Lebensgeschichte

 

Tiefdruckgebiet JUSSUF

(getauft am 22.01.2021)

 

Am 22. Januar 2021 gegen 18 UTC war auf der Bodendruckkarte des Deutschen Wetterdienstes (DWD) erstmals ein neuer Tiefdruckkern sichtbar, dessen Zentrum westlich von Irland lag. Dieser Kern bewegte sich bis Mitternacht auf die Nordwestküste von Frankreich zu. Um 00 UTC (entsprechend 01 Uhr MEZ) war er dann auch auf der Berliner Wetterkarte sichtbar, weshalb er von den Meteorologen bereits am 22. Januar in der Prognose für den 23. Januar auf den Namen JUSSUF getauft wurde. Er sollte, obwohl er augenscheinlich ein kleineres und nicht so mächtiges Tief war, großen Einfluss auf das Wetter in Westeuropa und Deutschland haben. Tiefdruckgebiete der nördlichen Breiten bilden häufig zwei Fronten aus: Eine Warmfront verläuft meist Richtung Osten, eine Kaltfront vom Tiefdruckkern aus Richtung Südwest. Beim Tief JUSSUF war dies allerdings anders. Hier haben sich die beiden Fronten direkt miteinander verbunden, das heißt sie sind okkludiert. Dabei dreht sich diese neue Okklusionsfront um den Kern des Tiefs meist gegen den Uhrzeigersinn ein.

Bereits in den Morgenstunden des 23. Januars begann der genannte Einfluss auf das Wetter: An der Westküste Frankreichs brachte das Tief JUSSUF teils orkanartige Böen mit einer Geschwindigkeit von bis zu 119 km/h, was Windstärke 12 auf der Beaufort-Skala entspricht. Im Fall von JUSSUF entwickelte sich das Tief innerhalb weniger Stunden und begünstigt durch starke Höhenwinde zu einem Sturmtief. Deshalb wurden diese extremen Böen gemessen. Das Sturmtief schwächte sich aber ähnlich schnell, wie es entstanden war auch wieder ab. Bereits am Nachmittag wurden nur noch vereinzelt sturmartige Böen gemessen, so etwa in Limoges (83 km/h) und in Clermont Ferrand (74 km/h). Allerdings regnete es in Bordeaux innerhalb von 12 Stunden 12 l/qm und an der Nordküste der Normandie bis zu 11 l/qm. Im Verlauf des Tages wanderte der Kern von Tief JUSSUF mit einem Druck knapp unter 995 hPa nach Nordosten über Frankreich und Belgien in Richtung der Niederlande. Die Mischfront verlief halbkreisartig Richtung Süden und drehte Richtung Westen. Dabei brachte JUSSUF auch tagsüber innerhalb von 12 Stunden noch 17 l/qm Niederschlag in Mont-de-Marsan und 12 l/qm in Millau.

In den Frühstunden des 24. Januars wurde das Zentrum des Tiefs über Luxemburg ausfindet gemacht. In der Nacht hatte die Front über Teilen von Belgien und Westdeutschland teils mäßige Niederschlagsschauer mit sich gebracht. Dabei fielen innerhalb von 12 Stunden bis 06 UTC ca. 11 l/qm bei Antwerpen und bis zu 20 l/qm im Ruhrgebiet. Dabei handelte es sich in diesem Fall sogar um Niederschlag in fester Form: Schnee. In Essen fielen vor allem in der zweiten Nachthälfte bis 08 Uhr morgens ganze 16 cm Neuschnee. Der Grund dafür ist Folgender: Schnee fällt aus den Wolken und schmilzt aber zunächst in der Luft, sodass er als Regen den Boden erreicht. Dabei sorgt er aber für eine Abkühlung der umgebenden Luftmassen. Diese sind dann irgendwann so kalt, dass der Schnee als fester Niederschlag auch den Boden erreicht und schließlich liegen bleibt. Als diese dann kalt genug war, konnte schließlich fester Niederschlag den Boden erreichen und blieb dort sogar einige Stunden liegen. Das war der erste länger anhaltende Schneefall im Jahr 2021! Im Verlauf des Tages wanderte der Kern des Tiefs JUSSUF weiter Richtung Frankfurt am Main. Dadurch wanderten auch die Fronten und somit auch die Niederschläge. Auf dem Feldberg im Taunus fielen über den Tag in 12 Stunden 11 l/qm und in Gründau-Breitenborn sogar 18 l/qm.  Der Wind war mittlerweile stark abgeschwächt, erreichte aber vormittags nochmals Böen von 76 km/h in Niederstetten und sogar 85 km/h (Windstärke 9) bei Neustadt an der Weinstraße. Am Nachmittag lag die Windgeschwindigkeit zwischen Nürnberg und Stuttgart meist bei 50-60 km/h, war also schon schwächer als am Vormittag.  Die Temperatur erreichte um 12 Uhr mittags ähnlich wie der gesamte Verlauf der Front halbkreisförmig um Frankfurt am Main herum um die 0°C. Straßburg, Luxemburg und die gesamte nördliche Hälfte Deutschlands meldeten Temperaturen von +1 bis +2°C im Osten Deutschlands und bis zu +4°C im Westen. Der Südosten Deutschlands wiederum hatte mit leichten Minusgraden von 0 bis -4°C zu tun. Passend zur Temperatur schien tagsüber am 24. Januar nur wenig die Sonne. In den Niederlanden wurden zwar 2 bis teilweise 6 Stunden Sonnenscheindauer gemessen, über dem westlichen Niedersachsen waren es aber nur 1 bis 2 Stunden. Der äußerste Westen Deutschlands erreichte ebenfalls 2 Stunden. Südlich einer Linie von Straubing über Stuttgart hinweg bis Straßburg wurden bis zu 8 Stunden Sonne gemessen. Diese sind aber dem Hochdruckkern über den Alpen geschuldet, welcher sich im Tagesverlauf ausbildete.

 

Das Tief JUSSUF war von nun an quasi stationär. Südwestlich lag die Zyklone LARS II, nordöstlich das Tief IREK und nordwestlich über Schottland wurde der Wirbel KASPER verortet. Bereits um 18 UTC am 24. Januar war Tief JUSSUF auf einigen Bodendruckkarten nicht mehr erkennbar, um Mitternacht am 25. Januar tauchte es dann auch auf der Berliner Wetterkarte nicht mehr auf. Die Lebensspanne von nur zwei Tagen ist zwar für Tiefdruckgebiete nicht besonders lang, jedoch brachte das Tief dem Westen Deutschlands immerhin zweistellige Neuschneemengen.