Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet IUSTUS
(getauft am 16.01.2015)
Mitte
Januar 2015 befand sich in einer Höhe von 5,5 km ein kurzwelliger Trog, also
ein Vorstoß relativer kalter Luftmassen nach Süden, über der Nordostküste
Nordamerikas. Dieser Trog steuerte ein Tiefdruckgebiet im Bodenniveau, welches
am 16.01. auf den Namen IUSTUS getauft wurde.
Die
Zyklone IUSTUS wurde um 01 Uhr MEZ dieses Tages rund 500 km südöstlich von
Neufundland über dem westlichen Nordatlantik analysiert. Vom Kern mit einem
Druck von knapp unter 1000 hPa verlief eine Okklusion nach Südwesten und
verband sich nach einigen Hundert Kilometern mit der Kaltfront eines
nachfolgenden und unbenannten Tiefs. Eine Okklusion stellt dabei eine Mischform
aus Warm- und Kaltfront dar, welche durch deren Vereinigung entsteht und dabei
die Eigenschaften beider Frontentypen in sich vereint. Der Ort, an welchem die
Warm- auf die Kaltfront trifft, wird Okklusionspunkt genannt. Dieser befand
sich nahe dem Kern, wobei die Kaltfront nach Südwesten reichte und die
Warmfront sich über mehrere Tausend Kilometer über den Nordatlantik hinweg
erstreckte, bevor sie südlich der Azoren in die Kaltfront des Nordseetiefs
HERMANN überging.
Der
ostwärts gerichteten Höhenströmung folgend, zog das Tief IUSTUS mit unverändertem
Kerndruck bis zum Folgetag über den Nordatlantik in Richtung des europäischen
Festlandes. Dabei überquerten seine Ausläufer die Inselgruppe der Azoren, wobei
allerdings nur wenig Niederschlag fiel. Lediglich die Station in Horta auf der
Insel Faial meldete um 07 Uhr MEZ eine 12-stündige Niederschlagssumme von 0,1
l/m².
In
der mittleren Troposphäre bildete sich bis um 01 Uhr MEZ am 18.01. von den
Azoren bis zum Osten Grönlands ein ausgeprägter Höhenkeil aus, welcher einen
Vorstoß relativ warmer Luft nach Norden charakterisiert. An dessen Ostflanke
befand sich nun der Kurzwellentrog knapp westlich der portugiesischen Küste.
Das Bodentief IUSTUS konnte zu diesem Zeitpunkt mit seinem Zentrum und einem
Druck von ca. 1007 hPa fast zentral unterhalb des Troges ungefähr 300 km
nordwestlich der Nordwestspitze Spaniens analysiert werden. Östlich des Kerns
verlief die Okklusion über den Ostatlantik nach Süden, wo sie auf Breite von
Madrid ihren Okklusionspunkt besaß. Von diesem führte einerseits die Warmfront
in einem Bogen über Lissabon bis zum Seegebiet zwischen Madeira und Marokko
nach Süden und andererseits die Kaltfront zunächst nach Südwesten, beschrieb
dann einen Bogen nach Nordwesten und verband sich nordöstlich der Azoren mit
der Warmfront eines anderen Tiefs, welches im weiteren Verlauf auf den Namen
JAN getauft werden sollte. Mit dem Frontensystem erreichten auch die ersten
Niederschläge das portugiesische Festland, wodurch bis um 07 Uhr MEZ innerhalb
von 12 Stunden in Montijo 21 l/m², in Évora 28 l/m² und an der Station
Cabo Carvoeiro/Farol 32 l/m² Regen registriert wurden. Die Niederschläge
hielten in Portugal auch bis zum Abend hin an, jedoch nahmen sie an Intensität
ab, wodurch nur noch maximale 12-stündige Regenmengen von 7 l/m² in Viana do
Castelo-Chafe und 6 l/m² in Beja gemessen werden konnten. Auch in Spanien
setzte der erste Regen bereits in der Nacht ein, verstärkte sich allerdings im
Laufe des Tages. Durch kräftige Regenfälle wurden beispielsweise in 12 Stunden
bis 19 Uhr MEZ 23 l/m² in Málaga und Oviedo, 32 l/m² in Sevilla und 43 l/m² am
Flughafen von Jerez de la Frontera gemessen, wobei dort allein 25 l/m²
innerhalb von nur 6 Stunden fielen.
Bis
zum darauffolgenden Tag entstand über der Biskaya ein weiterer Tiefdruckkern,
wodurch der Wirbel IUSTUS um 01 Uhr MEZ nun aus zwei Zentren mit einem Druck
von jeweils rund 1010 hPa bestand. Das Teiltief IUSTUS I befand sich dabei über
der östlichen Biskaya und wies eine nach Nordosten reichende Okklusion auf, die
über dem Grenzgebiet zwischen Belgien und Frankreich in die Okklusion eines
anderen, unbenannten Wirbels über der Nordsee überging. Außerdem besaß es eine
weitere nach Südwesten bis nach Madrid verlaufende Höhenokklusion. Eine
Höhenfront ist eine Luftmassengrenze, die nur in der Höhe und nicht am Boden
analysiert werden kann. Das Teiltief IUSTUS II positionierte sich derweil über
dem Golf von Cádiz. Von dessen Zentrum erstreckte sich eine kurze Okklusion
nach Westen, eine Warmfront nach Osten über das Alborán-Meer und eine
bogenförmige Kaltfront nach Südwesten, welche über dem Ostatlantik die
Verbindung zur Warmfront des Tiefs JAN herstellte. Somit entstand ein
ausgedehntes Niederschlagsgebiet, welches die Iberische Halbinsel, Frankreich
und durch eine Tiefdruckrinne mit dem unbenannten Nordseetief auch die
Benelux-Länder sowie den Nordwesten Deutschlands umfasste. In Spanien wurden
die größten Regenmengen bereits in der Nacht zuvor registriert, wodurch um
07 Uhr MEZ nochmals 12-stündige Mengen von 17 l/m² in Murcia und 15 l/m²
in Oviedo und Navacerrada gemeldet werden konnten. In Portugal kamen im selben
Zeitraum nur maximal 3 l/m² in Coimbra und Monte Real zusammen. Hervorgerufen
durch den Einfluss des Tiefs IUSTUS I fielen in 12 Stunden durch mitunter
mäßigen Regens in Frankreich bis 19 Uhr MEZ 19 l/m² in Nimes, 20 l/m² in
Aubenas, 22 l/m² in Montpellier und 27 l/m² in Montelimar. Das
Niederschlagsgebiet reichte auch bis nach Marokko, wodurch in Chefchaouen eine
Niederschlagsmenge von 30 l/m² innerhalb von 24 Stunden bis 07 Uhr MEZ
verzeichnet werden konnte.
Bis
zum 20.01. löste sich der Wirbel IUSTUS I auf und das zweite Teiltief zog
weiter nach Osten bis vor die algerische Mittelmeerküste nahe Algier. Im
Verbund mit einem neu entstandenen Tiefdruckzentrum über dem Osten Sardiniens
bildete sich ein Gebiet tiefen Druckes von etwa 1010 hPa über dem westlichen
Mittelmeer aus. Dieser Bereich blieb auch bis zum 21.01. erhalten und konnte
durch die Verlagerung des östlichen Tiefdruckkerns über das Ionische Meer nun
auch Einfluss auf den Süden Italiens nehmen. Vom ursprünglichen Zentrum des
Tiefs IUSTUS führten am 20.01. eine Kaltfront nach Südwesten über Algerien und
eine Warmfront nach Norden bis über die Balearen, wobei das Frontensystem bis
zum darauffolgenden Tag okkludierte und der Kerndruck sich auf 1005 hPa
verstärkte. Lokal fiel anhaltender und mitunter auch mäßiger Regen, der sich zu
erheblichen Niederschlagssummen addierte. In Marseille wurden bedingt durch
vermehrte Frontendurchgänge innerhalb von 36 Stunden bis um 19 Uhr MEZ am
21.01. 41 l/m² gemessen, im etwa 50 km entfernten Toulon konnten im selben
Zeitraum sogar 59 l/m² Regen registriert werden, wobei dort allein 33 l/m²
innerhalb von 12 Stunden fielen. Noch etwas weiter östlich konnten 40 l/m² in
Hyeres verzeichnet werden. Im Bereich des Tiefdruckzentrums wurden auf den
Balearen derweil 12-stündige Regenmengen von 22 l/m² aus Palma de Mallorca und
24 l/m² aus Mahón auf Menorca gemeldet. In Italien konzentrierten sich die
Niederschläge auf den Nordwesten des Landes, wobei bis 13 Uhr MEZ am 21.01. in
6 Stunden in Santa Maria di Leuca 22 l/m² registriert wurden, in den 6
Stunden danach fielen außerdem 17 l/m² Schnee am Passo dei Giovi und 23 l/m²
teils gewittrigen Niederschlags in Genua.
Begünstigt
durch die labil geschichtete Atmosphäre im Bereich des Tiefs IUSTUS entstand
hoch reichende konvektive Bewölkung, die bereits am Abend des 21.01. über dem
Südwesten Frankreichs und dem Küstenbereich des Ligurischen Meeres zu
schauerartigen Niederschlägen und Gewittern führte. Dies geschah zumeist im Bereich
der durchziehenden Fronten. Bis um 01 Uhr MEZ konnte sich das Frontensystems
des Wirbels, der sich über die Côte d'Azur verlagert hatte, wieder verstärken
bzw. neu aufbauen und bestand zu diesem Zeitpunkt aus einer vom Kern bis nach
Bologna reichenden Okklusion, einer vom dortigen Okklusionspunkt bis über die
Westukraine verlaufenden Warmfront und einer sich bis nach Tunesien
erstreckenden Kaltfront. Am Morgen und Vormittag des 22.01. bildeten sich über
Sizilien ebenfalls Gewitterzellen aus, die im Laufe des Tages über Süditalien
entlang der Westküste des Landes weiter nach Norden zogen. Bereits bis zum 07
Uhr MEZ-Termin wurden in Nizza 13 l/m², in Le Luc 16 l/m² und an der
französischen Station Toulon/Ile du Levant 23 l/m² teils gewittrigen Regens innerhalb
von 12 Stunden gemessen. Auch die italienischen Stationen konnten im selben
Zeitraum mit 23 l/m² am Capo Frasca und 28 l/m² in Frosinone nennenswerte
Niederschlagsmengen verzeichnen. Bis 19 Uhr MEZ konnten des Weiteren auf
Sizilien 12-stündig in Messina 21 l/m², an der Station Catania/Sigonella 26
l/m², in Enna 27 l/m² und in Gela 34 l/m² registriert werden.
Über
dem westlichen Mittelmeer etablierte sich in der Höhe bereits am 21.01. ein
ausgeprägter Trog, auf dessen Vorderseite sich das Tief IUSTUS in den
vorangegangenen Tagen befand. Da sich das Tief JAN, mit welchem der im Trog
eingelagerte Höhenwirbel korrespondierte, aufgelöst hatte, entwickelte sich nun
der Trog mitsamt dem Höhentief als das steuernde System für die Zyklone IUSTUS.
Dieses folgte der östlichen Bewegung des Troges, welcher sich um 01 Uhr MEZ am
23.01. mit seiner Achse über Tunesien und dem Höhenwirbel über Süditalien
befand. Somit positionierte sich das Tief IUSTUS mit einem verstärkten
Kerndruck von knapp unter 1000 hPa nahe Neapel. Vom Kern verlief eine Kaltfront
vom Zentrum aus bogenförmig über den Südwesten Griechenlands bis nach Libyen,
die in der Höhe teilweise auch als Okklusion analysiert wurde. Die dichte und
oftmals hohe, konvektive Bewölkung zog zwar im Vergleich zu den Vortagen etwas
weiter nach Osten, blieb Italien aber mit den zugehörigen Regengebieten weiter
erhalten. Dadurch konnten 12-stündige Niederschlagswerte bis 07 Uhr MEZ von 22
l/m² aus Amendola sowie Gioia del Colle, 25 l/m² aus Campobasso und 28 l/m² aus
Marina di Ginosa gemeldet werden. Über dem Süden Italiens bzw. auf Sizilien
bildeten sich außerdem einzelne Gewitter, wie die Stationsmeldungen aus Trapani
und Bonifati zeigen. Das Niederschlagsgebiet erfasste auch die Gebiete östlich
der Adria, wobei in 12 Stunden bis 19 Uhr MEZ im kroatischen Ogulin, 30 l/m²,
in Krapina 31 l/m² Regen und in Puntijarka 32 l/m² fielen, die dort überwiegend
als Schnee registriert wurden. Im bosnischen Bihac wurden währenddessen 13
l/m², im albanischen Vlore 21 l/m² und im serbischen Leskovac 28 l/m² gemessen.
Der Schwerpunkt der Gewitteraktivität verlagerte sich im Laufe des Tages bis
über Mazedonien, wo kräftige Niederschläge lokal erhebliche Mengen von 34 l/m²
in Stip, 38 l/m² in Demir Kapija und 39 l/m² in Kriva Palanka in nur 6 Stunden
bis 13 Uhr MEZ verursachten. In Griechenland fielen die Gewitter nicht ganz so
kräftig aus, wodurch beispielsweise am Flughafen in Kalamata 6-stündig 12 l/m²
zusammen kamen.
An
der Lage des Wirbels IUSTUS änderte sich bis zum Folgetag nur wenig. Auch das
Frontensystem behielt seinen Verlauf in etwa bei. Nochmals konnten in Enna bzw.
Campobasso innerhalb von 12 Stunden bis zum 19 Uhr MEZ-Termin jeweils 13 l/m²
registriert werden. Weitere nennenswerte 12-stündige Werte wurden in Ogulin mit
15 l/m², im serbischen Negotin mit 14 l/m² und im albanischen Gjirokastra sowie
im bosnischen Bjelasnica mit jeweils 11 l/m² verzeichnet. Durch erneute
Gewitter wurden des Weiteren in Griechenland 26 l/m² am Flughafen in
Aktion und 35 l/m² Niederschlag in Kalamata in 12 Stunden bis 19 Uhr MEZ
dieses Tages registriert. Die Schauer und Gewitter erreichten bereits in der
Nacht zuvor die westliche Türkei, wodurch 6-stündig in Dalaman 27 l/m², in
Gökceada 30 l/m² und in Manisa 31 l/m² fielen.
In
den folgenden Tagen befand sich das Tief IUSTUS stationär über dem Ionischen
Meer und dem Süden Griechenland. Der Wirbel schwächte sich dabei zusehends ab,
wodurch bereits am 26.01. kein Frontensystem mehr dem Tief zugeordnet werden
konnte. Der Kerndruck erhöhte sich währenddessen auf etwa 1015 hPa. Auch das
Niederschlagsgebiet verlor über Italien und dem Küstenbereich der Adria an
Intensität, wobei jedoch vor allem im Süden Italiens weiterhin Gewitter
auftraten. Im italienischen Reggio Calabria und an der Station Palermo/Punta
Raisi konnte 6-stündige Regenmengen von 13 bzw. 11 l/m² registriert werden.
Auch östlich der Adria kamen innerhalb von 12 Stunden bis 07 Uhr MEZ am
25.01. 18 l/m² im mazedonischen Gevgelija und 21 l/m² an der albanischen
Station Tirana-La Praka zusammen. Der Schwerpunkt der Niederschläge verlagerte
sich weiter nach Osten über Griechenland und die westliche Türkei, wodurch im
selben Zeitraum wie zuvor in Alexandroupoli 43 l/m² und in Dalaman 44 l/m²
gemessen werden konnten. Auf der griechischen Insel Chios in der nördlichen
Ägäis wurden am 26.01. in 24 Stunden bis 19 Uhr MEZ sogar insgesamt 81 l/m²
Niederschlag verzeichnet.
Bis
zum 28.01. zog die Zyklone IUSTUS weiter nach Osten bis über die südliche Ägäis
und war nun mit einem Kerndruck von 1010 hPa Teil eines von der Adria über Griechenland bis zum
westlichen Schwarzen Meer reichenden Tiefdrucksystems. Weiterhin konnten dem
Tief keine Fronten zugeordnet werden. Die Gewitteraktivität blieb auch an
diesem Tag im Bereich des Tiefs erhalten. Dabei bildeten sich die Unwetter
vorwiegend in der Nacht und verursachten abermals hohe zweistellige
Niederschlagsmengen von beispielsweise 14 l/m² in Alexandroupoli und 21 l/m²
auf Samos innerhalb von 12 Stunden bis 07 Uhr MEZ dieses Tages.
Das
Tief IUSTUS verlagerte sich bis zum 29.01. um 01 Uhr MEZ nochmals unter
leichter Verstärkung auf ca. 1004 hPa über das südliche Ionische Meer. Nördlich
des Zentrums ausgehend bildete sich erneut ein Frontensystem aus, welches aus
einer Kaltfront besteht, welche bogenförmig zunächst nach Süden und im späteren Verlauf nach Westen über
Libyen führte und in der Höhe als Okklusion analysiert wurde. Die maximalen
Regenmengen, die unter dem Einfluss des Wirbels zu Stande kamen, wurden um 07 Uhr
MEZ am Flughafen in Athen und in El
Venizelos mit jeweils 37 l/m² in den vorangegangenen 6 Stunden gemeldet.
In
den Tagen zuvor verlagerte sich ein ausgeprägter Höhenwirbel vom Nordmeer in
Richtung Südskandinavien und der Nordsee und übernahm auch durch die zugehörige
Bodenzyklone MISCHKA zunehmend den Einfluss über das Wettergeschehen in Nord-,
Mittel- und Teilen Südeuropas. An dessen südöstlichen Flanke befand sich das
mit dem Tief IUSTUS korrespondierende Höhentief über dem Ionischen Meer. Durch
das Heranziehen des Wirbels MISCHKA veränderten sich die das Tief IUSTUS
umgebenden Druckverhältnisse, wodurch sich die Druckdifferenz verringerte und
sich die Zyklone bis zum 30.01. komplett auffüllte und somit nicht weiter auf
der Berliner Wetterkarte analysiert werden konnte.
Geschrieben
am 14.03.2015 von Sebastian Wölk
Berliner Wetterkarte: 22.01.2015
Pate: Justus Steinbömer