Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
ISABELL
(getauft
am 21.07.2018)
Die
Vergabe von Namen an Hoch- und Tiefdruckgebiete wird von den Meteorologen der
Berliner Wetterkarte nur für solche Druckgebilde durchgeführt, welche einen
Einfluss auf das Wettergeschehen in Europa haben. Bei der Entstehung von
Tiefdruckgebiet ISABELL muss die Wetterlage der vorherigen Tage genauer
begutachtet werden. Am 18.07.2018, also 3 Tage vor der Taufe von Zyklone
ISABELL, entwickelte sich südlich von Grönland ein Tiefdruckgebiet, aus welchem
sich später jener Wirbel entwickeln sollte. Der Entstehungsort ist typisch, da
die planetaren Wellen in der mittleren und oberen Troposphäre durch die erhöhte
Lage der grönländischen Halbinsel beginnen zu mäandrieren und sich dadurch auf
der Vorderseite der Tröge, also Kaltluftvorstößen nach Süden, oftmals
Tiefdruckzonen bilden können. Dieses Tiefdruckgebiet näherte sich im weiteren
Verlauf Island an, wobei Zyklonen diese Zugbahn häufig einschlagen und aus
diesem Grund auch den besonderen Namen „Islandtief“ tragen. Gleichzeitig
entwickelte sich eine nach Süden gerichtete und stark ausgeprägte
Frontenstruktur, welche auch Großbritannien überquerte. Des Weiteren schwächte
sich die Westwinddrift durch das retrograde Strömungsmuster der planetaren
Wellen ab, wodurch das betrachtete Tiefdruckgebiet in nordwestliche Richtung
strömte. Meistens herrschen in Europa Westwinde vor. In heißen Sommern sind jedoch
auch oftmals retrograde Bewegungen, sprich Winde aus östlicher Richtung in
einer Höhe von 8 km, möglich, wodurch Tiefdruckgebiete beim Vorhandensein von
stationären Hochs über Zentraleuropa häufig aufgrund der blockierenden Lage
nördlich oder gar südlich entlang des Hochdruckkomplexes vorbeiströmen müssen.
In der Analyse der Berliner Wetterkarte wurde jenes Tiefdruckgebiet, dem eine
Einflussnahme auf das europäische Wettergeschehen vorhergesagt wurde, am 21.07.2018
um 01 Uhr MEZ auf den Namen ISABELL getauft. Das Zentrum des Tiefs ISABELL
befand sich zu diesem Zeitpunkt mit einem Druck knapp unter 1015 hPa über
Nordwales. Die Isobaren, also Linien gleichen Luftdrucks, waren nicht geschlossen,
sodass das Tief ISABELL kein sonst typisches Kerngebiet ausbilden konnte. Das
Frontensystem der betrachteten Zyklone setzte sich zu diesem Zeitpunkt aus
einer Warm-, Kalt- und Okklusionsfront zusammen. Eine Okklusion beschreibt in
der Meteorologie eine Mischfront,
welche durch den Zusammenschluss von Warm- und Kaltfront entsteht und die
Eigenschaften beider Typen in sich vereint. Die Warmfront verlief in
südwestliche Richtung und überquerte dabei den Südwesten Großbritanniens, bis
sie schließlich über dem Atlantischen Ozean endete. Die Kaltfront befand sich
westlich davon und endete ebenfalls ca. 500 km südwestlich von Irland. Warm- und Kaltfront bezeichnen
hier die Grenze zwischen zwei unterschiedlich temperierten Luftmassen, wobei
die Kaltfront die Eigenschaft besitzt schneller zu strömen als die Warmfront
und diese mit der Zeit beginnt einzuholen, um in eine Mischfront überzugehen. Durch
die schwache Ausprägung des Tiefdruckgebiets meldete am Vormittag sowie am
frühen Nachmittag kaum eine Station in Großbritannien jegliche Form von
signifikantem Wetter. Im Laufe des Tages verlagerte sich Tief ISABELL weiter
nach Mitteleuropa und erreichte am Nachmittag die Bundesrepublik Deutschland.
Die Zyklone ISABELL wurde zu diesem Zeitpunkt von zwei ausgedehnten
Hochdruckgebieten flankiert, wobei Hoch HELMUT über Südfrankreich und ein
weiteres unbenanntes Hochdruckgebiet über Westrussland lag. Durch den
blockierenden Einfluss der flankierenden Hochdruckkomplexe im Süden sowie im
Osten, wurde die analysierte Zyklone ISABELL gezwungen im nördlichen Teil
Europas zu verharren. Eine weitere meteorologische Besonderheit, die zu diesem
Zeitpunkt vor allem im Süden Deutschlands beobachtet werden konnte, sind
sogenannte Konvergenzlinien. Dabei handelt es sich um bestimmte Zonen, in denen
Luft in Bodennähe zusammenfließt, also konvergiert, wobei der daraus
resultierende Massenüberschuss im Bereich der Erdoberfläche durch
kompensierendes Aufsteigen ausgeglichen wird. Im Vergleich zu Luftmassengrenzen
wie bei Warm- und Kaltfront handelt es sich bei Konvergenzlinien um Phänomene,
die innerhalb der gleichen Luftmasse auftreten und somit keine thermischen
Gegensätze voraussetzen. Durch diesen vertikalen Luftmassenversatz kann sich
nachfolgend ein großer Temperaturunterschied einstellen, wodurch letztlich eine
vertikale Umwälzung hervorgerufen wird, die meist mit intensiven Niederschlägen
und häufig auch mit Gewittern verbunden ist. Die Spitzenwerte des Tages wurden
in Bayern und Baden-Württemberg erfasst. Innerhalb des gesamten Tages konnte
die Station Arberg-Gothendor in Nordbayern insgesamt 84 mm registrieren. In
einem einstündigen Intervall gab es örtlich Starkniederschläge mit über 20 mm,
wie zum Beispiel in Balingen-Bronnhaupten in Baden-Württemberg mit 21 mm. Zudem
gab es einen merklichen Temperatursturz im Vergleich zum Vortag, an dem mit
über 25°C noch weitverbreitet ein Sommertag erreicht wurde. An mehreren
Stationen, wie in Altomünster-Maisbrunn, betrug dieser Unterschied bis zu 10
Grad. Am 21.07.2018 betrug die Höchsttemperatur dort 19°C, am Vortag war es mit
28°C hingegen deutlich wärmer. Insgesamt kühlte sich das Wetter in der
Südhälfte Deutschlands erheblich ab, in der Nordhälfte und vor allem im
Nordosten blieb die Hitze in leicht abgeschwächter Form bestehen.
Am
nächsten Tag lag der Kern des Tiefdruckgebiets ISABELL direkt über Hamburg,
wobei die Konvergenzlinie nach Südosten verlief und dabei die Städte Dresden
sowie Prag überquerte und in der Nähe der Stadt Wien endete. Der Kerndruck war mit knapp unter 1015 hPa
genauso hoch wie am Vortag. Allerdings verlagerte sich Hochdruckgebiet HELMUT
im Laufe des Tages schnell Richtung Mitteleuropa und schwächte, in Verbindung
mit dem blockierenden Hoch über Russland, die Zyklone ISABELL deutlich ab. Dennoch
gab es in vielen Orten, so zum Beispiel auch in den Mittelgebirgen, nochmal
dringend benötigte Abkühlung mit Höchstwerten von teils unter 20°C. So lag die
maximale Temperatur auf dem 937 m hohem Schmücke im Südwesten von Erfurt bei
16°C. Sehr punktuell waren auch stärkere Böen spürbar, so zum Beispiel auch in
Kyritz. Diese in der Prignitz zu verortende Stadt konnte Böen mit bis zu 53 km/h
aufweisen, dies entspricht immerhin Windstärke 7 auf der Beaufort-Skala. Der
höchste Werte wurde allerdings in Ummendorf mit 61 km/h gemessen, somit wurde
sogar Windstärke 8 erreicht. Die Südhälfte wurde zudem wieder mit einigem
Niederschlag versorgt. So kamen in 12 Stunden bis 19 Uhr MEZ 26 mm in Mannheim
und 16 mm in Mühlacker zusammen. Im Vergleich dazu blieb es im Nordosten
Deutschlands weitgehend trocken. Darüber hinaus gab es noch ein weitläufiges
Regengebiet im bayerischen Alpenvorland, sodass dort verbreitet mehr als 10 mm an
Niederschlag registriert wurde. Trotz allem konnte die Waldbrandgefahr im
Norden und verstärkt auch im Nordosten Deutschlands nicht verringert werden, sodass
die durch Hoch HELMUT eingeläutete Phase verstärkter Trockenheit und Hitze, zu
einer längeren Dürreperiode und mehreren Waldbränden führen sollte.
Am nächsten Tag tauchte
das Tief ISABELL nicht mehr in der Analyse der Berliner Wetterkarte auf, da es
sich durch die Ostverlagerung der Antizyklone HELMUT im Tagesverlauf aufgelöst
hatte.