Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet JÜRGEN

(getauft am 14.08.2017)

 

Am 13.08.2017 um 02 Uhr MESZ befand sich ca. 850 km westlich der Küste Irlands ein noch schwach ausgeprägtes Tiefdrucksystem, welches sich in den folgenden Tagen jedoch verstärken und das Wetter in Mitteleuropa beeinflussen sollte. Am Folgetag verlagerte sich dieses Tiefdrucksystem mit Hilfe der Höhenströmung in 5,5 km Höhe weiter in Richtung Osten, bis es schließlich um 02 Uhr MESZ nur noch wenige Kilometer von der Küste Irlands entfernt war. Am selben Tag wurde das Tief in der Analyse der Berliner Wetterkarte auf den Namen JÜRGEN getauft.

Am Tauftag besaß Tief JÜRGEN einen Kerndruck von unter 1010 hPa und befand sich nur wenige Kilometer von der Westküste Irlands entfernt. Vom Zentrum des Wirbels erstreckten sich eine gebogene und relativ kleinskalige Warmfront von dem in Irland gelegenen Limerick über den Ärmelkanal bis hin zur Bretagne, sowie eine langgestreckte Kaltfront in Richtung der Azoren, die sich über dem zentralen Atlantik mit der Warmfront eines über Neufundland zu verortenden Tiefdrucksystems verband. Vor allem entlang des Warmfrontausläufers des Tiefdruckwirbels JÜRGEN entwickelte sich durch einsetzende Hebungsprozesse ein Niederschlagsfeld, welches in einigen Bereichen Irlands und Großbritanniens für teils langanhaltende Niederschläge sorgte. Mit dem Warmfrontdurchgang und der dominierenden maritimen Suptropikluft stiegen die Maximaltemperaturen im Südosten Englands auf bis zu 24°C an. Innerhalb von 24 Stunden wurden bis 08 Uhr MESZ bei leichtem bis mäßigem Regen im irischen Finner 24,0 mm, im schottischen West Freugh 10,0 mm sowie im nordirischen Lough Fea 15,8 mm Niederschlag registriert. Im gleichen Zeitraum brachte die Kaltfront im Bereich der Azoren in den Ortschaften Lajes und Santa Maria jeweils 4,1 mm Niederschlag.

Bis zum 15.08.2017 zog das Tiefdrucksystem weiter Richtung Osten, bis es schließlich um 02 Uhr MESZ mit einem Kerndruck von knapp unter 1010 hPa zentral über der Irischen See lag. Zur gleichen Zeit befand sich das Zentrum des Hochs LISA über Lettland, welches dadurch eine blockierende Wirkung auf die Westströmung ausübte und darüber hinaus für die langsame Verlagerung von Tief JÜRGEN verantwortlich war. Vom Tiefdrucksystem JÜRGEN erstreckte sich nun eine kurze gebogene Warmfront von der Irischen See bis nach Edinburgh, wo sie sich mit der Kaltfront eines nördlich von Großbritannien liegenden Tiefs verband. Die Kaltfront verlief gebogen und langgestreckt vom Zentrum des Tiefs über Bristol sowie den Ärmelkanal, bis sie schließlich über Porto endete. Beim Durchzug der Warmfront kam es im Bereich der Britischen Inseln sowie über Teilen Irlands zu Regen, welcher bis 08 Uhr MESZ des Folgetages innerhalb von 24 Stunden zu 27,0 mm im schottischen Inverbervie, 42,6 mm im englischen St. Bees Head und 36,0 mm am Flughafen von Dublin führte. Auf der anderen Seite brachte der Kaltfrontdurchgang in einigen Regionen Spaniens und vor allem im französischen Raum, aber auch in den Benelux-Ländern sowie in Deutschland leichten bis mäßigen, teils schauerartigen und von Gewittern begleiteten Niederschlag, der im niederländischen Vlissingen mit 36,7 mm innerhalb von 6 Stunden am höchsten ausfiel. Mit dem Durchgang der Kaltfront wurden zusätzlich polare Luftmassen herangeführt, wodurch die Maximaltemperaturen im französischen Raum sowie in Teilen Spaniens um 1 bis 3 Grad niedriger ausfielen, als im Vergleich zum Vortag.

Bis zum folgenden Tag hatte sich die Zyklone JÜRGEN verstärkt und mit seinem Hauptkern rasch in Richtung Nordmeer verlagert, wo er schließlich um 02 Uhr MESZ am 16.08.2017 ca. 300 km östlich von Island analysiert wurde. Die Verlagerung in Richtung Nordmeer erklärt sich durch die über Osteuropa liegende Antizyklone LISA. Dieses Hochdrucksystem führte zu einer Störung der Westströmung, sodass eine polwärtige Umlenkung der in der Westdrift wandernden Zyklone um das Hoch herum erzwungen wurde. Der Hauptkern der Zyklone JÜRGEN besaß zum Zeitpunkt der Analyse am 16.08. einen Luftdruck von knapp unter 1000 hPa. Innerhalb der vergangenen 24 Stunden wurden große Teile der Warmfront durch die nachfolgende Kaltfront eingeholt, wodurch sich entlang dieser eine sogenannte Okklusionsfront ausbilden konnte. Unter diesen Begriff wird in der Meteorologie eine Mischfront verstanden, welche durch den Zusammenschluss von Warm- und Kaltfront entsteht und die Eigenschaften beider Typen in sich vereint. Der Bereich, in dem der Zusammenschluss von Warm- und Kaltfront stattfindet, wird auch Okklusionspunkt genannt. An jenem Punkt entstand das zweite und südlicher gelegene Tiefdruckzentrum über dem südskandinavischen Raum, was häufig vorkommt, da die Luft am Okklusionspunkt in der Regel am stärksten aufsteigt. Dieser Kern, welcher über der Nordsee nördlich von Dänemark lag, besaß zum Zeitpunkt der Analyse einen Druck von ca. 1014 hPa. Das nun vollständig in eine Okklusion übergegangene Frontensystem von Tief JÜRGEN reichte vom Hauptkern bogenförmig über den skandinavischen Raum sowie über Deutschland, bis sie letztendlich über Bordeaux endete.

Mit dem Wirbel verlagerte sich im Tagesverlauf auch das ausgeprägte Niederschlagsfeld über Mitteleuropa hinweg weiter in Richtung Skandinavien. Hier zeigte sich vor allem der zweite und südlicher gelegene Kern des Tiefdruckwirbels JÜRGEN als äußerst wetteraktiv. Die aus diesem Kern resultierenden intensiven Niederschläge brachten dem mitteleuropäischen Raum weitverbreitet größere Regenmengen. Während innerhalb von 24 Stunden bis 20 Uhr MESZ leichter Regen im norwegischen Fanaraken 5,8 mm oder aber auch im schwedischen Hallands Vadero 4,4 mm brachte, sorgte langanhaltender, gewittriger und teilweise schauerartig verstärkter Niederschlag im norwegischen Tryvasshodga für Regenmengen von bis zu 38,0 mm. In der Region rund um Oslo wurden mit Niederschlagsmengen von 20 bis 30 mm im gleichen Zeitraum vielerorts ähnlich hohe Werte registriert. Diese besonders hohen Regenmengen erklären sich durch Staueffekte und Hebungsprozesse. Luftmassen werden entlang der Gebirge zum Aufstieg in kältere Schichten gezwungen, wodurch die Niederschläge in den entsprechenden Lagen besonders intensiv ausfallen. In den niedrigeren Höhenlagen fielen die Werte hingegen deutlich geringer aus. So registrierten Wetterstationen im polnischen Raum innerhalb von 12 Stunden bei leichten und ebenfalls vereinzelt von Gewittern begleiteten Niederschlägen, Regenmengen von bis zu maximal 16,0 mm. Ein sehr ähnliches Bild ergibt sich in Deutschland, wo die Niederschläge im gleichen Zeitraum an einer Wetterstation in Baruth für 11 mm sorgten, in Leipzig für 8 mm und in Kyritz für 5 mm.

Bis zum 17.08.2017 zog die Zyklone JÜRGEN weiter in Richtung Barentssee, wobei das Tief einerseits an Intensität verlor und andererseits der Einfluss auf das europäische Wettergeschehen schwand. Aus diesem Grund wurde die Zyklone JÜRGEN an diesem Tag nicht mehr namentlich in der Analyse der Berliner Wetterkarte erwähnt.

 


Geschrieben am 16.10.2017 von Christopher Guth

Berliner Wetterkarte: 16.08.2017

Pate: Jürgen Wenger