Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
IVONNE
(getauft
am 05.04.2012)
Am
04.04. lag zwischen einem ausgeprägten Höhenhoch in etwa 5,5 km Höhe über dem
Nordatlantik und einem ebenso gut ausgebildeten Höhentief über der Barentssee
eine kräftige Frontalzone, die die Grenze zwischen subtropischer Warmluft und
arktischer Kaltluft darstellte. Innerhalb dieser Luftmassengrenze bildete sich
im Bodenniveau ein neues Tiefdruckgebiet. Die Zugrichtung war von der
Höhenströmung vorgegeben, die nach Südosten auf Südskandinavien gerichtet war.
Mit einem anfänglichen Kerndruck von etwa 1013 hPa wurde das Tief am 05.04. auf
den Namen IVONNE getauft.
Die
Entwicklung der Zyklone IVONNE wurde anfangs etwas gebremst, da sich über der
Nordsee die Luftströmung wie bei einem Mündungsdelta auffächerte, sich die
Windgeschwindigkeiten dadurch reduzierten und so vorerst die Energie für eine weitere
Intensivierung fehlte.
Dennoch
war Tief IVONNE z.B. an der Südwestküste Norwegens bereits wetterwirksam, denn
vom Kern aus erstreckte sich eine Okklusionsfront, einer Mischfront aus Warm–
und Kaltfront, leicht südwestlich bis nach Westschottland. Diese kam im
weiteren Tagesverlauf zunehmend nach Osten voran und löste Stauniederschläge am
Skandinavischen Gebirge aus, die z.B. im norwegischen Trondheim 10 l/m² und in Bergen
18 l/m² Regen innerhalb von 24 Stunden mit sich brachten.
Bis
zum nächsten Morgen verlagerte sich der Kern des Tiefs IVONNE weiter nach Osten
bis über den Raum Oslo. Die Warmfront, die sich von Südnorwegen bis nach Irland
erstreckte und Großbritannien von Nord nach Süd überquerte, brachte nur leichten
Regen mit bis zu 1 l/m². Gleichzeitig führte diese Front wärmere Luft vom
Atlantik heran. Während vor der Front am Londoner Flughafen Heathrow in der
Nacht zum 06.04. noch leichter Frost registriert wurde, lag das Minimum hinter
der Front z.B. im nördlicher gelegenen Glasgow bei 7°C.
Im
Laufe des 06.04. wurde die unterbrochene West-Ost-Höhenströmung von Grönland
über Skandinavien nach Sibirien wieder hergestellt. Dadurch konnte sich die Zyklone
IVONNE, die weiterhin der Strömung über Dänemark zur Ostsee folgte, nun wieder
verstärken. Der Kerndruck lag zu diesem Zeitpunkt schon knapp unter 1000 hPa.
Am Abend erreichte die Kaltfront zuerst Schleswig–Holstein, wo örtlich bis zu
5 l/m² innerhalb von 12 Stunden gemessen wurden. In der folgenden
Nacht kam die Kaltfront südwärts voran, wobei die Niederschläge teilweise bis
ins Flachland in Schnee übergingen. Der Brocken meldete zum Frühtermin um
06 UTC, also um 08 Uhr MESZ, 5 cm Neuschnee. Im Laufe des
Vormittags entwickelten sich auf der Rückseite der Kaltfront in der
hochreichenden Kaltluft vor allem in Mecklenburg–Vorpommern zahlreiche Schnee–
und Graupelschauer. Diese führten zu kurzfristigen Temperaturstürzen nahe dem
Gefrierpunkt. Mit nachfolgendem Sonnenschein stiegen die Werte am Tage aber
wieder rasch auf Werte um 5°C.
Am
07.04. gelangte das Tief IVONNE über der Ostsee auf die Südostseite des Höhentroges,
wo die Strömung auf Südwest drehte. Mit dem Zentrum über der polnischen Ostsee
und einem Kerndruck von inzwischen unter 995 hPa schwenkte es auf eine
nordöstliche Zugbahn, die es innerhalb von zwei Tagen über das Baltikum nach
Nordwestrussland führte. Gleichzeitig schob sich die von Weißrussland über
Polen und Deutschland nach Frankreich erstreckende Kaltfront nach Süden und
erreichte am Abend die Alpen. Im Süden Bayerns setzte leichter bis mäßiger
Schneefall ein, der bis zum Morgen am Münchner Flughafen zu einer Schneedecke
von 1 cm führte, in Landsberg am Lech reichte es sogar für 5 cm. Im
Stau der Alpen wurde in Oberstdorf sogar zeitweise starker Schneefall
registriert, was zu einer 9 cm hohen Schneedecke führte. Auch auf der
Zugspitze erhöhte sich die Schneedecke um 10 cm auf insgesamt 445 cm.
Die
Stauniederschläge am Alpennordrand hielten noch bis zum Abend des 08.04. an. Die
ergiebigen Niederschläge beschränkten sich aber auf die Gipfellagen,
insbesondere im Bereich der Zugspitze. Dort wurde von 06 bis 18 Uhr UTC
eine beachtliche Menge von 29 l/m² gemessen, die sich ausschließlich aus
festem Niederschlag zusammensetzte. In nur 12 Stunden stieg die
Gesamtschneehöhe so auf 490 cm. Im Alpenvorland wurden dementsprechend
auch die tiefsten Tagesmaxima registriert, wie z.B. in München mit 3°C und in Oberstdorf
mit 1°C. Die Kaltfront löste sich anschließend über den Alpen auf.
Währenddessen
zog Tief IVONNE mit einem Kerndruck von knapp unter 1000 hPa der
Höhenströmung ostwärts folgend zum Ural. Dabei brachte die Zyklone letztmalig
nennenswerten Niederschlag, wie z.B. in Kaliningrad, wo 8 l/m² innerhalb
von 24 Stunden in Form von Schnee fielen. Ebenso gestaltete sich die Lage in
Moskau und Tallinn, wo jeweils 3 l/m² fielen. Anschließend verließ das Tiefdruckgebiet
IVONNE deutlich abgeschwächt den Bereich der Berliner Wetterkarte ostwärts nach
Westsibirien und konnte deshalb nicht weiter analysiert werden.
Geschrieben am 23.05.2012 von Matthias Treinzen
Berliner Wetterkarte: 07.04.2012
Pate: Ivonne Gorczynski