Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet JÜRGEN

(getauft am 19.09.2019)

 

Im Bereich der Warmfront eines unbenannten Tiefs südöstlich von Grönland bildete sich zu Beginn der zweiten Septemberdekade 2019 zwischen Island und Skandinavien eine Wellenstörung aus. Anhand der Prognosekarte für den 20.09.2019 um 14 Uhr MESZ wurde dieses Tiefdruckgebiet auf den Namen JÜRGEN getauft.

Das Zentrum des Wirbels JÜRGEN befand sich an diesem Tag um 02 Uhr MESZ über dem Europäischen Nordmeer zwischen Island und Skandinavien. Dort betrug der minimale Luftdruck knapp 1010 hPa. Die kurze Kaltfront westlich des Kerns ging 200 km südlich von Jan Mayen in die Warmfront des steuernden Tiefs zwischen Grönland und Island über. Die Warmfront verlief vom Zentrum ausgehend in südöstliche Richtung vom Südwesten Norwegens bis nach Ostfriesland in den Einflussbereich des Hochdruckgebietes HANNEKE. Relevanter Niederschlag fiel dabei nur im Südwesten und in den mittleren Landesteilen Norwegens. In 6 Stunden regnete es bis 14 Uhr MESZ im Großraum Trondheim bis zu 29 l/m² an der Station Afjord Ii oder 13 l/m² in Trondheim selbst. Hinter der Warmfront stieg dabei die Temperatur auf bis zu 13,7°C in Ålesund und 14,1°C in Molde. Mit einem leichten Föhneffekt stieg die Temperatur im Südosten Norwegens auf 21,5°C in Hønefoss oder 21,7°C in Landvik. Zwischen dem Tief JÜRGEN und der Antizyklone HANNEKE über Mitteleuropa verliefen die Isobaren auf der Berliner Wetterkarte in einem recht kleinen Abstand, was Windböen der Stärke 9 an der norwegischen Küste südwestlich von Trondheim bedeutete.

Mit einem unveränderten minimalen Luftdruck zog die Zyklone JÜRGEN bis zum nächsten Tag nach Osten. Da sich in der Warmfront des steuernden Tiefdruckgebietes bei Island eine kleine weitere Welle über dem Bottnischen Meerbusen neben dem Tief JÜRGEN ausbildete, verliefen die Warm- und Kaltfront zu etwa gleichen Teilen südöstlich bzw. nordwestlich des Zentrums über einer Gesamtlänge von circa 950 km. Innerhalb eines halben Tages fielen im Bereich der Fronten bis 08 Uhr MESZ beispielsweise 22 l/m² in Snåsa nordöstlich von Trondheim und 21 l/m² im norwegischen Namsskogan bei Höchsttemperaturen zwischen 10,5°C in Gartland und 13,6°C an der Station Trondheim/Voll. Zwischen dem Wirbel JÜRGEN und einem Hochdruckkeil über der Nordsee war der Druckgradient über der Mitte Norwegens lokal recht kräftig ausgebildet, was wiederum in dieser Region teils schwere Sturmböen verursachte.   

 

Bis zum darauffolgenden Tag verlagerte sich der Tiefdruckwirbel JÜRGEN nach Südosten. Um 02 Uhr MESZ lag das Zentrum nördlich von Moskau. Mit einem minimalen Druck von knapp 1000 hPa hatte es sich in den letzten 24 Stunden verstärkt. Aufgrund dieser Tatsache und der geringeren Distanz zum Hoch HANNEKE über dem Schwarzen Meer erreichte der Wind in den dazwischenliegenden Gegenden in Böen Windstärke 8. Das Regengebiet im Einflussgebiet des Tiefs JÜRGEN brachte über Osteuropa bis 08 Uhr MESZ in 12 Stunden bis zu 7 l/m² in Pskow und Polok und 9 l/m² in Nowaja Ladoga. Die Okklusion, eine Mischfront aus Kalt- und Warmfront, welche Eigenschaften beider in sich vereint, verlief dabei in südlich bis südwestlicher Richtung bis zum Okklusionspunkt zwischen Moskau und Minsk. Die Warmfront, wo langsam warme Luft über eine kalte Luftmasse aufsteigt, lag bogenförmig über der Ostukraine bis nach Moldawien. Die Kaltfront verlief westlich des Okklusionspunktes über dem Norden Weißrusslands, Lettland, der Ostsee und der Mitte Skandinaviens, wo sich die Warmfront eines Tiefs südlich von Island anschloss. In der Region um Östersund fielen in der selben Zeit bis zu 11 l/m² in Follinge und 22 l/m² in Bortnan. An der Westflanke des Hochdruckgebietes HANNEKE gelang warme Luft in den Warmsektor hinter der Warmfront der Zyklone JÜRGEN in die Ukraine und Moldawien. So betrug die Höchsttemperatur 20,8°C in Lviv, 24,1°C in Odessa oder 22,5°C in Chisinau. In Finnland wurden hinter der Kaltfront mit einer nördlichen Strömung nur noch beispielsweise 9,8°C in Tampere und 11,0°C in Turku gemessen.

Unter weiterer Verstärkung zog das Tief JÜRGEN bis zum nächsten Tag weiter nach Osten. Mit einem Druck von knapp 990 hPa lag der Kern um 02 Uhr MESZ südwestlich von Perm. Wo sich die kühlere Luft komplett unter die Warmluft geschoben hatte, entstand die Okklusion, die sich südöstlich des Zentrums erstreckte. Die Kaltfront, wo sich kalte Luft unter Warmluft schob und Konvektion bzw. Niederschlagsbildung eintrat, verlief vom Südwesten Russlands und der Ukraine nach Westen und anschließend in einem Bogen zur südlichen Ostsee. Entlang dieser Front fiel leichter Regen mit Mengen bis zu 5 l/m² in Konotop und 3 l/m² in Gomel im erwähnten Zeitraum. In der doppelten Zeitspanne regnete es an der Mischfront bis 08 Uhr MESZ zum Beispiel in Ufa 6 l/m². Mit der Passage der Kaltfront sank die Temperatur um etwa 10°C. In maritimer Arktikluft wurden 13,2°C in Danzig, 11,6°C in Kaunas und 13,3°C in Kiew erreicht. Immer noch herrschte in Wechselwirkung mit dem Hochdruckgebiet HANNEKE über dem westlichen Kaukasus und dem Hoch INGE über Skandinavien in Böen stürmischer Wind südlich des Kerns vom Tief JÜRGEN in der Region um Kasan und Samara.

Einen Tag später lag der Kern der Zyklone JÜRGEN bereits östlich des Urals zwischen Chanty-Mansijsk und Surgut am Ob. Mit einem minimalen Luftdruck von fast 985 hPa hatte es sich weiter verstärkt. Die Okklusion, an der sich eine andere Mischfront eines weiter nördlich gelegenen Tiefs anschloss, sowie die Warm- und die Kaltfront befanden sich über dem Westen Sibiriens. Der meiste Regen fiel dabei entlang der Kaltfront, wie in Tobolsk mit beispielsweise 7 l/m² in 24 Stunden bis 08 Uhr MESZ. In der selben Zeit mischten sich in Pitlyar bei höchstens 4,1°C und einer Niederschlagsmenge von 21 l/m² auch einige Schneeflocken unter. Angezapfte Arktikluft drückte die Höchsttemperatur in Tobolsk auf 8,7°C, in Tjumen auf 6,7°C und in Jekaterinburg auf 4,5°C. Weiterhin existierte ein ausgeprägter Druckgradient zur Antizyklone INGE über Weißrussland, wodurch lokal noch stürmische Böen über dem äußersten Westen Sibiriens vorkamen.

Trotz niedrigen Luftdrucks über der Karasee löste sich der Wirbel JÜRGEN bis zum nächsten Tag auf und war nicht mehr auf der Berliner Wetterkarte eingezeichnet.