Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet JODOCUS
(getauft am 11.05.2021)
Am 11. Mai 2021 wurde ein Tiefdruckgebiet, das sich
am Folgetag an der nordwestfranzösischen Biskaya Küste bilden sollte, von den
Meteorologen der Berliner Wetterkarte auf den Namen JODOCUS getauft.
Am 12. Mai entwickelte sich in Folge eines
Kurzwellentroges am Rand eines Höhentiefs über den Britischen Inseln das
Tiefdruckgebiet JODOCUS zwar planmäßig über der Biskaya, wenn auch weiter
südwestlich im Vergleich zur zum Zeitpunkt der Taufe prognostizierten Position,
nämlich etwa 300 km nordnordwestlich der Nordwestspitze der Iberischen
Halbinsel. Dort betrug der Kerndruck weniger als 1010 hPa. Vom Zentrum des
Tiefs JODOCUS ging einerseits eine Okklusionsfront, also eine Mischfront mit
Warm- und Kaltfronteigenschaften, in einem Bogen über den Nordwesten der
Iberischen Halbinsel aus, die ungefähr 250 km westlich der portugiesischen
Hauptstadt Lissabon am Okklusionspunkt endete. Dort liefen eine Warmfront und
eine Kaltfront wie an einem Reißverschluss zusammen. Die Warmfront führte in
südwestlicher Richtung bis etwa 500 km nordöstlich der zu Portugal gehörenden
Inselgruppe Madeira, während die Kaltfront mehr in westsüdwestlicher Richtung
verlief und ungefähr 200 km südlich der ebenfalls portugiesischen Azoren in
eine Warmfront überging, die rund 1000 km weiter auf den Atlantik
hinausreichte. Andererseits führte eine weitere Okklusionsfront vom Zentrum des
Wirbels JODOCUS nach Südwesten bis zu einem Punkt etwa 700 km nordwestlich von
Lissabon. Bis zum Mittag regnete es im Zusammenhang mit dem Tiefdruckgebiet
JODOCUS vor allem von Südwestengland über den Nordwesten Frankreichs bis nach
Nordspanien. In Ploudalmézeau im Nordwesten des bretonischen Festlandes kamen
6-stündig 19 l/m² Niederschlag zusammen. Auf der westlich vorgelagerten Insel
Ouessant fielen 18 l/m². In Spanien verzeichneten die Flughäfen Bilbao und
Santander vormittags jeweils Sturmböen von 81 km/h bzw. 76 km/h. An der 1.427 m
hoch gelegenen Wetterstation Iraty Orgambide auf der französischen Seite der
Pyrenäen kam es mit 96 km/h sogar zu schweren Sturmböen. Im nordostbretonischen
Quintenic summierte sich der Niederschlag bis zum Abend 6-stündig auf 12 l/m²,
während in Ploudalmézeau 4 l/m² dazukamen. An den südwestenglischen
Wetterstationen North Wyke in South Tawton in Devon und Liscombe bei Dulverton
in West Somerset fielen jeweils 10 l/m². Nach ohnehin schon als eher kühl zu
bezeichnender Witterung am Vortag, als Cardinham im südwestenglischen Cornwall
auf eine Höchsttemperatur von 12°C kam, war es am 12. Mai unter den Regenwolken
des Tiefdruckgebietes JODOCUS noch kühler, und so kam Cardinham gerade einmal
auf 10°C. Zum Vergleich: Im nordfranzösischen Dieppe stieg die Temperatur vor
dem Regen des Tiefs JODOCUS auf 17°C und im Raum London wurden, beispielsweise
am Flughafen Heathrow, bis zu 18°C erreicht. Im Westen der Bretagne, der abends
hinter dem Haupt-Regengebiet des Wirbels JODOCUS lag, war unter anderen in
Brest aber bei 12°C das Maximum der Temperatur erreicht. In der ersten Nachthälfte
zeigten sich zwei Niederschlagsschwerpunkte, die das nach Nordosten ziehende
Tiefdruckgebiet JODOCUS mit sich brachte. Zum einen wurden in Südwestengland,
und zwar am Dunkeswell Airport in Devon, wo übrigens neben zeitweiligem Regen
auch Schneeregen beobachtet wurde, und in Liscombe 6-stündig jeweils 18 l/m²
gemessen. Zum anderen kamen das nordfranzösische Alençon in der Normandie auf
14 l/m² und das westlich gelegene Le Horps in der Region Pays de la Loire auf
13 l/m². La Hague, etwa in der Mitte der beiden erwähnten
Niederschlagsschwerpunkte an der normannischen Kanalküste gelegen, verzeichnete
12 l/m². Zwischen den genannten Wetterstationen waren die Niederschlagsmengen
im Vergleichszeitraum einstellig. In der zweiten Nachthälfte, also bis zum
Morgen des 13. Mai, kamen in Liscombe weitere 17 l/m² Niederschlag zusammen, wo
mit 35 l/m² in 12 Stunden sowie 45 l/m² in 24 Stunden auch der Schwerpunkt der
Niederschläge in größeren Zeiträumen lag. Weit abseits dieser Region, nämlich
im zentralen bis südlichen Frankreich, brachte das Tiefdruckgebiet mit dem
Durchgang der Front und auf deren Rückseite nun die höchsten Böen. In Les
Sauvages in 831 m Höhe in der Region Auvergne-Rhône-Alpes traten Sturmböen bis
81 km/h auf, auf dem Mont Aigoual in 1.567 m Höhe gab es Orkanböen bis 126
km/h, aber auch im okzitanischen Leucate an der Mittelmeerküste in 50 m Höhe
wurden Sturmböen, dort bis 85 km/h, gemessen.
Am Morgen des 13. Mai lag das Zentrum des
Tiefdruckgebietes JODOCUS mit einem Kerndruck von unter 1010 hPa über dem
Ärmelkanal. Von dort verlief eine Okklusionsfront nach Südosten bis Süden bis
zum südlichen Frankreich. Ein Niederschlagsschwerpunkt bei den 6-stündigen
Mengen bis zum Mittag war der Dunkeswell Airport in England mit 12 l/m². Die
gleiche Menge kam jeweils im westfranzösischen Quimper in der Bretagne und in
Stetten in der Schweiz im Kanton Aargau zusammen. Auf der Mittagskarte der
Berliner Wetterkarte sind zwei Teiltiefs, JODOCUS I über Ostengland und JODOCUS
II etwa über Nordhessen und dem südlichen Nordrhein-Westfalen, zu sehen, die
beide durch eine Okklusionsfront verbunden waren. Vom Teiltief JODOCUS II
reichte eine Okklusionsfront nach Südosten bis nach Franken. Neben teils
schauerartigem Regen brachten die Teiltiefs JODOCUS I und II im westlichen und
zentralen Europa mancherorts Gewitter und, wie um die Mittagszeit im
baden-württembergischen Laupheim, Hagel- oder Graupelschauer. In 12 Stunden bis
zum Abend kamen im belgischen Retie in der Region Flandern 29 l/m² Niederschlag
zusammen. Im niederländischen Cabauw fielen 27 l/m². Im genannten Zeitraum
verzeichnete der Dunkeswell Airport 20 l/m², so dass ab dem Mittag in den
folgenden 6 Stunden 8 l/m² Niederschlag zusammenkamen. In St. Gallen im
Nordosten der Schweiz fielen bis zum Abend 12-stündig recht isoliert 19 l/m²,
wogegen beispielsweise am nahegelegenen Flugplatz Altenrhein am Bodensee knapp
1 l/m² registriert wurde. An den nordfranzösischen Wetterstationen Livry
(Calvados) und Gouville sur Mer, beide in der Normandie gelegen, traten jeweils
Böen bis Stärke 8, also stürmische Böen, auf. In der ersten Nachthälfte wurden
im südwestenglischen Okehampton in Devon 13 l/m² und im zentral gelegenen
Bedford etwa 75 km nördlich der Hauptstadt London 11 l/m² gemessen. Auch auf
dem europäischen Festland gab es im Zusammenhang mit dem Tief JODOCUS
stellenweise zweistellige Niederschlagsmengen in der ersten Nachthälfte, so in
Nordrhein-Westfalen in Bocholt-Liedern (Wasserwerk) 13 l/m² und in Essen 12
l/m², außerdem in Bayern in Itzgrund-Herreth in Oberfranken 14 l/m². Dort, wo
der Niederschlag nachließ, bildete sich gebietsweise Nebel, so in Teilen von
Belgien und im Süden der Niederlande. In der zweiten Nachthälfte wurden
6-stündig einstellige Niederschlagssummen von England und Frankreich bis in den
Westen Deutschlands gemessen.
Am 14. Mai war das Tiefdruckgebiet JODOCUS zum
letzten Mal als eigenes Druckgebilde auf der Berliner Wetterkarte zu erkennen.
Es lag mit seinem Zentrum, in dem ein Kerndruck von unter 1010 hPa herrschte,
etwas weiter östlich als am Vortag über dem Ärmelkanal. Von dort verlief eine
Okklusionsfront im Uhrzeigersinn zunächst nach Süden bis Westen über
Nordfrankreich, um den Ärmelkanal westlich des Kerns des Tiefs JODOCUS nach
Norden zu überqueren. Den Südwesten Englands streifend, zog sich die
Okklusionsfront in nordöstlicher bis östlicher Richtung und führte über die
südwestliche Nordsee und die Niederlande bis nach Deutschland, wo sie nach
Südosten bis etwa in die Mitte des Landes analysiert wurde. In der belgischen
Hauptstadt Brüssel kamen bis zum Mittag 6-stündig 12 l/m² Niederschlag
zusammen, der bis zum Abend, neben Regenschauern nun auch aus Gewittern
bestehend, weitere 4 l/m² brachte. Auf der Mittagskarte der Berliner
Wetterkarte ist passend dazu das Zentrum des Tiefdruckgebietes JODOCUS etwas
südöstlich von Brüssel zu sehen. In den nächsten Tagen folgte in Mitteleuropa
das Tiefdruckgebiet LOTHAR von Westen, wodurch der wechselhafte Wettercharakter
dort erhalten blieb.