Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
JOHANNES
(getauft am
31.01.2011)
Der
Ausgleich von Temperaturunterschieden zwischen Polargebieten und tropischen
Gefilden erfolgt hauptsächlich durch die Tiefdruckgebiete der Westwindzone in
den mittleren Breiten. Sie bilden sich daher bevorzugt, wenn kalte und warme
Luftmassen aufeinandertreffen. Das Gebiet um Neufundland ist dafür
prädestiniert, dass kalte Luftmassen arktischen Ursprungs von Kanada, auf vom
Golfstrom erwärmte Meeresluft treffen. So geschah es am 29.01.2011, dass sich
südlich von Neufundland aus der Höhenströmung heraus ein neues Tiefdruckgebiet
bildete. Unter stetiger Intensivierung zog es entlang der Atlantikküste
Nordamerikas nordostwärts in Richtung Island. Der Wind wehte dabei entgegen dem
Uhrzeigesinn um das Tiefzentrum und führte so auf seiner Vorderseite warme subtropische
Luftmassen nach Norden und auf der Rückseite kalte polare Luftmassen nach
Süden. Die Übergangsbereiche zwischen den Luftmassen werden Warm- bzw.
Kaltfront genannt.
Als
sich am 31.01. das Tiefdruckgebiet vor der Südspitze Grönlands befand, wurde es
auf den Namen JOHANNES getauft und war am gleichen Tag das erste Mal unter
diesem Namen auf der Wetterkarte zu sehen. Inzwischen waren Warm- und Kaltfront
deutlich ausgeprägt, wobei schon erste Ausläufer der Warmfront Westeuropa
erreichten und in Irland für Regen und Sprühregen sorgten. In Valentia fielen
dabei an diesem Tag 6 mm Regen in 24h. Auch das Tiefzentrum hatte mit einem
Kerndruck von 977 hPa einen für Tiefdruckgebiete durchaus üblichen Wert. Noch
zwei Tage zuvor, zu Beginn seiner Entstehung lag der Druck bei 1007 hPa.
Einen
Tag später, am 01.02., befand sich das Zentrum von JOHANNES um 01 Uhr MEZ
direkt über Island. Bei einem Kerndruck von nur noch 968 hPa hatte das Tief den
Höhepunkt seiner Entwicklung erreicht. Seine Warm- und Kaltfront waren zu
diesem Zeitpunkt schon vom Zentrum bis kurz vor die Norwegische Küste
okkludiert (Mischfront, mit Warm- und Kaltfronteigenschaften), von hier reichte
die Warmfront bis zum Baltikum und die Kaltfront bis südwestlich von Irland.
Die „grüne Insel“ konnte ihrem Image vom wechselhaften Wetter wieder einmal
gerecht werden, denn nachdem am Vortag die Warmfront über die Insel hinweg zog,
führte nach einer kurzen Regenpause die Kaltfront am 01.02. erneut
Niederschläge heran. Dabei lag die Höchsttemperatur in Dublin bei 11°C.
Am
02.02. griffen die Ausläufer der Kaltfront schließlich auch auf Deutschland
über. Jedoch kam es in Bodennähe anstelle einer weiteren Abkühlung mit
Durchgang der Kaltfront zu einer Erwärmung. Diese sogenannte maskierte
Kaltfront räumte die in den unteren Luftschichten vorhandene, unter
Hochdruckeinfluss abgekühlte, polare Luftmasse aus und führt eine etwas mildere
Meeresluftmasse heran, die ebenfalls polaren Ursprungs war (in größeren Höhen
wurde jedoch wirklich wärmere durch kältere Luft ersetzt). Damit kam es in
Berlin-Dahlem über Nacht zu einer Erwärmung von 5 K, sodass an diesem
Mittwochmittag wieder knapp über 0°C gemessen wurden. Je weiter die Front nach
Osten vorankam, umso mehr nahmen die Niederschlagsmengen ab. Während in
Düsseldorf am 02.02. 4 mm Regen fielen, gab es in Berlin lediglich 0,1 mm
Niederschlag, der aufgrund des bis dahin noch herrschenden Frostes als Schnee
fiel.
So,
wie sich die Kaltfront über Deutschland abschwächte, verlor das gesamte
Tiefdruckgebiet JOHANNES an Intensität. Seitdem sein Zentrum Island überquert
hatte, schwächte sich die Höhenströmung ab. Damit fehlte der entscheidende
Antrieb für das weitere, dauerhafte Bestehen als Tiefdruckgebiet. Da jetzt im
Kern des Tiefs mehr Luft zusammenströmte, als von der Höhenströmung „abgesaugt“
wurde, stieg der Druck wieder an. Als JOHANNES mit seinem Zentrum in der Nacht
zum 03.02. östlich von Finnland lag, betrug sein Kerndruck 996 hPa und damit
knapp 30 hPa mehr, als noch 2 Tage zuvor. Dieser schnelle Druckanstieg war ein
deutliches Zeichen für die bevorstehende Auflösung des Tiefs, jedoch konnte
sich JOHANNES noch weitere 2 Tage auf der Wetterkarte behaupten. So sorgte er
während dieser Zeit in Westsibirien für leichten Schneefall bzw. örtliche
Schneeschauer bei Temperaturen zwischen -10°C in Wolgograd und bis zu -30°C im
nördlichen Ural. Nachdem der Kerndruck weiterhin stetig gestiegen war, löste
sich JOHANNES am 05.02., nach 8 Tagen und über 8000 km Wegstrecke, vollständig
auf und war damit in diesem Tag das letzte Mal auf der Wetterkarte zu sehen.
Geschrieben
am 25.02.2011 von Thomas Schubert
Berliner
Wetterkarte: 01.02.2011
Pate:
Johannes Leder