Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet IWAN

(getauft am 28.03.2017)

 

Am 28.03.2017 befand sich ein umfangreicher Höhenwirbel in der mittleren Troposphäre über dem zentralen Nordatlantik. Dieser war eingebettet in einen ausgedehnten Trog, das ist ein Vorstoß kalter Luft aus Norden, welcher die Höhenströmung von Neufundland nach Südosten und die Azoren passierend bis nach Westeuropa lenkte. Mit dem Höhnwirbel korrespondierend befand sich im Bodenniveau ein Tiefdruckgebiet mit einem Kerndruck von knapp unter 970 hPa nahezu direkt unterhalb der Position des tiefsten Druckes in der Höhe. Südlich des Zentrums des Bodentiefs verlief eine Okklusion bogenförmig nördlich um den Kern herum nach Osten bis es auf Breite von Bordeaux den Charakter einer Kaltfront annahm und südwest- bis westwärts über den Atlantik führte. Eine Okklusion ist dabei eine Mischfront, welche entsteht, wenn die schneller ziehende Kaltfront die vorlaufende Warmfront am sogenannten Okklusionspunkt einholt und die warme Luft anhebt. Die sich bildende Luftmassengrenze weist dadurch Eigenschaften beider Frontenarten auf. Eine weitere solche Okklusion reichte etwa auf der Breite von Kiew und ausgehend von der anderen Okklusion nach Süden bis westlich der Kanaren.

Im Laufe des Tages entwickelte sich östlich des Kerns dieser Zyklone ein weiteres Tiefdruckgebiet, welches einen Großteil des Frontensystems übernahm. Aufgrund seines vorhergesagten Einflusses auf das europäische Wettergeschehen wurde das sich neu ausbildende Tief in der Prognose für den Folgetag auf den Namen IWAN getauft.

Um 01 Uhr MEZ am 29.03. befand sich das Tief IWAN mit einem Kerndruck von rund 985 hPa ca. 1000 km westlich von Irland auf Breite von Hamburg über dem Nordatlantik. Vom Zentrum erstreckte sich eine Okklusion nach Osten bis zu ihrem Okklusionspunkt vor der Westküste Irlands. Die sich anschließende Warmfront führte über Südirland und dem Süden Wales bis zum Ärmelkanal nahe Le Havre. Die zugehörige Kaltfront verlief zu Beginn leicht verwellt nach Südwesten über die Azoren bis weit über den Nordatlantik. Beim Durchzug der Warmfront kam es über den Britischen Inseln sowie abgeschwächt über der Bretagne zu Regen, welcher bis 07 Uhr MEZ innerhalb von 12 Stunden zu 5 l/m² am Valentia Observatory im Süden Irlands, 9 l/m² im walisischen Sennybridge und 14 l/m² im ebenfalls walisischen Capel Curig führte. In den folgenden 12 Stunden konnten anschließend nochmals je 10 l/m² in Thomastown und auf Walney Island sowie 16 l/m² im schottischen Eskdalemuir registriert werden.

Mit der Warmfront wurden jedoch auch subtropische Luftmassen herangeführt, wodurch die Tageshöchstwerte der Temperatur auf den Britischen Inseln und in Frankreich anstiegen. In Irland konnten dabei verbreitet 12 bis 16°C, in Großbritannien 11 bis 17°C und in Frankreich sogar 16 bis 22°C gemessen werden. Deutschland lag an diesem Tag unterhalb eines Randtroges und wies dadurch im Vergleich zum Vortag um bis zu 7 Grad geringere Tagesmaxima auf. Außerdem trat dabei in der Nordhälfte des Landes teils schauerartiger Regen auf, der für 5 l/m² in Soltau und 6 l/m² in Bremervörde sorgte.

Das Tief IWAN zog bis zum Folgetag um 01 Uhr MEZ nach Nordosten bis etwa jeweils 500 km südlich von Island und westlich der Nordspitze Schottlands. Dabei begann es sich auch weg vom Einfluss des Höhenwirbels zu verlagern, weshalb sich der Kerndruck leicht abschwächte und rund 995 hPa betrug. Vom Tiefdruckzentrum verlief zu diesem Zeitpunkt jeweils eine Okklusion nach Südwesten sowie nach Südosten, wobei sich letztere knapp östlich von Schottland in eine über die Nordsee und Norddeutschland bis zur polnischen Grenze reichenden Warmfront und in eine sich über die Britischen Inseln nach Südwesten erstreckende Kaltfront, die über Schottland eine Wellenstörung aufwies, aufspaltete. Deutschland geriet nun ebenfalls in den Warmsektor des Tiefs IWAN, also in den Beriech zwischen Warm- und Kaltfront, in welchem in diesem Fall im Zusammenspiel mit dem über Süddeutschland liegenden Hoch MARRIT warme subtropische Luftmassen einflossen. Während tags zuvor vor allem in der Mitte und im Norden des Landes verbreitet nur 12 bis 14°C gemessen wurden, verzeichneten diese Gebiete nun Höchsttemperaturen von mitunter über 20°C, wie beispielsweise in Bremen mit 20,4°C oder Seehausen mit 20,1°C. Am wärmsten wurde es allerdings an diesem Tag in Geilenkirchen mit einem Höchstwert von 22,9°C.

Die Niederschläge blieben derweil in Deutschland meist bei maximal 1 l/m² und traten nur ganz im Norden und im Nordosten auf. Lediglich die Stationen in Kyritz und im Berliner Raum meldeten 12-stündig 4 bis 6 l/m² Sprühregen und Regen, welcher lang anhaltend seit dem Vortag fiel. Auf den Britischen Inseln wurden hingegen deutlich höhere Regensummen verzeichnet. Dort fielen ebenfalls in einem Messzeitraum von 12 Stunden 11 l/m² am irischen Magilligan Point, 15 l/m² in Keswick und 16 l/m² in Port Ellen auf der Insel Islay, welche die südlichste der Inneren Hebriden ist. In Capel Curig wurden bis 19 Uhr MEZ innerhalb der vorangegangenen 24 Stunden sogar 46 l/m² registriert. Die Warmfront griff bis zum Abend auch auf Südskandinavien über und führte dort vor allem an den Gebirgen zu ergiebigen Stauniederschlägen, wobei diese teils auch in Form von Schnee auftraten. Die höchsten gemessenen Niederschlagssummen konnten in Schweden mit je 12 l/m² an den Stationen Torpup A sowie Ullared, und in Norwegen mit 17 l/m² in Rodalsfjellet und 18 l/m² in Evanger verzeichnet werden.

Mit nach Norden gerichteter Verlagerung wurde das Tief IWAN am 31.03. um 01 Uhr MEZ mit einem weiter abgeschwächten Kerndruck von rund 995 hPa mit seinem Zentrum etwa 200 km südlich von Island analysiert. Von diesem führte eine Okklusion nach Südosten über das Europäische Nordmeer bis zum Südwesten Norwegens nahe Stavanger. Am dort befindlichen Okklusionspunkt teilte sich die Mischfront in Warm- und Kaltfront auf. Die Warmfront verlief nach Südosten über Südskandinavien und den Osten Polens bis zu den nördlichen Karpaten. Die Kaltfront führte nach Südwesten, verband sich jedoch bereits nach kurzem Verlauf mit der Warmfront des Wirbels JOHNNY, welcher zuvor an der Wellenstörung der Kaltfront entstand. Deutschland befand sich weiterhin im Zufluss warmer Subtropikluft, wodurch die Temperaturen weiter anstiegen. Die landesweiten Tagesmaxima betrugen dabei 24,2°C in Magdeburg, je 24,4°C in Nürnberg, Lahr und Lingen sowie 24,5°C auf dem Schnarrenberg in Stuttgart. Auch in Polen konnten nun Höchstwerte von über 20°C registriert werden, was einem Temperaturanstieg von mitunter 10 Grad im Vergleich zum Vortag bedeutete, da dort zuvor kalte polare und zum Teil arktische Luftmassen vorherrschten. Die Niederschläge, welche dem Tief IWAN zugeordnet werden können, beschränkten sich nun auf den Süden Skandinaviens. Dennoch wurden dort erneut zweistellige Niederschlagsmengen verzeichnet. So fielen in 12-Stunden im schwedischen Nordkoster 13 l/m², in Fossmark nahe Bergen 18 l/m² und in Rodalsfjellet ebenfalls 18 l/m².

Das Tief IWAN verlagerte sich bis um 01 Uhr MEZ am 01.04. nur wenig weiter nach Norden, wobei der Druck im Kern etwa 997 hPa betrug. Der von der Westküste Irlands bis zur nördlichen Nordsee ziehende Wirbel JOHNNY löste nun die Zyklone IWAN als steuerndes Tiefdruckgebiet über Nordwesteuropa ab. Dadurch beschränkte sich der Einfluss des Tiefs IWAN an diesem Tag lediglich auf Island in Zentrumsnähe. Von diesem führte des Weiteren eine Okklusion nach Nordosten über Island und die Norwegische See, wo sie in eine weitere Okklusion eines anderen, unbenannten Wirbels über Nordnorwegen überging. Die Niederschläge fielen dabei jedoch nur schwach aus. Bis 10 Uhr MEZ konnten in 15 Stunden verbreitet lediglich 1 l/m² an Regen und Schnee registriert werden, an der Station Skjaldthingsstadir waren es im selben Zeitraum 2 l/m². Auch in den folgenden 9 Stunden wurden vielerorts nochmals um 1 l/m² verzeichnet, wie in Akurnes, Akureyri oder Bergstadir.

Am 02.04. wurde das Tief IWAN um 01 Uhr MEZ ca. 1000 km über dem Seegebiet zwischen Island und der Nordmeerinsel Jan Mayen analysiert. Im Bereich des Wirbels wurden nochmals 12-stündig 2 l/m² auf Jan Mayen, 2 l/m² in Stykkishólmur im Westen Islands und 5 l/m² in Keflavik registriert.

In der Folge zog das Tief IWAN weiter nach Nordosten über das nördliche Nordmeer bis zur Barentssee und Karasee, wobei es jedoch den Einfluss auf das europäische Wettergeschehen zu großen Teilen verlor und aus diesem Grund am 02.04.2017 zuletzt namentlich auf der Berliner Wetterkarte verzeichnet wurde.

 

 

Geschrieben am 14.06.2017 von Sebastian Wölk

Berliner Wetterkarte: 31.03.2017

Pate: David Grupp