Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet IWAN
(getauft
am 17.11.2015)
Anfang der zweiten Novemberdekade entstand unterhalb eines Kaltlufttroges
in 500 hPa, was einer Höhe von etwa 5,5 km entspricht, vor Neufundland ein
Tiefdruckgebiet, welches weiter nach Osten über den Atlantik zog. Da dieses das
Wettergeschehen in Mitteleuropa beeinflussen sollte, wurde der Wirbel am 17.11.
in der Prognose für den Folgetag auf den Namen IWAN getauft.
Am 18.11. befand sich das Tief IWAN gegen 00 Uhr UTC, das heißt
13 Uhr MEZ, südlich von Island über dem Nordatlantik. Vom Zentrum, in
dessen Kern ein Druck von unter 990 hPa herrschte, erstreckte sich zu diesem
Zeitpunkt einerseits eine Okklusionsfront zunächst nach Süden und reichte
anschließend den Charakter einer Kaltfront annehmend weiter nach Südwesten, ehe
sie nordwestlich der Azoren in die Warmfront eines anderen Wirbels überging. Als
Okklusionsfront wird dabei eine Mischfront verstanden, die sich aus dem
Zusammenschluss von Kalt- und Warmfront bildet und somit Eigenschaften beider
Systeme in sich vereint. Die Region, in der Warm- und Kaltfront ineinander
übergehen und eine solche Okklusionsfront bilden, wird als Okklusionspunkt
bezeichnet. Eine weitere Front, die am Boden den Charakter einer Kalt- und in
der Höhe den einer Okklusionsfront aufwies, zog sich vom Zentrum in
südwestliche Richtung über Teile des Nordatlantiks. Erste Ausläufer trafen
bereits gegen 06 Uhr UTC auf die Küste von Irland und überquerten rasch
Großbritannien und die Nordsee in Richtung Nordosten. Innerhalb von 24 Stunden
fielen bis 06 Uhr UTC des darauf folgenden Tages durch anhaltende Schauer am
Flughafen von Shannon in Irland 14,6 l/m², durch teilweise starken und von Schauern
durchsetzten Regen in Glasgow 24,4 l/m² sowie im walisischen Capel Curig 31,4 l/m². An der Messstation
im nordenglischen Shap wurden sogar bis zu 46 l/m²
registriert. Der überwiegend westlich bis südwestliche Wind erreichte an
einigen exponierten Lagen zum Teil Sturmstärke, so wurde am Cairn
Gorm eine mittlere Windgeschwindigkeit von 78,8 km/h
gemessen, die von Orkanböen bis 142,7 km/h begleitet wurden. Noch stärkere Böen
wurden im Tal „Glen Ogle“ gemessen. Hier erreichte
der Wind in Spitzen bis zu 183,5 km/h. Größere Niederschlagsmengen wurden auch
aus Südnorwegen gemeldet. Binnen 12 Stunden wurden bis 06 Uhr UTC bei Landvik 16,9 l/m², in Kristiansand 20,4 l/m² und an der
Station Ualand-Bjuland 29,1 l/m² registriert. Wie
Norwegen geriet auch der Norden Deutschlands im Laufe der zweiten Tageshälfte
in den Einflussbereich des Tiefs IWAN, auch wenn dort die Niederschlagsmengen
im Vergleich zu Norwegen etwas geringer ausfielen. Von leichten Gewittern
begleitet fielen 12-stündig in Hamburg 11 l/m², anhaltender Regen brachte bei
List auf Sylt 17 l/m² und teils gewittrige Schauer führten bei Wittmund bis zu
19,8 l/m² mit sich. Entlang der deutschen Bucht, wie zum Beispiel am Leuchtturm
Alte Weser, wurde zudem ein steifer bis stürmischer Wind mit orkanartigen Böen
bis 119 km/h registriert.
In den darauf folgenden Stunden hatte sich die Zyklone IWAN rasch
nach Osten verlagert, so dass der Kern um 00 Uhr UTC des 19.11. mit einem Druck
von 985 hPa bereits südwestlich vor Norwegen über der Nordsee lag. Vom Zentrum
unweit von Stavanger zog sich die Okklusionsfront über Schweden und die Ostsee
bis nach Deutschland und erstreckte sich, nahe Hannover direkt in eine
Kaltfront übergehend, weiter über Nordfrankreich nach Westen, ehe sie sich im
weiteren Verlauf westlich der Bretagne mit der Warmfront eines anderen Tiefs
verband. Eine weitere Front, die wie schon tags zuvor am Boden als Kalt- und in
der Höhe als Okklusionsfront ausgeprägt war, reichte nördlich des Zentrums von
Bergen über die Nordsee und nördlich an Schottland vorbei in Richtung Westen bis
knapp südlich von Grönland über den Atlantik. Das Niederschlagsfeld mit seinen
teils ergiebigen Regenmengen zog in den folgenden Stunden vom skandinavischen
Raum über Mitteleuropa bis zum Baltikum. Dabei hatte sich in der zweiten
Tageshälfte entlang des Frontensystems ein markantes Niederschlagsband entwickelt,
das in der Nacht zum 20.11. von Südpolen über Österreich bis in den Alpenraum
und Nordfrankreich reichte. Binnen 24 Stunden fielen in der Nordhälfte
Frankreichs Niederschlagsmengen von verbreitet 10 l/m², im österreichischen
Litschau wurden 14 l/m², am Kap Arkona 19 l/m² und im polnischen Koszalin 23,5 l/m² registriert. Im Süden Deutschlands
brachte anhaltender Regen und Sprühregen erhebliche Niederschlagsmengen von
teils über 30 l/m² in 24 Stunden mit sich. Beispielsweise fielen am Fichtelberg
bis 06 Uhr UTC 30,3 l/m², bei Hahn 35,0 l/m² und in Neuheutten
gar 59,8 l/m². Im Baltikum, wo sich ab ca. 18 Uhr UTC das Zentrum der
Zyklone IWAN befand, wurden 24-stündige Niederschlagsmengen zwischen 4 l/m² in
Riga, 11,6 l/m² bei Tallin und 18 l/m² an der litauischen Station in Utena gemessen. Entlang der Küsten sowie an exponierten
Lagen erreichte der Wind in Böen weiter Orkanstärke. So wurden am Leuchtturm
Alte Weser, als auch auf dem Fichtelberg und Feldberg Böen bis 118 km/h
gemessen, auf dem Brocken erreichte der überwiegend westliche Wind bei einer
mittleren Windgeschwindigkeit von bis zu 97,3 km/h Spitzenböen von 144,1 km/h,
und von der bemannten Messstation auf der Schneekoppe wurden gar Böen von über
180 km/h gemeldet.
Bis zum 20.11. hatte das Tiefdruckgebiet IWAN begonnen sich leicht
abzuschwächen. Vom Zentrum, das mit einem Kerndruck von etwa 990 hPa gegen 00
Uhr UTC über Lettland lag, reichte eine lediglich in der Höhe analysierbare
Okklusionsfront in einem Bogen über Westrussland und Polen bis nach Österreich.
Über dem deutschen Alpenraum sowie Frankreich den Charakter einer Kaltfront
annehmend, erstreckte sich diese anschließend weiter nach Westen und ging über
der Bretagne erneut in die Warmfront eines nachfolgenden und auf den Namen
KUNIBERT getauften Tiefs über. Über dem Alpenraum hatte sich in den frühen
Morgenstunden entlang seines Frontensystems ein neues Tiefdruckgebiet ausbilden
können, welches jedoch bereits in der Nacht zum 21.11. in die Zirkulation des
dem Wirbel IWAN nachfolgenden Tiefs KUNIBERT aufgenommen wurde. Bei einem Wind,
der im Baltikum noch Böen der Stärke 6 bis 7, vereinzelt auch 8 erreichte,
fielen in den 24 Stunden bis 06 Uhr UTC in Utena 5,4
l/m², im lettischen Daugavpils 6 l/m² und im
weißrussischen Vitebsk 9 l/m² Regen oder Sprühregen.
Über Zentralfinnland und Westrusslands gingen die Niederschläge teils in Schnee
über und brachten dabei in Petrozavodsk 10 l/m²,
bei Rannki 15 l/m² und an der Station in Halli 22 l/m².
Am 21.11. um 00 Uhr UTC lag das Zentrum des Wirbels IWAN mit drei
ausgehenden Frontensystemen und einem auf 995 hPa leicht gefallenen Kerndruck
annähernd stationär über Sankt Petersburg. Eine Okklusionsfront ging in
nördliche Richtung vom Kern aus, die sich mit einem anderen, nordwestlich von
Murmansk liegenden Tiefdruckgebiet verband. Eine zweite Okklusionsfront, die am
Boden Eigenschaften einer Warmfront aufwies, erstreckte sich vom Zentrum über
den westrussischen Raum nach Südosten. Und die Dritte, in der Höhe ebenfalls mit
den Eigenschaften einer Okklusionsfront, am Boden jedoch die einer Kaltfront
aufweisend, reichte vom Kern in einem Bogen über Weißrussland und Polen bis
nach Rügen, wo sie sich mit den Ausläufern des über der Nordsee liegenden Tiefs
JÜRGEN verband. Das Niederschlagsband war mit Ausnahme von Nordestland nahezu
vollständig aus dem Baltikum abgezogen und verlagerte sich im Laufe des Tages
unter leichter Abschwächung nach Nordosten. Der Großteil der Niederschläge, die
zunehmend in Schnee übergingen, fiel dabei über Zentralfinnland. Bis 06 Uhr UTC
wurden innerhalb von 24 Stunden in Tallin 6,1 l/m², im finnischen Athari, als auch im russischen Segeza
je 9 l/m² und an den Station bei Halli und Leivonmäki je 16 l/m² registriert. Der Wind über Estland
und dem Süden Finnlands hatte nochmals an Stärke gewonnen und erreichte
beispielsweise bei Pakri in Estland gegen 22 Uhr UTC
eine mittlere Geschwindigkeit von bis zu 64,8 km/h, das heißt Windstärke 8, der
von orkanartigen Böen bis 100,9 km/h begleitet wurde.
Mit einem wieder auf 990 hPa angestiegenen Druck hatte sich das
Zentrum des Tiefdruckwirbels IWAN bis zum 22.11. etwas nach Norden verlagert
und befand sich gegen 00 Uhr UTC etwa 300 km nördlich von Sankt Petersburg. Vom
Zentrum des Wirbels IWAN reichte zum einen eine Okklusionsfront nach Norden,
die sich südlich von Murmansk mit dem Frontensystem des von der westlichen
Barentssee nach Spitzbergen verlagerten unbenannten Tiefs verband, und zum
anderen eine Warmfront über Vologda und Perm nach
Südosten in Richtung Kasachstan. Mit dem Zentrum des Wirbels IWAN zogen auch
die Schneefälle im weiteren Tagesverlauf in Richtung des Weißen Meeres, größere
Niederschlagsmengen kamen mit Ausnahme des Mündungsbereichs der Dwina jedoch kaum noch zusammen. Bis 06 Uhr UTC wurden im
finnischen Kustavi Isokari
3 l/m², in Vaasa 7 l/m², in Archangelsk 13 l/m² und in Severodvinsk
15 l/m² registriert.
Gegenüber den Vortagen hatte das Tief IWAN trotz zunehmender
Abschwächung leicht an Zuggeschwindigkeit gewonnen und war bis zum 23.11. weiter
nach Nordosten gezogen. Vom Kern, der sich um 00 Uhr UTC mit einem auf 995 hPa
angestiegenen Druck unweit von Archangelsk über dem Weißen Meer befand,
erstreckte sich lediglich noch eine Okklusionsfront westlich von Nowaja Semlja
über die Barentssee nach Norden in Richtung des Franz-Josef-Lands. Auf seiner
nordöstlichen Zugbahn verließ der Tiefdruckwirbel IWAN im Laufe des Tages den
von der Berliner Wetterkarte erfassten Analysebereich, so dass er am Folgetag
nicht weiter namentlich verzeichnet werden konnte. Zuvor brachten die Ausläufer
dem Norden Russlands erneut leichte Schneefälle, die in Archangelsk 2,7 l/m²,
bei Khoseda-Khardsky 3,6 l/m² und in Sejaha 6 l/m² mit sich führten.
Geschrieben am 15.12.2015 von Christian Ulmer
Berliner Wetterkarte: 19.11.2015
Pate: Gerhard Uhle (www.uhlewetter.de)