Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet JOLLE
(getauft am 25.01.2013)
Ende Januar bildete sich auf der Vorderseite eines
Tiefdrucktroges, d.h. eines Kaltluftvorstoßes nach Süden, in einer kräftigen
Höhenströmung im 500 hPa-Niveau, das einer Höhe von ca. 5,5 km entspricht,
eine Frontalwelle aus. Als Frontalwellen werden wellenförmig deformierte
Bodenfronten ohne eigenständige Zirkulation bezeichnet. Dieses Wellentief über
dem nordwestlichen Nordatlantik wurde am 25.01.2013 auf den Namen JOLLE
getauft. Zum Zeitpunkt der Taufe lag das Wellentief JOLLE mit einem Kerndruck
von 1000 hPa einige Hundert Kilometer südwestlich der Küste Neufundlands,
welches sich am äußersten Rand der Analysekarte befand. Die Warmfront des
Systems zog sich in einem weiten Bogen nach Nordosten und die ebenfalls vom
Tiefdruckzentrum ausgehende Kaltfront reichte über Bermuda verlaufend
bogenförmig nach Südwesten.
Im Tagesverlauf zog das kräftige Orkantief JOLLE
rasch nach Osten, so dass das Zentrum des Systems am 26.01. südlich der Küste
Grönlands lag. Vom Kern ausgehend zog sich eine Okklusionsfront, eine Mischform
aus Kalt- und Warmfront, bogenförmig nach Südwesten, wobei die Kaltfront des
Systems sich vom Okklusionspunkt, das heißt der Punkt, in dem die Kaltfront auf
die Warmfront trifft, nach Südwesten reichte. Die östlich von der Kaltfront
liegende Warmfront erstreckte sich in einem Bogen nach Südosten. Durch einen
Intensivierungsprozess, welcher auch durch die Zufuhr subtropischer Warmluft
aus Südwesten verstärkt wurde, ging der Kerndruck des Sturmtiefs bereits bis zu
diesem Tag um 01 Uhr MEZ auf 960 hPa zurück und erreichte am Mittag mit einem
Kerndruck von 932 hPa den Höhepunkt der Entwicklung. So betrug der Druckfall im
Kern des Wirbels ca. 60 hPa innerhalb von 24 Stunden, was einer beeindruckenden
und seltenen Intensivierung entspricht, der sogenannten explosiven Zyklogenese.
In der Nacht zum 27.01. war der Kerndruck des
kräftigen Orkanwirbels JOLLE leicht auf 935 hPa gestiegen. Vom Zentrum des
Systems südlich von Island verlief die Okklusionsfront bogenförmig über Island
und Schottland, wo sie sich im Okklusionspunkt in eine Kalt- und Warmfront
aufspaltete. Vom Okklusionspunkt verlief die Kaltfront in einem Bogen über die
Irische See nach Südwesten und die östlich der Kaltfront gelegene Warmfront
über England, der Bretagne bis zum Golf von Biscaya. Eine dem Tief JOLLE
vorangelagerte Okklusionsfront, die einen Warmfrontcharakter aufwies, verlief
von der Deutschen Bucht, über die Beneluxstaaten hinweg südostwärts bis Frankreich
und war von einem ausgedehnten Niederschlagsgebiet begleitet. Der Niederschlag
fiel im Nordwesten und Westen Deutschlands als Regen, der aufgrund der
vorangegangenen frostigen Temperaturen auch zu Glatteis führte. Im Osten
dagegen fiel der Niederschlag als Schnee oder Schneeregen. Im Berliner Raum
erreichten die Temperaturen den Gefrierpunkt, so dass dies dort und in höheren
Lagen zu leichtem Schneefall führte. Mit der Warmfrontokklusion des Orkanwirbels
JOLLE stiegen die Temperaturen in Deutschland auf 2 bis 6°C und es setzte sich
Tauwetter durch. Nur in höheren Lagen des Berglandes hielt sich noch leichter
Frost. Weiterhin bildete sich im Tagesverlauf an der Südflanke des Orkantiefs
JOLLE ein nachfolgendes Sturmtief namens KERIM mit einem Kerndruck von 960 hPa.
Zum Folgetag war die Okklusionsfront, die eine 16 Tage anhaltende Frostperiode
im Berliner Raum unterbrach nach Osten abgezogen.
Der Kerndruck des Tiefdruckwirbels JOLLE betrug am
28.01. um 01 Uhr MEZ 960 hPa. Vom Zentrum des Systems zogen sich eine
Okklusionsfront nach Nordwesten, sowie eine weitere in einem Bogen nach
Südwesten über Nordirland. Die Niederschläge an der Okklusionsfront fielen als
Schnee oder Schneeregen. Bis zum Abend blieb es innerhalb Deutschlands nur in
Bayern, mit Ausnahme von Franken, trocken. Der Schneeregen setzte dort erst
nachts ein, wobei südlich der Donau auch über 5 mm Niederschlag fielen.
Am 29.01. lag der Kern des Tiefdruckwirbels JOLLE,
in dem ein Luftdruck von etwa 975 hPa gemessen wurde, südlich von Island. Von
dort verlief eine Okklusionsfront bogenförmig nach Osten über das Europäische
Nordmeer bis nach Skandinavien, wo die Okklusion sich dann weiter nach Süden
über Finnland und Polen bis nach Ungarn erstreckte. Auf der Rückseite der nach
Osten abgezogenen Okklusionsfront setzte sich eine leicht labil geschichtete,
subpolare Meeresluft durch, in der sich allerdings kaum schauerartige
Niederschläge entwickelten. Besonders im Südwesten Deutschlands sowie im Harz,
im Thüringer Wald und in der Uckermark wurde Sonnenschein registriert.
Zum 30.01. verlagerte sich Tief JOLLE bei gleichbleibendem Druck wieder nach
Westen, sodass der Kern einige Hundert Kilometer vor der Südspitze Grönlands
lag. Über den Nordatlantik erstreckte sich eine Okklusionsfront des
Tiefdrucksystems nach Südwesten, sowie eine weitere bogenförmig nach Südosten
und schloss sich dann an das kräftige Orkantief LENNART an. Bis zum nächsten Tag blieb das
Tiefdruckgebiet JOLLE nahezu ortsfest, der Kerndruck stieg dabei auf 985 hPa.
Eine bogenförmig nach Südosten verlaufende Okklusionsfront war zu erkennen,
welche südlich an Island vorbei, bis über die Nordsee nach Norwegen reichte und
sich dort an das Tiefdrucksystem LENNART anschloss. Die kräftige westliche
Strömung transportierte milde Luftmassen auch bis nach Osteuropa. Der
Tiefdruckwirbel JOLLE verlor im Laufe des Tages zunehmend an Einfluss und
Wetterwirksamkeit und konnte daher nicht weiter in der Berliner Wetterkarte
analysiert werden.
Geschrieben
am 10.03.2013 von Natja Ruth Bublitz
Berliner
Wetterkarte: 27.01.2013
Pate:
Julius Kretschmer