalb von 24 Stunden, wobei 52 l/m² auf die 2. Tageshälfte entfallen waren. Der Niederschlagsspitzenreiter war allerdings die Messstation des Luftwaffenstützpunktes der Bundeswehr in Incirlik, wo 106,5 l/m² innerhalb von 24 Stunden bis um 06 Uhr MEZ gefallen waren. Dies entspricht dem Fassungsvermögen einer handelsüblichen Badewanne.

Bis zum nächsten Tag löste sich das Tief INGMAR auf, wodurch der 03.01.2018 schließlich der letzte Tag war, an dem die Zyklone auf der Analysekarte der Berliner Wetterkarte verzeichnet werden konnte.

 

 

 

Geschrieben am 12.03. von Patrick Ilmer

Wetterkarte : 02.01.2018

Pate: Berliner Wetterkarte e.V.