Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
JULIANE
(getauft
am 02.06.2020)
In der täglichen Prognosekarte der Berliner Wetterkarte wurde am 02.06.2020
für den 03.06.2020 ein sich entwickelndes Tiefdruckgebiet über den Benelux-Ländern
auf den Namen JULIANE getauft. Die Zyklone JULIANE entstand am frühen
Abend des 02.06.2020 in direkter Nähe eines Kaltlufttropfens und auf der
Vorderseite eines schwach ausgeprägten Trogs, welcher die Entwicklung eines
Tiefdruckgebiets fördert.
Am 03.06.2020 um 00 Uhr UTC befand sich Tief JULIANE über
Amsterdam mit einem für ein Tief vergleichsweise hohen Duck von 1010 hPa. Zu
diesem Zeitpunkt war noch keinerlei Frontensystem ausgeprägt. Im Tagesverlauf
intensivierte sich der Wirbel JULIANE stetig und zeitgleich bildete sich ein
Frontensystem aus. Am Nachmittag entwickelten sich in Mitteleuropa zahlreiche
Gewitter, weshalb es lokal zu Starkniederschlägen kam. In dem Ort Braunlage,
welcher im Harz liegt, wurden zwischen 14 und 19 Uhr mitteleuropäischer Zeit
insgesamt 31,9 l/m² Niederschlag registriert. Davon fielen zwischen 14 und 16
Uhr alleine 22,7 l/m². In Helmstedt-Emmerstedt betrug
die stündliche Niederschlagsintensität sogar 28,9 l/m² zwischen 16 und 17 Uhr.
In Schauer- und Gewitternähe frischte der Wind dementsprechend zeitweise
ebenfalls auf und wehte mit starken Windböen wie in der schwäbischen Stadt
Heilbronn mit 67 km/h.
Bis zum nächsten Tag hatte sich Wirbel JULIANE nur um ca. 100 km
nach Osten verlagert und war somit stationär geblieben. Die Warmfront hatte
sich nach Norden ausgebildet und endete über Dänemark. Die Kaltfront erstreckte
sich nach Südwesten und mündete in der Warmfront des Tiefs KATHARINA, welches
über Zentralfrankreich lag. Aufgrund der schnellen Abfolge der verschiedenen
Fronten von Tief JULIANE und Tief KATHARINA war es schwierig, die Niederschläge
zuzuordnen. In Deutschland sorgte anhaltender advektiver Niederschlag in
Verbindung mit vereinzelten Gewittern für zahlreiche signifikante
Wetterzustände. Die höchsten Niederschlagssummen waren in Schleswig-Holstein,
dem Erzgebirge und dem westlichen Baden-Württemberg verortet. Auf der Insel
Föhr sorgte ein starker Schauer für eine Niederschlagsmenge von knapp 26 l/m²
zwischen 16 und 18 Uhr. Im Vergleich dazu fielen in Itzehoe zwar ebenfalls 26
l/m², allerdings über einen Zeitraum von 5 Stunden verteilt von 12 bis 17 Uhr.
Ein weiterer Blickpunkt befand sich am Fichtelberg, als dort ein Gewitter am
Nachmittag vorüberzog und über 20 l/m² innerhalb eines kurzen Zeitraums
verursachte. Windtechnisch war es ein ruhiger Tag, wobei die Windböen, welche
bei einem lokalen Gewitter auftreten, in der Regel von keiner Wetterstation
erfasst werden. Die höchste Windgeschwindigkeit wurde im Riesengebirge auf der Schneekoppe
mit 83 km/h gemessen. Weitaus besonderer war der Temperatureinbruch der
Maximaltemperatur im Vergleich zum Vortag. In Mitteldeutschland und in
Westdeutschland sank die Temperatur um bis zu 11 Kelvin. Beispielsweise meldete
die Wetterstation in Barweiler statt 23,6°C vom 03.06. nur noch 13,1°C am
04.06.
Bis zum 05.06. hatte sich Tief JULIANE mit einem Kerndruck von
unter 990 hPa zur Westküste Dänemarks verlagert. Zeitgleich bildete sich eine
Okklusion aus, welche die Merkmale einer Mischfront aufweist. Diese entsteht,
wenn die schnellere Kaltfront die vorlaufende, langsamere Warmfront einholt und
so die wärmere Luft aufsteigen lässt. Der Punkt, an dem sich die Okklusion in
Kalt- und Warmfront aufteilt, nennt man Okklusionspunkt. Dieser war über dem
Westen Polens verortet, von wo sich eine Warmfront nach Osten und eine
Kaltfront nach Süden ausbreitete. In diesem Fall war das nördliche Ende der
Okklusionslinie interessanter, da diese über den Süden Norwegens und Schwedens
überquerte. Aufgrund der zyklonalen Rotationsrichtung
des Tiefs JULIANE strömten zusätzliche feuchte Luftmassen von der Nordsee zur
skandinavischen Küste. Eine Kombination aus verschiedenen Hebungsprozessen der
Okklusion sowie aus orographischen Gründen verursachten starke und anhaltende
Niederschläge im Süden Norwegens. Die größten Niederschlagssummen lagen im
Bereich von 40 l/m² wie in Nelaug mit 38,5 l/m² oder
Valle mit 37,4 l/m² innerhalb von 12 Stunden. Die Schneefallgrenze lag hierbei
meist oberhalb der höchsten Erhebungen Norwegens, sodass ein Großteil des
Niederschlags als Regen fiel. Des Weiteren wehte der Südwestwind in den
norwegischen Küstenregionen und vor allem im Gebirge mit Sturm- bis Orkanböen.
Auf dem 1000 Meter hohem Røldalsfjellet erreichten
die Spitzenböen bis zu 143 km/h. An der Küste waren die Windgeschwindigkeiten
etwas geringer, wobei an der Station Lyngor Fyr zumindest 81,5 km/h gemessen wurden. Aufgrund der
kühlen maritimen Luftmasse sank zudem die Maximaltemperatur im Süden Norwegens
um durchschnittlich 5 Kelvin im Vergleich zum Vortag.
In Folge einer blockierenden Störung durch den stark ausgeprägten
Trog schwächte sich die Westwinddrift so stark ab, dass sich der Wirbel JULIANE
nicht wie üblich nach Osten, sondern nach Westen fortbewegte. Am Morgen des 06.06.
lag das Tief JULIANE 300 km östlich von Edinburgh mit einem Druck von unter 985
hPa. Dies führte zu großflächigen Niederschlägen in West- und Mitteleuropa,
wobei die lokalen Niederschlagsmengen vergleichsweise gering waren. In Nordwales
meldete die Wetterstation Capel Curig 20 l/m² in Form
von advektivem Regen innerhalb von 12 Stunden. Des Weiteren wurden am
Rheingraben vielerorts zweistellige Niederschlagsummen gemessen wie in Baiersbronn-Ruhestein
bei 20,2 l/m². Außerdem wehte der Wind über längere Zeit stark mit 6 bis 7
Beaufort, wobei vor allem in den Küstenregionen der Benelux-Länder und
Großbritanniens Sturmböen gemessen wurden. Auf einer Boje im Ärmelkanal wurden
immerhin Windböen mit bis zu 105,6 km/h ermittelt.
In der Nacht zum 07.06.gelangte Tief JULIANE wieder auf die
Vorderseite der Störung, sodass es durch eine nach Nordosten gerichtete
Strömung geriet und sich bis 500 km westlich von Dänemark verlagerte. Der
Kerndruck stieg bereits wieder an auf 1000 hPa. Während durch die wellende
Kaltfront des Tiefs LINDA in den Alpen teilweise dreistellige
Niederschlagssummen in wenigen Stunden zusammenkamen, war das Tief JULIANE für vereinzelte
Schauer an der Nordseeküste verantwortlich, wobei es sich dabei nur um
einstellige Niederschlagswerte handelte.
Am nächsten Tag befand sich der Wirbel JULIANE 200 km südlich der
norwegischen Südküste mit einem erhöhten Druck von 1010 hPa. Anhand des
deutlichen Druckanstieges ist eine deutliche Abschwächung der Zyklone
erkennbar, was an den folgenden Tagen an der schwachen Ausprägung der
signifikanten Wetterzustände ersichtlich war. Dies setzte sich in den
nachfolgenden Tagen fort, bis sich das Tief JULIANE in der Nacht vom 09.06. zum
10.06. schließlich auflöste.