Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet JERRY

(getauft am 18.03.2019)

 

Am 18. März 2019 wurde auf der Prognosekarte der Berliner Wetterkarte ein Tiefdruckgebiet bei Grönland auf den Namen JERRY getauft. Es sollte sich am Rand eines umfangreichen Höhentiefdruckgebietes bilden, dessen Zentrum vor Westgrönland lag. Die Position des prognostizierten Tiefdruckkerns lag vor Ostgrönland über der Grönlandsee.

Am 19. März um 01 Uhr MEZ fand sich das entstandene Tief JERRY vor der Küste Südostgrönlands und somit einige Hundert Kilometer weiter südwestlich als am Tag der Taufe vorhergesagt. An der ursprünglich in etwa berechneten Position befand sich nun zwar auch ein Tiefdruckgebiet, das aber unbenannt blieb, weil der als JERRY bezeichnete Wirbel letztlich das steuernde Tiefdruckgebiet in der Region war. Im Raum des grönländischen Ortes Tasiilaq lag das Zentrum der Zyklone JERRY, in dem ein Kerndruck von unter 975 hPa gemessen wurde. Von dort erstreckte sich eine Okklusionsfront, eine Mischfront mit Warm- und Kaltfronteigenschaften, die zunächst etwa parallel zur grönländischen Küste nach Nordosten bis Osten verlief, um knapp nördlich des Polarkreises mehr und mehr einen Bogen im Uhrzeigersinn in Richtung Nordisland zu beschrieben, Island in südöstlicher bis südlicher Richtung zu überqueren und knapp südlich zum Okklusionspunkt zu führen. Dort trafen eine Warmfront und eine Kaltfront wie bei einem Reißverschluss zusammen. Die Warmfront verlief in etwa südlicher Richtung, passierte Irland westlich in einem Abstand von ungefähr 300 km und reichte bis etwa 800 km westnordwestlich der Nordwestspitze der Iberischen Halbinsel an ein unbenanntes Hochdruckgebiet heran, das zwischen der zu Portugal gehörenden Inselgruppe der Azoren und der Biskaya lag. Die Kaltfront zog sich vom Okklusionspunkt zunächst nach Süden bis Südwesten und machte in ihrem Verlauf einen Bogen, der zunehmend auf Südwest schwenkte. An einem Punkt, der ungefähr auf der gleichen geographischen Breite wie das Ende der zuvor beschriebenen Warmfront lag, aber viel weiter westlich mit einem in etwa gleichen Abstand zu den Azoren und dem Osten der kanadischen Insel Neufundland, ging die Kaltfront in eine Warmfront über. Letztere gehörte zu einem unbenannten Tief auf etwa halbem Wege zwischen den Azoren und Bermuda, ungefähr 1.200 km östlich von Neufundland. Die beschriebene Tatsache, dass neben den Fronten des Tiefs JERRY ein weiteres, unbenanntes Tiefdruckgebiet in der Gegend aktiv war, macht eine genaue Zuordnung von Niederschlagssummen nur zum Tiefdruckgebiet JERRY nahezu unmöglich. Es lässt sich aber sagen, dass besonders auf den Färöer-Inseln, der norwegischen Insel Jan Mayen zwischen dem Festland und Grönland sowie im Bereich der norwegischen Stadt Bergen die höchsten Niederschlagsmengen zusammenkamen, wobei jeweils zumindest ein beträchtlicher Teil der oft im unteren zweistelligen Bereich liegenden Werte, also ungefähr 10 bis 30 Liter pro Quadratmeter, bezogen auf den Zeitraum von 24 Stunden bis zum Morgen des 20. März, auf das Tiefdruckgebiet JERRY zurückzuführen ist. Niederschläge, die zumindest teilweise auf das Tiefdruckgebiet JERRY zurückzuführen sind, die aber meist nur Mengen im einstelligen Bereich brachten, traten unter anderen auf Island und im Norden der Britischen Inseln auf.

Mittlerweile hatte sich die Zyklone JERRY in zwei Teiltiefs aufgespalten. Der Kern JERRY I lag mit einem Kerndruck von unter 965 hPa südöstlich des zentralen Grönland, während JERRY II mit unter 970 hPa zwischen Ostgrönland und der norwegischen Inselgruppe Spitzbergen analysiert wurde. Von letzterem Teiltief ging eine Okklusionsfront aus, die in südöstlicher bis südlicher Richtung über das Europäische Nordmeer führte, die norwegische Westküste ungefähr im Bereich von Bergen streifte und bis zum Okklusionspunkt etwa 200 km westlich der Südspitze Norwegens reichte. Weiter südlich schloss sich zum einen eine Warmfront an, die über die Nordsee und den östlichen Ausgang des Ärmelkanals sowie den Nordwesten Frankreichs bis etwa zur Loiremündung führte. Zum anderen folgte weiter westlich eine Kaltfront, die über die Nordsee, den Norden Großbritanniens und den Norden Irlands reichte und knapp westlich in eine Warmfront überging, die Teil einer verwellten Luftmassengrenze war, die sich über den Nordatlantik in westlicher bis südwestlicher Richtung bis über den Rand des durch die Berliner Wetterkarte abgedeckten Bereiches hinaus in subtropische Regionen des westlichen Nordatlantiks zog. Im Tagesverlauf zog ein Niederschlagsgebiet, das in Verbindung mit der Okklusionsfront des Tiefdruckgebietes JERRY stand, von West nach Ost über die Mitte und den Norden Skandinaviens sowie nach Finnland. Dort und im nördlichen Schweden fiel der zeitweilige Niederschlag hauptsächlich als Schnee mit Mengen von etwa 1 bis 3 l/m² in sechs Stunden bis zum Mittag. In Norwegen wurde mit etwas über 5 l/m² im gleichen Zeitraum Regen registriert. Nachmittags zog das Niederschlagsgebiet unter Abschwächung weiter nach Osten und brachte vor allem in Finnland und Nordwestrussland weiteren Schnee. Dort und in der Mitte sowie im Norden Finnlands herrschte meist leichter Dauerfrost, wobei die südlichste Wetterstation in Finnland, an der die Temperatur nicht über den Gefrierpunkt stieg, sondern nur bis auf -0,1°C, im Ort Multia-Karhila gut 250 km nördlich der Hauptstadt Helsinki lag. Auf einer fast gleichen geographischen Breite war es im schwedischen Hudiksvall, ähnlich weit nördlich von der Hauptstadt Stockholm entfernt, mit einer Höchsttemperatur von 10,2°C deutlich milder. Entsprechend konnte sich in den relativ kalten Gebieten im Osten Fennoskandiens eine Schneedecke bilden bzw. die vorhandene Schneedecke um einige cm erhöhen.

Am 21. März wurde wieder nur ein einziges Zentrum des Tiefdruckgebietes JERRY analysiert, und zwar am Übergang von der Grönlandsee zur Wandelsee nordöstlich von Grönland. Der Kerndruck lag unter 990 hPa, wobei zu beachten ist, dass die Dichte der Wetterstationen in diesen hocharktischen Gebieten sehr gering ist. Genau genommen ist die in der Nähe gelegene Wetterstation der knapp 1.000 km südlich des Nordpols gelegenen Militärbasis Station Nord, an der ein Luftdruck von 990 hPa gemessen wurde, die einzige Wetterstation im Umkreis von Hunderten von Kilometern. Ein Luftbild der Station Nord, das der Verfasser dieser Lebensgeschichte am 1. Mai 2017 gemacht hat, ist angefügt. Vom Zentrum des Tiefdruckgebietes JERRY verlief eine Okklusionsfront in südöstlicher bis südlicher Richtung über die Inselgruppe Spitzbergen, um im norwegisch-russischen Grenzgebiet auf das europäische Festland zu treffen. Südlich von Murmansk, etwa am westlichen Ende der zum Weißen Meer gehörenden Kandalakscha-Bucht, verwellte die Okklusionsfront, das heißt, sie wurde weiter südlich nicht von Westen angeströmt, womit es einen Zusammenhang zum Tief JERRY gab, sondern wurde von Osten angeströmt, was für eine kleinräumige Neubildung eines Tiefdruckwirbels nördlich von Sankt

Im von der Okklusionsfront des Tiefdruckgebietes JERRY beeinflussten Gebiet schneite es zeitweise leicht, gelegentlich mit stärkerer Intensität. Da aber gleichzeitig der Schnee zum Beispiel an einigen Wetterstationen in Nordfinnland zusammensackte oder verweht wurde, waren die Niederschlagsmengen in l/m² im meist niedrigen einstelligen Bereich kaum anhand der Schneehöhen vom Morgen des 22. März im Vergleich zu denen des Vortages zu sehen, eher verringerte sich die meist etwa 50 bis 100 cm messende Schneehöhe geringfügig.

Mittlerweile hatte sich das Tiefdruckgebiet JERRY bis zu einer Position südwestlich von Spitzbergen verlagert, bei der der Kerndruck unter 980 hPa lag. Von dort verlief eine Okklusionsfront mit ähnlichem Verlauf wie am Vortag über die Barentssee, um nördlich des Nordkaps zu verwellen. Besonders anfangs schneite es infolgedessen gelegentlich auf Spitzbergen sowie an der norwegischen Nordküste und in einigen Gebieten des äußersten Nordwestens von Russland.

Am 23. März, dem Welttag der Meteorologie, war das Tiefdruckgebiet JERRY zum letzten Mal als eigenes Druckgebilde auf der Berliner Wetterkarte nordöstlich von Spitzbergen mit unter 980 hPa Kerndruck zu erkennen. Von dort erstreckte sich eine Okklusionsfront in östlicher bis südöstlicher Richtung, das russische Franz-Josef-Land südlich passierend und die nördliche Insel der russischen Doppelinsel Nowaja Semlja überquerend, und weiter nach Südosten bis Süden bis zum russischen Festland nordwestlich des Urals. In den nächsten Tagen folgte das Tiefdruckgebiet KARSTEN im äußersten Nordosten Europas.