Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet JOACHIM
(getauft am 14.12.2011)
Mitte Dezember lag eine ausgeprägte Westwindzone über dem
Nordatlantik, die von Kanadas östlichsten Provinzen bis nach Mitteleuropa reichte.
Südlich von Neufundland befand sich ein Trog, ein Vorstoß der kalten Luftmasse
nach Süden. Auf der Vorderseite dieses Trogs entstand am 14. Dezember ein
Tiefdruckgebiet, das mit der Westwindströmung schnell nach Europa zu ziehen
schien. Daher wurde es in den Prognosekarten für den Folgetag auf den Namen
JOACHIM getauft.
Am Morgen des 15. Dezember befand sich das Zentrum von
Tief JOACHIM mit einem Luftdruck von ca. 1010 hPa nördlich der Azoren über dem
Nordatlantik. Auf der Vorderseite der Zyklone erstreckte sich eine Warmfront
nach Süden und schloss auf halber Strecke zwischen der Insel Madeira und den
Azoren an ein voranlaufendes Tief an. Die Kaltfront reichte auf der Rückseite
des Wirbels einige Hundert Kilometer nach Westen und schloss ebenfalls an ein
nachfolgendes Tief an. Im Bereich der Warmfront kam es vermehrt zu leichtem
Regen auf den Inseln und nachfolgend gab es beim Durchzug der Kaltfront
vereinzelte Regenschauer.
Bis zum Morgen des 16. Dezember zog der Wirbel mit der
Höhenströmung, die in etwa 5,5 km Höhe über Meereshöhe verläuft, weiter nach
Westen und lag gegen 01 Uhr mitteleuropäischer Zeit über dem Ärmelkanal. Dabei
hatte sich Tief JOACHIM verstärkt und wies nun einen Kerndruck von 985 hPa auf.
Die Warmfront reichte vom Zentrum nach Südosten über Frankreich bis in das
Rhönetal. Die Kaltfront zog sich dagegen nach Westen hinaus auf den
Nordatlantik, wo sie an ein nachfolgendes Tief anschloss. Bereits am Morgen
gegen 07 Uhr griff das Windfeld des Orkantiefs auf Teile Deutschlands über und
im Schwarzwald auf dem Feldberg wurden Orkanböen von bis zu 122 km/h gemessen.
Hinzu kamen kräftige Regenfälle, die entlang des Rheins innerhalb von 12
Stunden zu Niederschlagssummen zwischen 10 und über 30 Liter pro Quadratmeter
sorgten. Das Maximum mit 35 l/m² wurde ebenfalls im Hochschwarzwald gemessen.
Bis zum Mittag zog Orkantief JOACHIM unter Verstärkung
weiter nach Osten und lag gegen 13 Uhr mitteleuropäischer Zeit mit einem
Kerndruck von
964 hPa über dem Raum Hannover. Dabei hatte sich um den Kern sowohl eine
vorderseitige, als auch eine rückseitige Okklusion ausgebildet, eine Mischfront
mit Warm- sowie Kaltfrontcharakter. Die rückläufige Okklusion reichte bis an
die Grenze zu den Niederlanden, die Okklusion auf der Vorderseite dagegen etwa
bis zum Harz, wo sie sich am sogenannten Okklusionspunkt in wieder in Warm- und
Kaltfront teilte. Von dort verlief die Warmfront nach Südosten über das
Fichtelgebirge bis zum Bayrischen Wald und die Kaltfront nach Südwesten über
die Pfalz bis nach Frankreich.
Während nun fast deutschlandweit auch im Flachland der
Wind mehr als 50 km/h erreichte, stürmte es auf den Gipfeln des Harzes, der
Pfalz, des Schwarzwaldes und der Nordalpen mit Böen von über 130 km/h. Im
Hochschwarzwald wurden Windspitzen bis 167 km/h verzeichnet. Auch im
10-minütigen Mittel erreichte der Wind dort Werte von fast 100 km/h. In den
höheren Lagen und im Norden Deutschlands mischte sich nun auch langsam Schnee
unter den Regen.
Im Bereich des Warmluftsektors, d.h. der Bereich zwischen
Kalt- und Warmfront, über dem Osten Deutschlands wurden am späten Nachmittag
kurzzeitig Werte von etwa 10°C erreicht. Während gegen 18 Uhr in Sachsen
Temperaturen um 9°C herrschten, wurden auf der Rückseite der Kaltfront in
Südthüringen bereits Werte um 0°C gemessen. Der Wind erreichte nun in Mittel-
und Süddeutschland flächendeckend Böen der Stärke 8 bis 9, zum Teil auch der
Stärke 10. Auf den Gipfeln wurden weiterhin Böen bis 130 km/h, vereinzelt bis
170 km/h gemessen. Nahe des Kerns und entlang der Warmfront kam es weiterhin zu
flächendeckendem Niederschlag mit Regenmengen von durchschnittlich 15 bis 20
l/m² innerhalb von 12 Stunden. Die größten Tagesmaxima wurden erneut im
Schwarzwald gemessen, wo in diesem Zeitraum örtlich bis zu 50 l/m² fielen.
Besonders im Norden, auf der kühleren Vorderseite der Warmfront wurde nun
vermehrt Schnee registriert, während nahe der Kaltfront sogar vereinzelt
Gewitter gemeldet wurden.
Am 17. Dezember gegen 01 Uhr mitteleuropäischer Zeit lag
das Zentrum von Tief JOACHIM mit einem Kerndruck von ca. 970 hPa an der
polnischen Ostseeküste nahe Danzig. Vom Kern ausgehend verlief eine Okklusion
etwa 100 km nach Osten und teilte sich dort in eine Warm- und Kaltfront auf.
Die Warmfront reichte nach Südosten bis an die ukrainische Grenze, während die
Kaltfront nach Süden über Warschau bis nach nahe Krakau verlief und dort an ein
nachfolgendes Tief anschloss. Dabei wurde nochmals leichter bis mäßiger
Niederschlag mit Mengen von 5 bis 8 l/m² innerhalb von 12 Stunden gemessen.
Bis zum Morgen des Folgetages verlagerte sich der Wirbel
entlang der Höhenströmung weiter nach Nordosten, wobei der Okklusionsprozess
weiter fortschritt. Vom Zentrum, das sich östlich von Stockholm über der Ostsee
befand, verlief eine Okklusion in einem Bogen nördlich um den Kern und dann
nach Süden über das Baltikum und Weißrussland bis zum Okklusionspunkt über der
Ukraine. Von dort verlief die Warmfront nach Süden über die Halbinsel Krim und
das Schwarze Meer bis an die türkische Küste. Die Kaltfront erstreckte sich
nach Südwesten und schloss vor der bulgarischen Küste an ein anderes Tief an.
Besonders entlang der Okklusion wurden verbreitet Regenschauer registriert.
Am 19. Dezember gegen 01 Uhr mitteleuropäischer Zeit
hatte das Tiefdruckgebiet JOACHIM seine Struktur stark verändert. Der Kern lag
mit einem Druck von 985 hPa vor der finnischen Südküste. Eine Okklusion verlief
vom Zentrum etwa 100 km nach Norden. Die anschließende Warmfront verlief weiter
nordwärts über den Bottnischen Meerbusen und Lappland bis zur Halbinsel Kola,
während die Kaltfront nach Osten über Finnland nach Russland verlief. Über
Russland zog sie sich in einem Bogen nach Süden über Moskau bis zum Schwarzen
Meer in den Raum der Don-Mündung. Nahe der Kaltfront wurde bei Temperaturen im
einstelligen Minusbereich häufig Schneefall gemeldet, während es nahe des Kerns
und entlang der Warmfront bei Temperaturen um den Gefrierpunkt regnete.
Im Tagesverlauf zog der Wirbel unter fortschreitendem
Okklusionsprozess langsam nach Norden und lag am frühen Morgen des 20. Dezember
über dem Bottnischen Meerbusen. Vom Kern verlief eine Okklusion nach Nordosten
bis zu einem weiteren Kern nahe der nordrussischen Hafenstadt Murmansk und dann
weiter nach Osten bis nach Vorkuta in der russischen Polarregion am Nordural.
Von dort verlief sie nach Süden entlang des Urals und änderte den Charakter in
den einer Kaltfront. Südwestlich von Perm am Zentralural schloss sie dann an
eine Warmfront eines südlich gelegenen Tiefs an. Besonders nahe des zweiten
Kerns wurde vermehrt mäßiger bis starker Schneefall gemeldet, doch auch im
Bereich der Okklusion wurde noch vereinzelt Regen- oder Schneeschauer
registriert.
Bis zum 21. Dezember gegen 01 Uhr mitteleuropäischer Zeit
lag das Zentrum von Tief JOACHIM mit einem Druck von etwa 1000 hPa nördlich der
Halbinsel KOLA über dem Polarmeer. Vom Kern verlief eine Okklusion nach Osten
über die Inselgruppe Novaja Semlja weiter nach Sibirien. Im Tagesverlauf
verließ das Tiefdruckgebiet den Vorhersageraum Richtung Osten, daher wurde Tief
JOACHIM am 22. Dezember nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte geführt.
Geschrieben am
21.01.2012 von Benjamin Siebert
Berliner
Wetterkarte: 16.12.2011
Pate: Joachim Weber