Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet JÖRN
(getauft am 06.06.2017)
Am 6. Juni 2017 wurde ein Tiefdruckgebiet über dem
westlichen Nordatlantik auf den Namen JÖRN getauft. Es hatte sich im
Zusammenhang mit einem auch als Kaltlufttropfen bezeichneten Höhentief gebildet
und lag mit einem Kerndruck von unter 1000 hPa etwa 700 km östlich der zu
Kanada gehörenden Insel Neufundland. Vom Kern des Wirbels JÖRN ging eine
Okklusionsfront, also eine Mischfront mit Warm- und Kaltfronteigenschaften aus,
die bis zum Okklusionspunkt reichte, der sich ungefähr auf halbem Wege zwischen
den Azoren und der Südspitze Grönlands befand. Am Okklusionspunkt treffen Warm-
und Kaltfront aufeinander und überlagern sich. Die Warmfront verlief in
südöstlicher bis südlicher Richtung bis knapp nördlich der Azoren, um dann etwa
300 km östlich der portugiesischen Inselgruppe in eine Kaltfront überzugehen,
die zum Tief INGRABAN über den Britischen Inseln gehörte. Westlich der
Warmfront folgte eine Kaltfront, die bogenförmig östlich und südlich des
Zentrums des Tiefdruckgebietes JÖRN verlief und letztendlich südlich davon in
eine Warmfront überging, die über das von der Berliner Wetterkarte abgedeckte
Gebiet südwestlich hinaus in Richtung der Bermuda-Inseln reichte. Die von
Westen heranziehenden Wolken des Tiefdruckgebietes JÖRN machten sich auf den
Azoren bemerkbar, indem sie die Sonnenscheindauer auf meist 4 bis 5 Stunden
beschränkten. Lediglich im Osten an der Wetterstation Santa Maria schien die
Sonne 9 Stunden lang.
Am Morgen des 7. Juni hatte sich der Kern des Tiefs
JÖRN etwa bis zu der Position des Okklusionspunktes vom Vortag bewegt und auf
einen Luftdruck von unter 995 hPa verstärkt. Nun ging eine Okklusionsfront bis
ungefähr 1000 km westlich der Südwestspitze Irlands aus, wo sich der Okklusionspunkt
befand. An ihm trafen eine bis etwa 250 km westlich der galicischen Küste
reichende Warmfront und eine Kaltfront zusammen, die sich ähnlich zum Vortag
bogenförmig östlich und südlich des Kerns des Tiefdruckgebietes JÖRN befand,
knapp nordwestlich der Azoren verlief und südsüdwestlich des Zentrums des Tiefs
JÖRN in eine Warmfront überging. Diese setzte sich als verwellte
Luftmassengrenze wiederum bis über den südwestlichen Rand des von der Berliner
Wetterkarte abgedeckten Gebietes hinaus fort. Auf den Azoren machten sich die
Annäherung und der Durchzug der Fronten des Tiefdruckgebietes JÖRN durch
auffrischenden Wind bemerkbar, der vormittags an der Wetterstation Lajes Böen
bis Stärke 7 erreichte.
Bis zum Morgen des Folgetages summierte sich der
Niederschlag in Folge der vor allem auf den Britischen Inseln aufgekommenen
Regenfälle im walisischen Capel Curig auf 32 l/m² innerhalb
von 24 Stunden, wobei dort vom Abend des 7. Juni bis zum Morgen des 8. Juni fast
durchgehend Regen oder Sprühregen mit stündlichen Mengen von 1 bis 5 l/m²
registriert wurde. Das Zentrum des Tiefdruckgebietes JÖRN, welches weiterhin
einen Kerndruck von unter 995 hPa aufwies, hatte sich derweil erneut bis
ungefähr zur Lage des Okklusionspunktes verlagert. Nun wurde einerseits eine
Okklusionsfront in westlicher Richtung bis etwa 800 km südlich der Südspitze
von Grönland analysiert, andererseits führte eine Okklusionsfront in östlicher
bis nordöstlicher Richtung bis zum Okklusionspunkt im Bereich des Nordkanals,
der Schottland und Nordirland trennt. Von dort reichte eine Warmfront über
England und den Ärmelkanal bis nach Paris. Die westlich der Warmfront folgende
Kaltfront ging bereits über der Irischen See zwischen der Isle of Man und der
Ostküste Irlands im Raum Dublin in eine weitere Warmfront über, die zu einem
Wellentief an der Südspitze Irlands gehörte. Zunächst fiel auf den Britischen
Inseln weiterer, teils kräftiger und in Irland stellenweise mit Gewittern und
Hagel durchsetzter Regen, ab dem Abend bildeten sich aber auch über dem Norden
Spaniens und über Westfrankreich mitunter ergiebige Schauer und Gewitter, ehe
sich nachts, neben weiterem, teils schauerartigem Regen über den Britischen
Inseln, die Niederschlagstätigkeit mit gewittrigem Regen in die Benelux-Länder
und zum Morgen in den Nordwesten Deutschlands verlagerte.
Beispielhaft seien hier die 24-stündigen
Niederschlagsmengen einiger Orte in den genannten Gebieten bis zum Morgen des
9. Juni aufgezählt. Im nordspanischen Sos del Rey Catolico fielen 17 l/m²,
Saunay im nordwestlichen Zentralfrankreich kam auf 22 l/m², während Magnanville
im Norden des Landes mit 43 l/m² ungefähr doppelt so viel Niederschlag
verzeichnete. Das nordirische Lough Fea registrierte 38 l/m², im schottischen
Eskaldemuir wurden 29 l/m² gemessen und in Deutschland war Husum in
Schleswig-Holstein mit 9 l/m² der nasseste Ort. Die Wetterstation List-Ellenbogen
auf Sylt registrierte, ebenso wie die belgische Wetterstation Stabroek, Spitzenböen
der Stärke 10, was schweren Sturmböen entspricht. Im französischen Limoges gab
es einzelne Orkanböen, was Stärke 12 auf der Beaufortskala bedeutet.
Mittlerweile hatten sich zwei Kerne des Tiefs JÖRN in einem gemeinsamen Bereich
mit einem Luftdruck von unter 1000 hPa gebildet. Das Teiltief JÖRN I befand
sich ungefähr 600 km westlich von Irland, während das Teiltief JÖRN II über dem
Osten Schottlands lag. Beide Teiltiefs waren durch eine Okklusionsfront
miteinander verbunden, wobei sich östlich des Teiltiefs JÖRN II der
Okklusionspunkt befand, an dem eine über die nördliche Nordsee, Dänemark und
Rügen bis in den Nordwesten Polens verlaufende Warmfront auf eine Kaltfront
traf. Letztere führte über die Nordsee bis zur Küste im belgisch-französischen
Grenzgebiet und erstreckte sich weiter über Frankreich und die Biskaya sowie
den Nordwesten Spaniens bis etwa 500 km westlich der portugiesischen Küste auf
Höhe Lissabons. Durch Mitteleuropa zogen mächtige Wolken mit teils schauerartigem
und gewittrigem Regen, hinter denen es von Westen auflockerte und teils
aufklarte. Lag die Höchsttemperatur am Vortag im Raum Paris noch bei rund 27°C,
war es dort nun mit maximal um 23°C deutlich kühler und weniger schwül. Am
Berliner Insulaner wurde mit 30,4°C am 9. Juni ein offizieller Heißer Tag nach
meteorologischer Definition erreicht, da die Höchsttemperatur über 30°C lag. Dagegen
war die Höchsttemperatur am in 649 m Höhe gelegenen Schneifelforsthaus in
Rheinland-Pfalz und in List auf Sylt mit jeweils 16,4°C sogar noch leicht unter
der des Brockens in 1153 m Höhe, wo 16,6°C gemessen wurden. Nachts bildete sich
in der Mitte und im Süden sowie im äußersten Norden Deutschlands in feuchter
und eher kalter Luft gebietsweise Nebel. In Kalterherberg wurde mit einer
Tiefsttemperatur von -1,0°C in 5 cm Höhe über dem Boden in der Nacht zum 10.
Juni sogar noch leichter Bodenfrost gemessen.
In Höheischweiler in Rheinland-Pfalz summierte sich
der Niederschlag bis zum Morgen des 10. Juni auf 27 l/m² auf, aus den
niederländischen Orten Leeuwarden und Voorschoten wurden jeweils 21 l/m²
gemeldet und in Weesby im Norden Schleswig-Holsteins
kamen 48 l/m² zusammen. Wenig weiter südöstlich fiel mit 6 bis 7 l/m² deutlich
weniger, was dem konvektiven Charakter der Niederschläge, also dem eng
begrenzten Auftreten kräftiger Schauer und Gewitter, aber auch immer einer gewissen
Meßunsicherheit bei entsprechend böigem Wind geschuldet ist. Im ebenfalls in
Schleswig-Holstein gelegenen Dörnick erreichte der Wind Spitzenböen von 10
Beaufort. Im Bezug auf den Niederschlag verzeichneten zwei südnorwegische Orte
Mengen von jeweils über 50 l/m², nämlich 51 l/m² in Konnerud und 53 l/m² in
Asker. Der Grund dafür wird beim Blick auf die Lage des Tiefdruckgebietes JÖRN
am Morgen des 10. Juni, nun wieder mit einem einzigen Zentrum, deutlich. Dieses
lag mit einem Kerndruck von unter 1005 hPa zwischen Norddänemark und
Südnorwegen. Die Lage am Oslofjord begünstigte in den genannten Wetterstationen
den Niederschlag in Norwegen durch das erleichterte Abregnen der über das
Wasser geführten feuchten Luftmassen. Vom Zentrum des Tiefdruckgebietes JÖRN
ging zum einen eine Okklusionsfront in nordwestlicher Richtung aus, die etwa
400 km auf das Europäische Nordmeer hinausführte. Zum anderen schloß sich eine
Kaltfront an, die über Südschweden, die Ostsee, den Osten und Süden
Deutschlands und die Schweiz bis nach Südwestfrankreich reichte, wo sie über
dem Norden Spaniens in eine Warmfront überging. Vom nördlichen Polen bis zu den
Ostalpen bildete sich zudem eine vorlaufende Konvergenzlinie aus, an der die
zusammenströmende Luft für eine Aufwärtsbewegung in der Atmosphäre und somit
die Bildung von Wolken mit Schauern und Gewittern sorgte. So fielen
beispielsweise innerhalb von 6 Stunden bis 12 Uhr UTC im tschechischen Ostrava
16 l/ m². Am Berliner Insulaner wurde mit einer Höchsttemperatur von 24,7°C ein
Sommertag nach meteorologischer Definition knapp verpaßt, insgesamt lag die
Höchsttemperatur hinter der Kaltfront des Tiefs JÖRN oft mehr oder weniger deutlich
unter der des Vortages. Dies war unter anderem auch an einer Differenz von 4,8
Grad in Danzig zu sehen, wo nur noch 20,1°C erreichten wurden, während der
Vortag noch maximale 24,9°C brachte.
Bis zum Morgen des 11. Juni kamen im slowakischen
Strbske Pleso 34 l/m², sowie 20 l/m² im ostschwedischen Hammarby-Gästrike
zusammen. An diesem Tag war das Tiefdruckgebiet JÖRN zum letzten Mal als
eigenständiges Druckgebilde auf der Berliner Wetterkarte verzeichnet. Es lag
mit seinem Zentrum über dem Bottnischen Meerbusen, von wo aus sich eine
Okklusionsfront über Finnland, den Finnischen Meerbusen und das Baltikum sowie
den Westen Weißrusslands und der Ukraine bis ins nordwestliche Rumänien zog.
Nachfolgend erreichte das Tiefdruckgebiet KARL den Nordosten Europas und
übernahm die wetterbestimmende Rolle.
Geschrieben am 25.07.2017 von Heiko Wiese
Berliner Wetterkarte: 09.06.2017
Pate: Petra Meyer