Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet JONAS

(getauft am 30.08.2015)

 

Im Tagesverlauf des 30.08.2015 bildete sich auf der Vorderseite eines über dem Ostatlantik nach Süden ausgerichteten Kaltluftausbruchs, der von Meteorologen als Trog bezeichnet wird, ein flaches Tiefdruckgebiet aus, was in der Prognose für den Folgetag auf den Namen JONAS getauft wurde.

Das Tief befand sich am 31.08. um 02 Uhr MESZ mit seinem Zentrum über dem Westen Frankreichs und wies einen minimalen Luftdruck von ca. 1012 hPa auf. Das Tief bildete sich an der Grenze von kühler maritimer Polarluft über dem Nordatlantik und über den Britischen Inseln zu der über Mitteleuropa liegenden heißen Tropikluft. Im Zusammenhang mit dem Wirbel standen eine südliche von der Iberischen Halbinsel bis nach Mitteldeutschland verlaufende Warmfront, eine weitere im weiten Bogen von den Niederlanden über Polen bis nach Rumänien befindliche Warmfront, eine Kaltfront, die von Südengland in südwestliche Richtung auf den Atlantik verlief und eine weitere Kaltfront, die vom Osten Portugals bis in das Atlasgebirge vorzufinden war. Trotz des für ein Tiefdruckgebiet recht hohen Kerndrucks, der durch die Nichtausprägung in der Höhe zustande kommt, war das Tief sehr wetteraktiv. Über den Niederlanden und später auch über dem Nordwesten Deutschlands bildeten sich zahlreiche Gewitter, wo teils auch größerer Hagel beobachtet wurde. Schon am Morgen wurden aus dem niederländischen Herwijnen bis 08 Uhr MESZ innerhalb von 12 Stunden 67 mm Regen gemeldet. Am Abend wurde bis 20 Uhr MESZ in 12 Stunden in Leeuwarden 35 mm gemessen, auf der ostfriesischen Insel Norderney wurden noch 27 mm verzeichnet. Die Temperaturen in Deutschland waren wegen der von Süden herangeführten Tropikluft für einen letzten Augusttag rekordträchtig. Die Station Berlin-Dahlem meldete den heißesten 31.08. seit Aufzeichnungsbeginn 1908 mit 34,9°C. Weiter südöstlich wurde es z.B. in Bad Muskau an der Neiße mit 37,3°C noch heißer. Die Wärmebelastung war durch den hohen Feuchtegehalt der Luft, der z.B. durch den Taupunkt ausgedrückt werden kann, extrem. Einige Stationen in Brandenburg meldeten einen Taupunkt von über 20°C, teils 23°C, was extrem schwül ist. Dagegen wurden die nördlichsten Bereiche Deutschlands von der Warmluft nicht erreicht, in List auf Sylt wurden nur maximal 16,9°C gemessen. Der Abend verlief im Nordwesten Deutschlands schon gewittrig, im ostfriesischen Dornum fielen innerhalb einer Stunde bis 21 Uhr MESZ 21 mm, bis um 23 Uhr MESZ waren es in Leck 19 mm in einer Stunde. Dagegen wurden um Mitternacht in Berlin und Umgebung noch bis zu 26°C am Flughafen Tegel oder in Potsdam gemessen.

Die Zyklone JONAS lag am ersten meteorologischen Herbsttag des Jahres 2015 mit ihrem Zentrum über Mecklenburg und hatte sich inzwischen auf unter 1004 hPa verstärkt. Sie besaß eine Warmfront, die vom Kern über Polen und die Ukraine bis über das Schwarze Meer reichte sowie zwei Kaltfronten. Die westliche Kaltfront war vom Zentrum aus nach Südwesten orientiert und verlief über Frankreich und Spanien bis über den Atlantik, die zweite östlichere reichte vom Kern östlich an Berlin vorbei bis knapp westlich der ungarischen Hauptstadt Budapest. Letztere überquerte die deutsche Hauptstadt gegen Mitternacht und löste kleinräumige Gewitter aus, die z.B. in Kaniswall am östlichen Stadtrand 11 mm innerhalb von einer Stunde bis 02 Uhr MESZ brachten, in Wustrow an der Oder fielen sogar 24 mm Regen. Damit ging auch eine Winddrehung auf West einher, die nun kühlere Luft heranführte. Trotz dessen konnte z.B. am ehemaligen Flughafen Tempelhof mit 21,4°C noch eine Tropennacht erreicht werden, wofür die Temperaturen in der Nacht nicht unter 20°C fallen dürfen. Auch in Slubice an der deutsch-polnischen Grenze sowie Kubschütz in Nordsachsen wurden mit 21,5°C bzw. 24,1°C Tropennächte erreicht. Während es nun auch im Osten Deutschlands durch den Durchgang der ersten Kaltfront nicht mehr so heiß wurde wie noch am Vortag, gab es in Polen noch einen sehr heißen Tag. Im südpolnischen Tarnow wurden maximal 36,8°C und im ehemals ostpreußischen Ketrzyn 35,5°C erreicht. Auch Bad Muskau im äußersten Osten von Deutschland konnte mit 33,8°C einen für September extrem warmen Tag verzeichnen. Die Temperaturkontraste in Deutschland waren an diesem Tag sehr stark ausgeprägt. Während in der Südosthälfte, vor allem in Bayern, Sachsen und dem Südosten Brandenburgs noch einmal verbreitet ein Heißer Tag bis zu 34°C beobachtet werden konnte, stieg die Temperatur im Westen Deutschlands auf nur noch 17 bis 19°C an. In den Mittelgebirgen Westdeutschlands wurde beispielsweise in Schneifelforsthaus nur 14,3°C gemessen, nur wenige Kilometer weiter westlich in Mont-Rigi in Belgien sogar nur 13,4°C. Dieser Temperaturkontrast konnte nur durch teils sehr niederschlagsreiche Kaltfronten erfolgen, die im Sommerhalbjahr oftmals mit teils kräftigen Schauern und Gewittern einhergehen. Schon in der Nacht fielen in Frankreich bis 08 Uhr MESZ in 12 Stunden 65 mm in Niort oder 62 mm Niederschlag in Perrigny. In Barweiler gab es 45 mm, auf dem Kahlen Asten 37 mm und im brandenburgischen Cottbus noch 28 mm. In der Hauptstadt der Niederlausitz gab es sogar mit 91 km/h eine schwere Sturmböe der Stärke 10 auf der Beaufortskala. Diese wurde auch auf dem Fichtelberg erreicht, dort stürmte es mit 102 km/h noch ein wenig mehr. Bis zum Abend wurde die gesamte Bundesrepublik von dem Frontensystem überquert, welches die heiße Luft aus Deutschland verdrängte.

Am Folgetag um 02 Uhr MESZ befand sich das Tiefdruckgebiet JONAS mit etwa 1002 hPa über der Nordspitze von Jütland. Seine Okklusion, eine Mischfront aus Warm- und Kaltfront, reichte vom Kern etwa bis zum Kalmarsund, wo sie sich in eine über das Baltikum und der Ukraine bis nach Südrussland erstreckende Warmfront und eine über Polen und Tschechien bis nach Österreich reichende Kaltfront aufspaltete. Während nachts zuvor teils noch Tropennächte registriert wurden, sank die Temperatur nun in der gesamten Bundesrepublik unter 15°C. Besonders kalt war es z.B. im nordrhein-westfälischen Arnsberg-Neheim mit minimal 7,3°C oder in Villingen-Schwenningen im Schwarzwald mit 6,8°C. Durch das wärmende Meer blieb es am Helgoländer Südhafen mit minimal 15,5°C am wärmsten. Auch weiter östlich im Warmsektor des Tiefs blieb es mit 22,6°C im mittelukrainischen Myronivka oder im nordöstlichen Rumänien in Cotnari mit 24,2°C als Minimumtemperatur sehr warm. Tagsüber war der Schwerpunkt der Hitze nun über Bulgarien, Rumänien, Moldawien und der Ukraine auszumachen. Dort stiegen die Temperaturen auf bis zu 37°C an. Weiter westlich war es in der maritimen Polarluft wesentlich kühler, was einen sehr großen Kontrast zu den Vortagen darstellte. Es wurden in Mitteleuropa verbreitet 18 bis 21°C als Tageshöchsttemperatur erreicht. Deutlich kühler blieb es nur am Alpenrand, wo die Alpen für die Kaltfront ein natürliches Hindernis darstellen, weshalb es dort zu teils länger anhaltendem Regen kam. Im südlichen Bayern fielen verbreitet 2 bis 7 mm bis zum Abend um 20 Uhr MESZ in 12 Stunden. Etwas mehr Niederschlag gab es z.B. im österreichischen Linz mit 25 mm oder in Rudolfshütte mit 19 mm. In Graz in der Steiermark fielen im gleichen Zeitraum sogar 30 mm. Weiter nördlich hatte sich im Tagesverlauf am Okklusionspunkt, wo sich die Okklusion in Warm- und Kaltfront aufspaltet, inzwischen ein Teiltief gebildet, das zusammen mit dem Haupttief JONAS für hohe Niederschlagsmengen in Südnorwegen und Südschweden sorgte. In Kongsberg gab es bis zum Abend in 12 Stunden 43 mm, wenige Kilometer weiter in der Hauptstadt Norwegens noch 36 mm Regen. Mit einer maximalen Temperatur von etwa 14 bis 17°C regnete es auch in Schweden, in Stora Spansberget 23 mm und an der Universität von Uppsala 17 mm im gleichen Zeitraum. Auch Estland wies mit 13 mm in Kuusiku bzw. 10 mm in Tartu-Ulenurme einen nassen Tag auf.

Am 03.09. um 02 Uhr MESZ hielt sich die Zyklone JONAS knapp südlich der Südküste von Norwegen über der Nordsee und besaß einen Kerndruck von ungefähr 1000 hPa. Die Okklusion reichte bis zu dem Teiltief etwa über Stockholm, von dort aus weiter bis über den Süden von Estland, wo sie sich in eine bis nach Weißrussland erstreckende Warmfront und in eine im weiten Bogen über Polen und Ungarn bis in die Poebene erstreckende Kaltfront teilte. Während große Teile Zentraleuropas schon auf der Rückseite in teils erwärmter Polarluft lagen, waren beispielsweise die Ukraine, die östlichen Balkanregion und auch die Türkei noch in der tropischen Heißluft. Im südukrainischen Voznesensk wurden 38,3°C als Maximum gemessen, was auch dort für Anfang September extrem heiß ist. Nur wenige hundert Kilometer nordwestlich wurden auf der kalten Seite in der Westukraine in Drohobych nur maximal 17,2°C verzeichnet. In Skandinavien brachte das Tiefdruckgebiet auch in der Nacht noch zum teil ergiebigen Niederschlag. Im schwedischen Gävle wurden in 24 Stunden bis um 08 Uhr MESZ 58 mm registriert und in Oslo fielen 53 mm Regen. Bis zum Abend konzentrierten sich die Niederschläge dann mehr auf den Kernbereich des Tiefs, in Konsmo-Hoyland im Süden Norwegens wurden in 12 Stunden bis um 20 Uhr MESZ 28 mm gemessen, in Asker 21 mm und in Lista Fyr 17 mm.

Bis zum Folgetag hatte sich das Tiefdruckgebiet JONAS unter deutlicher Abschwächung weiter nach Süden verlagert, wo es sich um 02 Uhr MESZ mit etwa 1005 hPa über der zentralen Nordsee befand. Die Abschwächung war inzwischen so stark, dass es keine Fronten mehr besaß, d.h. in seiner Umgebung befand sich nur noch Luft mit ähnlichen Temperatur- und Feuchteeigenschaften bis in höhere Luftschichten. Trotz dessen wurden von den Niederlanden bis nach Dänemark teils erhebliche Niederschlagssummen gemessen. Die Ursache liegt in der sehr labilen Schichtung der Luft, d.h. einer raschen Temperaturabnahme mit der Höhe, die durch das warme Wasser der Nordsee noch verstärkt wurde. Die daraus resultierenden Schauer und Gewitter brachten z.B. im süddänischen Billund bis 20 Uhr MESZ in 12 Stunden 56 mm und in unmittelbarer Nachbarschaft in Borris 38 mm. Dagegen sind in Deutschland geringere Niederschlagsummen gefallen, auf Föhr gab es im gleichen Zeitraum 6 mm, auf Helgoland 4 mm und in Emden immerhin noch 10 mm. In den Niederlanden fielen hingegen die Schauer mit 31 mm in De Bilt oder 24 mm in Lelystad wieder kräftiger aus. Im Norden Frankreichs, den Benelux-Staaten und dem Nordwesten Deutschlands gab es in der kühlen Luft nur maximal etwa 16 bis 18°C. Besonders kühl war es in Dänemark, wo aus den schon angesprochenen niederschlagsreichen Stationen Borris und Billund nur 13,3°C bzw. 13,4°C gemeldet wurden.

Am 05.09. befand sich der Wirbel JONAS über dem Osten Dänemarks mit einem Kerndruck von ca. 1004 hPa. Zwar besaß das Tief wie schon tags zuvor keine Fronten mehr, doch reichte nun eine Konvergenzlinie etwa vom Kern über Deutschland bis nach Belgien. Diese ist ein Gebiet, wo die Luft aus verschiedenen Windrichtungen zusammentrifft und somit zum Aufsteigen gezwungen wird, was die Bildung weiterer Schauer und Gewitter zur Folge hatte. Örtlich fielen bis zum Morgen um 08 Uhr MESZ in 12 Stunden noch hohe Niederschlagssummen von z.B. 22 mm auf Föhr, 16 mm in St. Peter-Ording oder 34 mm im belgischen Stabroek.

Schon im Laufe des Vormittags zog von Norden her rasch das Tiefdruckgebiet KALLE heran, welches das Tiefdruckgebiet JONAS in seine Zirkulation aufnahm und es somit am Folgetag nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte verzeichnet werden konnte.


Geschrieben am 08.09.2015 von Dustin Böttcher

Berliner Wetterkarte: 31.08.2015

Pate: Jonas Kebsch