Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet IRENE

(getauft am 28.11.2018)

 

Im Laufe der dritten Novemberdekade 2018 verlagerte sich ein umfangreicher, nach Süden gerichteter Kaltluftvorstoß in einer Höhe von ca. 5,5 km, welcher auch als Trog bezeichnet wird, langsam von der Ostküste Kanadas über den Nordatlantik in Richtung Europa. Mit einer kräftigen Höhenströmung an der Südflanke des Troges wurden dabei zahlreiche Tiefdruckgebiete im Bodenniveau über den Atlantik nach Osten gesteuert. Aufgrund des ausgeprägten Hochdruckgebiets DOMINIK mit Zentrum über Südschweden, wurden die Tiefdruckgebiete in ihrer Zugbahn nach Norden abgelenkt, wodurch sich am 28.11. ein weitreichendes Tiefdrucksystem aus den Wirbeln GITTE und HALKA westlich der Britischen Inseln und südlich von Island etablierte. An der Südwestflanke des Systems zog währenddessen ein weiteres Tiefdruckgebiet heran. Dieses sollte ebenfalls einen signifikanten Einfluss auf das europäische Wettergeschehen nehmen, weshalb es noch am selben Tag auf den Namen IRENE getauft wurde.

Um 01 Uhr MEZ, was 00 Uhr UTC entspricht, befand sich das Tief IRENE mit einem Kerndruck von ca. 1005 hPa etwa 600 km westlich der Azoren. Das zugehörige Frontensystem stellte sich dabei zu einem Teil bereits okkludiert dar, d.h. dass sich eine Okklusion gebildet hatte. Hierbei holt die schneller ziehende Kaltfront Teile der vorlaufenden Warmfront ein und hebt die Warmluft an. Dadurch entsteht am sogenannten Okklusionspunkt, wo Warm- und Kaltfront aufeinandertreffen, ein neuer Frontentyp, welcher als Okklusion bezeichnet wird. Je nachdem ob hinter der Okklusion relativ warme oder kalte Luftmassen einfließen, kann sie auch als Kalt- oder Warmfrontokklusion spezifiziert werden. Eine solche Okklusion führte vom Tiefdruckkern aus über rund 500 km nach Südwesten sowie über ca. 200 km nach Osten. Am anschließenden Okklusionspunkt spaltete sich dann eine nach Südwesten weisende Kaltfront und eine nach Nordosten über die Azoren verlaufende Warmfront ab, welche sich nordöstlich der Inselgruppe mit der Kaltfront des Tiefs HALKA verband.

Im Tagesverlauf verlagerte sich das Tief IRENE weiter nach Nordosten in Richtung des europäischen Festlandes. Bereits in der Nacht überquerte es dabei die Azoren und sorgte dort für kräftige Schauer und einzelne Gewitter. Bis 07 Uhr MEZ fielen dadurch in nur 6 Stunden 44 l/m² auf der Insel São Jorge und sogar 50 l/m² auf Pico. In Lajes auf der Insel Terceira konnten im gleichen Zeitraum 21 l/m² gemessen werden, während in Horta auf Faial 23 l/m² zusammenkamen.

Am Folgetag, dem 29.11., wurde das Tief IRENE noch als Randtief des Nordatlantikwirbels HALKA um 01 Uhr MEZ über der westlichen Biskaya analysiert. Der Kerndruck intensivierte sich dabei auf knapp unter 995 hPa. Vom Tiefdruckzentrum erstreckte sich zu diesem Zeitpunkt eine Warmfront nach Osten bis zur Normandie, wo sie in die Kaltfront des Tiefs HALKA überging. Des Weiteren führte vom Kern des Tiefs IRENE eine Kaltfront nach Südwesten über den Atlantik bis südlich der Azoren. Das herannahende Frontensystem der Zyklone IRENE sorgte dabei im Westen der Iberischen Halbinsel, in Westfrankreich sowie in Irland und Großbritannien für ergiebigen und mitunter schauerartig verstärkten Regen. So wurden bis 07 Uhr MEZ innerhalb von 12 Stunden 17 l/m² Regen im spanischen Fisterra, 15 l/m² am Johnstown Castle im Südosten Irlands und 23 l/m² im bretonischen Quimper registriert.

Im Laufe des Tages verstärkte sich das Tief IRENE zusehend und zog weiter nach Nordosten, wobei es die Irische See und Schottland überquerte, bevor die Zyklone am Abend die nördliche Nordsee erreichte. Während im Norden Deutschlands dabei meist nur Regenmengen von 1 bis 6 l/m² fielen, wurden vor allem in Großbritannien erneut deutlich über 10 l/m² gemessen. Bis 19 Uhr MEZ konnten dabei 22 l/m² in Eskdalemuir, 23 l/m² in Capel Curig sowie je 25 l/m² in Drumalbin und Keswick verzeichnet werden. Besonders intensiv fielen die Niederschläge im Süden Norwegens aus. Im selben Zeitraum wie zuvor konnten dort 26 l/m² an der Station Eik Hove, 32 l/m² in Konsmo und 37 l/m² in Landvik gemessen werden. Die Kaltfront des Tiefs IRENE sorgte derweil bei seiner Überquerung in Portugal und Westspanien für Regenfälle, welche zu 31 l/m² in Lissabon und 21 l/m² in Vitigudino westlich von Salamanca führten.

Weiterhin etablierte sich zwischen dem Tiefdrucksystem HALKA-IRENE über Nordwesteuropa und dem umfangreichen Hoch DOMINIK über Osteuropa ein ausgeprägter Druckgradient, wodurch sich eine kräftige Südwestströmung einstellte. Diese erreichte verbreitet Sturmstärke und wies an besonders exponierten Stationen sogar Böen in Orkanstärke auf. Auf dem Brocken wurden beispielsweise schwere Sturmböen von bis zu 100 km/h gemessen. In Plymouth im Südwesten Englands lagen die maximalen Böen derweil bei 116,8 km/h und in den schottischen Cairngorms bei 144,5 km/h. Im norwegischen Særheim wurden sogar 173 km/h registriert.

Das Tief IRENE befand sich derweil um 01 Uhr MEZ am 30.11. nördlich der Shetland-Inseln über dem Europäischen Nordmeer und wies dabei einen Kerndruck von ca. 970 hPa auf. Die Tiefs IRENE und HALKA bildeten somit ein System mit Doppelkernstruktur, wobei die anhaltend kräftige Zyklone IRENE zusehend an Einfluss gewann und folglich den Wirbel HALKA bis zum Abend in ihre Zirkulation aufnahm. Zum Zeitpunkt der Analyse besaß der Wirbel IRENE eine lang gestreckte, bogenförmige Okklusion, welche über Oslo, Dänemark, dem Nordwesten Deutschlands und Frankreich bis zu den Pyrenäen verlief, wo sie Kaltfrontcharakter annahm und bis über den zentralen Atlantik reichte. Außerdem spaltete sich ca. 200 km westlich der norwegischen Küste bei Trondheim eine Warmfront ab, die sich erneut über dem Norden Schwedens mit dem Frontensystem des Wirbels HALKA verband.

Die dem Tief IRENE zuzuordnenden Niederschläge konzentrierten sich vor allem entlang der Fronten. Anhaltender Regen sorgte dabei innerhalb von 12 Stunden bis 07 Uhr MEZ für 13 l/m² im spanischen Cáceres und 15 l/m² im südfranzösischen Pau. Die höchsten Niederschläge wurden jedoch aufgrund der dort vorhandenen Staueffekte im Süden Norwegens beobachtet. Dadurch kamen in Kvamskogen-Jonshogdi sowie in Rygge 18 l/m² teils schauerartig verstärkter Regen zusammen. Auch bis zum Abend lag der Schwerpunkt der Niederschläge im Süden Norwegens mit 16 l/m² in Fossmark, 19 l/m² in Bjørnholt und 21 l/m² in Hakadal. In Deutschland summierte sich der Regen vor allem im Süden und Osten des Landes. So wurden beispielsweise 6 l/m² in Kaisersbach-Cronhütte und 12 l/m² in Carlsfeld gemessen.

Der oftmals im Flachland stürmische Wind blieb auch an diesem Tag in vielen Regionen Skandinaviens erhalten. In exponierten Lagen konnten ebenfalls weiterhin Orkanböen registriert werden. So wurden beispielsweise 140,5 km/h an der schwedischen Station Sylarna und 209 km/h in Særheim verzeichnet.

Durch die anhaltende Blockierung einer ostwärtigen Verlagerung, bedingt durch das Osteuropahoch DOMINIK, verblieb das Tief IRENE bis zum Folgetag nahezu stationär, mit einem Kerndruck von ca. 970 hPa, über dem Nordmeer. Die zugehörige Okklusion erstreckte sich um 01 Uhr MEZ vom Zentrum des Wirbels nach Nordosten bis zur Barentssee, wo sie nach Südwesten schwenkte und nach Verlauf über Finnland, Südschweden, Mecklenburg-Vorpommern und Bayern über den Alpen endete. Außerdem führten zwei Warmfronten von der Barentssee nach Süden bis Wologda bzw. nach Südosten bis westlich von Perm.

Erneut konzentrierten sich die Niederschläge auf den Süden und Südwesten Norwegens. Bis 07 Uhr MEZ wurden in einem Zeitraum von 12 Stunden je 24 l/m² in Sauda und Aurskog, 22 l/m² in Furuneset, 20 l/m² in Kvamskogen-Jonshogdi sowie 19 l/m² in Takle gemessen. Entlang der Fronten fielen die Niederschläge schwächer aus, wobei noch jeweils 9 l/m² im schwedischen Hårsfjärden und im finnischen Niinisalo zusammenkamen. An den Niederschlagsschwerpunkten änderte sich im Tagesverlauf nur wenig, wodurch bis 19 Uhr MEZ nochmals 13 l/m² in Furuneset, je 16 l/m² in Fossmark und Kvamsoy sowie 17 l/m² in Niinisalo verzeichnet werden konnten.

Im Laufe des Tages bildete sich über der Barentssee ein weiteres Tiefdruckzentrum aus, welches sich bis 01 Uhr MEZ am 02.12. über den Nordural verlagerte. Dieses als IRENE II bezeichnete Tief besaß dabei einen Kerndruck von rund 1015 hPa. Vom Zentrum führten zu diesem Zeitpunkt eine Warmfront nach Süden sowie eine Kaltfront nach Westen bis südöstlich von Spitzbergen. Dort verband sie sich mit der Warmfront des ursprünglichen Tiefs IRENE I, welches sich mit seinem Zentrum und einem Druck von knapp unter 975 hPa südöstlich von Jan Mayen über dem Nordmeer befand.

Während das Tief IRENE II nur einen geringen Wettereinfluss aufwies und lediglich für geringe Niederschlagsmengen von wenigen Litern pro Quadratmeter sorgte, wurden im Bereich des Wirbels IRENE I noch 15 l/m² im norwegischen Leknes registriert. Weiterhin verliefen die Reste der weitreichenden und nach Süden weisenden Luftmassengrenze von der Barentssee über Finnland, die Ostsee und Polen bis zu den Karpaten. Auch entlang dieser Front konnten nochmals 12-stündige Niederschlagsmengen von jeweils 8 l/m² in Niinisalo und auf der östlich von Helsinki gelegenen Insel Rankki gemessen werden.

Bis zum 03.12. löste sich das Tief IRENE II wieder auf, wodurch die Zyklone IRENE um 01 Uhr MEZ nur noch aus einem Kern über dem Nordmeer bestand. Der Druck im Tiefdruckzentrum blieb dabei stabil bei etwa 975 hPa. Die zugehörige Warmfront erstreckte sich nach Nordosten über Spitzbergen, verursachte dort jedoch keine Niederschläge. Auf Jan Mayen in der Nähe des Tiefdruckkerns fielen im Laufe des Tages 7 l/m² Schnee bei orkanartigen Böen von bis zu 115 km/h.

In den folgenden Tagen verblieb das Tief IRENE mit einem sich langsam abschwächenden Kerndruck über dem Seegebiet zwischen Norwegen, Jan Mayen und Spitzbergen. Auf Jan Mayen intensivierte sich die Windgeschwindigkeiten dabei weiter und erreichten in Böen volle Orkanstärke mit bis zu 122,5 km/h. Die Niederschlagsmengen auf Jan Mayen sowie auf Spitzbergen lagen dabei meist unterhalb von 5 l/m² in 24 Stunden.

Mit der Annäherung des Wirbels KERRIN von Finnland schwächte sich das Tief IRENE zusehends ab und wurde nach Norden verdrängt. Im Laufe des 06.12. wurde die Zyklone IRENE dann schließlich in die Zirkulation des Wirbels KERRIN aufgenommen und konnte daher am Folgetag nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte namentlich verzeichnet werden.