Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet JÜRGEN

(getauft am 19.11.2015)

 

Ende der zweiten Novemberdekade entstand an einer wellenförmig deformierten Front über der westlichen Nordsee ein Tiefdruckgebiet, das von den Meteorologen der Berliner Wetterkarte am 19.11.2015 in der Prognose für den Folgetag auf den Namen JÜRGEN getauft wurde.

Um 00 Uhr UTC, das heißt 01 Uhr MEZ, des Folgetages befand sich der Kern über der östlichen Nordsee zwischen Norwegen und Dänemark und wies dabei einen Kerndruck von etwas unter 1000 hPa auf. Zu diesem Zeitpunkt bestand das Frontensystem aus einer Okklusionsfront. Darunter versteht man die Mischform einer Warm- und Kaltfront, die durch das Einholen der Warmfront durch die schneller ziehende Kaltfront im Okklusionspunkt entsteht und die Charakteristika beider Frontentypen in sich vereint. Die Okklusion umschloss nach Westen den Kern des Tiefs JÜRGEN und erstreckte sich weiter über Großbritannien und Irland über den Nordostatlantik. Bereits in der Nacht zum 20.11. erreichten erste Ausläufer mit Niederschlägen die deutschen Küstengebiete, so fielen bis um 06 Uhr UTC am Kap Arkona in 12 Stunden 15 l/m² und in Itzehoe 10 l/m². Im Laufe des Tages verlagerte sich das Tief JÜRGEN retrograd, also gegenläufig zur üblichen Verlagerung, in Richtung des Ärmelkanals. Damit einher ging auch die Verlagerung der Niederschlagsgebiete, am Kap Arkona erhöhte sich die 24-stündige Niederschlagsmenge, welche am 21.11. um 06 Uhr UTC gemessen wurde, von 9,7 l/m² am Vortag auf 19 l/m² am Folgetag. Demgegenüber stieg in Itzehoe die Gesamtniederschlagsmenge im gleichen Beobachtungszeitraum von 16,4 auf 22,7 l/m².

Um 00 Uhr UTC des 21.11. befand sich die Zyklone JÜRGEN über der zentralen Nordsee mit einem auf knapp unter 995 hPa gesunkenen Kerndruck. Vom Kern verlief eine Höhenokklusion in östliche Richtung, die am Boden östlich des Kerns Warmfrontcharakter annahm und über Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern führte, dann über Westpolen in das Frontensystem des vorlaufenden Tiefs IWAN überging. Die Kaltfront reichte zunächst in südliche Richtung bogenförmig bis nach Amsterdam, nördlich von Brüssel und Paris über die Bretagne bis hinaus über die Biskaya. Sich im Laufe des Tages ostwärts verlagernd, zogen auch die zugehörigen leichten Niederschlagsfelder ostwärts bzw. weiter über das kontinentale Festland. So erreichten diese am Nachmittag Paris, wo zwischen 15 und 16 Uhr UTC bei schauerartig verstärktem Regen 5 der 7,3 l/m², die in Paris-Orly innerhalb von 24 Stunden bis 06 Uhr UTC des Folgetages gemessen wurden, fielen. In Amsterdam sorgten Temperaturgegensätze beim Aufeinandertreffen von langsam einströmender maritimer Arktikluft mit den vorherrschenden Luftmassen zu Gewittern, so dass bis 18 Uhr UTC in 12 Stunden 9 l/m² Niederschlag gefallen war. In Hamburg war der Einfluss der maritimen Arktikluft vor allem an einem deutlichen Rückgang der Temperaturen zu beobachten. Um 23 Uhr wurden 0,0°C gemessen, nur 24 Stunden zuvor lagen die Temperaturen bei 5,9°C.

Bis zum 22.11. hatte sich der Wirbel JÜRGEN mit seinem Kern in die Ostseeregion zwischen Dänemark, Südschweden und Rügen verlagert, dabei wies der Wirbel JÜRGEN einen Kerndruck von etwas unter 995 hPa auf. In einem Bogen erstreckte sich vom Kern eine Konvergenzlinie bis nach Luxemburg. Eine Konvergenzlinie beschreibt eine Zone zusammenfließender Luftmassen in Bodennähe, die dort zum Aufsteigen gezwungen werden und dies zur Schauer- und Gewitterbildung führen kann. Nordwestlich dieser Konvergenzlinie strömte weiterhin Kaltluft arktischen Ursprungs südwärts. Dies führte zu einer starken Isobarendrängung, also Linien gleichen Luftdrucks, über der Nordsee, die auf Helgoland schwere stürmische Böen mit sich brachte, welche in Spitzen Geschwindigkeiten von 97,3 km/h erreichten. Zudem setzten vielerorts Schneefälle ein. Im schleswig-holsteinischen Dörnick waren in 6 Stunden bis 13 Uhr UTC 6 cm Neuschnee gefallen, am Nachmittag schneite es auch von Niedersachsen bis nach Thüringen. In Brandenburg und Berlin konnten am Abend um 19 Uhr UTC 3 cm Neuschnee gemessen werden, auf dem Kahlen Asten bis zum 06 Uhr UTC Termin des Folgetages fielen 6 cm Schnee und auf dem Brocken kamen im gleichen Zeitraum 12 cm Neuschnee zu der bereits 4 cm mächtigen Schneedecke dazu.

In den ersten Stunden des Folgetages lag das Zentrum des Tiefs JÜRGEN südwestlich von Berlin und hatte sich stark abgeschwächt, so dass der Kerndruck auf mehr als 1010 hPa angestiegen war. Der Wirbel JÜRGEN verlagerte sich weiter abschwächend und frontenlos in Richtung Erzgebirge. Um 06 Uhr UTC hatte sich der Druck auf über 1015 hPa weiter abgeschwächt. Dies führte dazu, dass das Tief JÜRGEN bereits um 12 Uhr UTC nicht mehr analysiert werden konnte. Somit war der 23.11. letzte Tag, an dem der Wirbel JÜRGEN auf den Karten der Berliner Wetterkarte analysiert werden konnte.

 

 

Geschrieben am 12.02.2016 von Patrick Ilmer

Berliner Wetterkarte: 22.11.2015

Pate: Jürgen Kaluza