Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet JÜRGEN

(getauft am 01.02.2017)

 

Ein kleines Tief, das sich am 31.01.17 um 01 Uhr MEZ noch nördlich der Bermuda-Inseln befand, zog an der Nordseite des Hochs bei den Azoren infolge der kräftigen Höhenströmung nach Westen. Am Folgetag zur gleichen Zeit tauchte es in der Analyse der Berliner Wetterkarte nordwestlich der Azoren auf und wurde auf den Namen JÜRGEN getauft.

Mit einem Druck von etwas unter 980 hPa befand sich der Kern am 01.02.17 um 01 Uhr MEZ etwa 1200 km östlich von Neufundland und hatte bereits eine Okklusion ausgebildet. Eine Okklusion ist eine Mischfront, bei welcher die schneller ziehende Kaltfront die Warmfront eingeholt und die wärmere Luft vom Boden angehoben hat. Weil sich Tiefdruckgebiete wegen der Corioliskraft auf der Nordhalbkugel gegen den Uhrzeigersinn drehen, zog die Okklusion westlich des Zentrums nach Süden und östlich davon nach Norden. Der Okklusionspunkt, also der Punkt, an dem sich die Okklusion wieder in die Warm- und Kaltfront aufteilt, lag etwa 400 km östlich des Kerns. Die Warmfront erstreckte sich nach Südosten bis circa 500 km östlich der Azoren, wo sie in eine kurze Kaltfront eines kleineren Tiefs südwestlich von Irland überging. Die Kaltfront verlief im großen Bogen nach Südwesten. Im Bereich der Warmfront betrug die 12-stündige Regenmenge bis 07 Uhr MEZ auf den Azoren zwischen 0,7 l/m² auf Flores und 2 l/m² in Horta. Im Warmsektor, dem Bereich zwischen Warm- und Kaltfront, des Tiefs JÜRGEN stieg die Temperatur bis auf 18,6°C.

Bis zum nächsten Tag verlagerte sich die Zyklone JÜRGEN weiter nach Osten und verstärkte sich deutlich mit einem Kerndruck von knapp unter 960 hPa. Die spiralförmige Okklusion verlief bis zum Okklusionspunkt, der sich rund 200 km westlich von Irland befand. Die Warmfront erstreckte sich erst nach Osten über Irland und anschließend südostwärts über Wales, Südengland bis zur Normandie. Die Kaltfront verlief in einem großen Bogen von der Südspitze Irlands über Galicien bis etwa 400 km südlich der Azoren. Infolge der Warmfront und einer davor liegenden Warmfrontokklusion eines kleinen Tiefs bei Island regnete es im oben erwähnten Zeitraum auf der Kanalinsel Jersey 3 l/m², 7 l/m² in Mumbles bei Swansea oder 8 l/m² in Plymouth. In der nachfolgend eingeflossenen maritimen Subtropikluft erreichte die Temperatur an diesen drei Wetterstationen Höchstwerte zwischen 12 und 13°C. In Nordspanien war es mit 18,4°C in Santander oder 19,8°C am Flughafen von Bilbao sogar noch wärmer. Im Einflussbereich der Kaltfront dagegen kam es besonders im Nordwesten der Iberischen Halbinsel zu lang anhaltenden und teils ergiebigen Niederschlägen. So fielen in Santiago de Compostela 19,4 l/m², im nordportugiesischen Viana do Castelo 28 l/m² oder in Noia 30 km südwestlich von Santiago de Compostela 37,4 l/m² in 12 Stunden bis 07 Uhr MEZ. Mit einem solch geringen Druck im Zentrum hatte sich Tief JÜRGEN zu einem Sturmtief entwickelt. Am Flughafen von Cork erreichte der Wind zeitweise Sturmstärke. Auch in Galicien betrug die Geschwindigkeit der maximalen Windböe im 6-stündigen Zeitraum bis 07 Uhr MEZ in La Coruna 89 km/h, was Windstärke 10 auf der Beaufort-Skala oder schwerem Sturm entspricht.

Am 03.02.2017 lag der Kern des Tiefs JÜRGEN rund 400 km nordwestlich von Irland. Es hatte sich im Verlauf der letzten 24 Stunden leicht abgeschwächt und wies nun im Zentrum einen Druck von etwa 962 hPa auf. Die Okklusion verlief in einem Bogen über den nördlichen Atlantik zwischen Irland und Island. Der Okklusionspunkt befand sich ungefähr 150 km südöstlich von Island. Bei Höchstwerten bis 8°C regnete es im Süden Islands im 12-stündigen Zeitraum bis 07 Uhr MEZ zum Beispiel 3,6 l/m² auf der Insel Surtsey. Die Warmfront erstreckte sich vom Okklusionspunkt bogenförmig bis nach Südnorwegen. Die höchste in dieser Zeitspanne registrierte Regenmenge wurde an der Station Modalen nordöstlich von Bergen mit 2 l/m² gemessen. In einer südlichen Strömung stieg die Temperatur bis auf 6,8°C in Obrestad südlich von Stavanger, 7,8°C in Stavanger selbst oder 11,7°C in Fiskabygd, was sich ebenfalls in Südnorwegen befindet. Die lange Kaltfront verlief vom Okklusionspunkt in südlicher Richtung über die Shetland-Inseln und die Nordsee bis zu den Westalpen und anschließend im Bogen über die Balearen und Südspanien bis 300 km nordöstlich von Teneriffa. Der nördliche Abschnitt vom Okklusionspunkt bis nach Südfrankreich war eine Höhenkaltfront, was bedeutet, dass die kalte Luft in der Höhe der Luft am Boden vorauseilt. Der Grund dafür war der starke Wind, der mit diesem Sturmtief einherging. Im Zuge der Höhenkaltfront und der sich anschließenden Bodenkaltfront fielen zwischen 01 Uhr MEZ und 04 Uhr MEZ in Grenoble 5 l/m², 9 l/m² in Cannes oder sogar bis zu 13 l/m² in Carpentras. Am Flughafen von Tanger kamen an diesem Tag immerhin 3,4 l/m² zusammen. Hinter dieser Front sank die Temperatur aber nicht nennenswert. Im Bereich der Höhenkaltfront war zusätzlich eine kleine Warmfront von Dänemark über Ostdeutschland bis zum Riesengebirge vorgelagert, wo zum Beispiel in Legnica bei Breslau in 12 Stunden bis 07 Uhr MEZ 8 l/m² Niederschlag gemessen wurde, der zum Teil als gefrierender Regen fiel. Anhand der Tatsache, dass es sich beim Tief JÜRGEN zu diesem Zeitpunkt um ein Sturmtief handelte, traten die höchsten Windgeschwindigkeiten auf den Britischen Inseln auf. Während in weiten Teilen Englands Böen von Windstärke 7 herrschten, wurden am 03.02.17 in Schottland schwere Sturmböen registriert, wie in Dundrennan, Altnaharra oder in Tiree mit Windgeschwindigkeiten bis zu 101,9 km/h.

Durch die südliche Strömung in 5,5 km Höhe befand sich die Zyklone JÜRGEN am nächsten Tag über dem Südwesten Islands bei einem fast unveränderten Kerndruck von unter 965 hPa. Das Tief JÜRGEN bestand nur noch aus einer kurzen Okklusion, die sich von der Südwestküste Islands nordostwärts bis zur Insel Jan Mayen erstreckte. Dahinter schloss sich eine weitere Mischfront an, die aber nicht mehr Teil dieses Tiefdruckgebietes war. Im Einflussbereich dieser Okklusion regnete es beispielsweise in Reykjavik 4,2 l/m², in Egilsstadaflugvollur im Osten von Island 3,5 l/m² in 12 Stunden bis 07 Uhr MEZ oder 2 l/m² auf Jan Mayen in 24 Stunden bis zur selben Uhrzeit. Die Temperaturen stiegen in der maritim erwärmten Subpolarluft auf 5,2°C in der isländischen Hauptstadt und auf 6,2°C in Bolungavik im Nordwesten Islands. Besonders nördlich des Zentrums traten immer noch orkanartige Sturmböen der Stärke 11 auf, so zum Beispiel in Constable Pynt im Osten Grönlands mit 103,8 km/h.

Bis zum 05.02.2017 verlagerte sich das Zentrum von Tief JÜRGEN mit einem Kerndruck von knapp unter 975 hPa nach Westen bis zur Südostküste Grönlands 370 km südwestlich von Ammassalik. Die relativ kurze Okklusion verlief nahezu parallel zur Grönlands Südostküste über eine Länge von rund 700 km, woran sich noch eine kleine, rund 500 km lange Warmfront anschloss. Daran wiederum knüpfte die Kaltfront eines Tiefs westlich von Spitzbergen an. An der erwähnten Wetterstation auf Grönland herrschte an der Okklusion geringfügiger Schneefall bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. Mit der Abschwächung der Zyklone JÜRGEN ging eine resultierende Abschwächung des Windes einher. An derselben Station herrschte nur noch ein Mittelwind der Stärke 4.

Wegen der massiven Verstärkung des Sturmtiefs NIKLAS, welches sich mit einem Kerndruck von ca. 945 hPa etwa 1000 km südlich von Grönland über dem Atlantik befand, hatte sich die Zyklone JÜRGEN so weit abgeschwächt und an Energie verloren, dass sie am 06.02.2017 nicht mehr namentlich auf der Berliner Wetterkarte vermerkt war.

 


Geschrieben am 09.03.2017 von Matthias Janke

Berliner Wetterkarte: 02.02.17

Pate: Jürgen Karsten