Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet
KAI
(getauft am 11.05.2021)
Anfang der 2. Maidekade wurde das Wetter in
West- und Mitteleuropa von einer Zyklonenfamilie
entscheidend bestimmt. Eine Zyklonenfamilie
bezeichnet mehrere Zyklonen an derselben Frontalzone. Diese erstreckte sich am
11. Mai von den Britischen Inseln in einem Bogen über Skandinavien und
Deutschland hinweg bis über den Afrikanischen Kontinent. Diese Front bestand
aus 4 Tiefdruckkernen. Da abzusehen war, dass sich zum Folgetag ein weiterer
Kern bilden sollte, welcher sich im weiteren Verlauf verstärken und
maßgeblichen Einfluss auf das Wetter Europas haben sollte, wurde er in der
Prognose für den Folgetag von den Meteorologen der Berliner Wetterkarte auf den
Namen KAI getauft.
Dieser
Kern war zum ersten Mal auf der 00 UTC Bodenwetterkarte vom 12. Mai
eingezeichnet. Er lag zu diesem Zeitpunkt mit einem Kerndruck von knapp über 1005
hPa etwa über Budapest, die Hauptstadt und zugleich größte Stadt Ungarns. Seine
Kaltfront verlief gen Süden bis nördlich von Tripolis, der Hauptstadt Libyens.
Die Warmfront hingegen verlief gen Norden und ging wenige hundert Kilometer
später östlich von Prag in die Kaltfront vom nördlicher gelegenen Tief IMMANUEL
über. Entlang der Fronten von Tiefdruckgebiet KAI gab es an diesem Tag einiges
an Niederschlägen. So wurden 12-stündige Niederschlagsmengen von über 70 l/m²
an der Station Crespano del Grappa, nahe Venedig
registriert, welche bis 06 UTC fielen. Der meiste Niederschlag in Deutschland
wurde an der Station Sigmarszell-Zeisertsweiler, nahe
Lindau am Bodensee vermeldet, wo knapp 39 l/m² fielen. Im Norden Deutschland
gab es mit verbreitet 1 bis 5 l/m² vergleichsweise wenig Regenfälle mit
Ausnahme eines Streifens von Rostock bis Karlsbad, wo Niederschlagsmengen von
bis zu 21 l/m² in Kremmen-Groß Ziethen bei Berlin oder Klitzschen
bei Torgau, wo knapp 18 l/m² gemessen werden konnten. Im nachfolgenden
12-Stundenintervall war mit Ausnahme weniger Liter pro Quadratmeter lediglich
der Süden sowie der Osten Deutschlands vom Regen betroffen, wo Mengen von bis
zu 23 l/m² in Weiden oder 18 l/m² in Obere Firstalm/Schlierseer Ber registriert
werden konnten. Im Norden des Landes, beispielsweise an der Station Ostenfeld
(Rendsburg) fielen innerhalb von 24 Stunden in beiden Intervallen zusammen
lediglich 0,6 l/m² und es konnten im Tagesverlauf sogar 2 Sonnenstunden
verzeichnet werden.
Zum
Folgetag, dem 13. Mai, zum 00 UTC-Termin verlagerte sich die Zyklone KAI kaum
und war nur leicht gen Norden gewandert. Sie lag nun nordöstlich von Wien mit
einem Kerndruck von unter 1005 hPa. Ebenfalls hatte sich eine Okklusionsfront
gebildet. Eine Okklusionsfront entsteht, wenn die vorlaufende Warmfront von der
nachfolgenden Kaltfront eingeholt und angehoben wird. Bei dieser Hebung kommt
es oft zu Starkniederschlägen und Gewittern. Der Punkt an dem die Kaltfront die
Warmfront anhebt, wird als Okklusionspunkt bezeichnet. Der Okklusionspunkt lag
genau im Kern des Tiefs. Von ihm aus verlief die Okklusionsfront in
südwestliche Richtung über Wien hinweg bis nach Marseille. Die Warmfront
verlief vom Kern aus gen Nordwesten und ging über der Ostsee in die Kaltfront
des Tiefs IMMANUEL über. Die Kaltfront hingegen erstreckte sich erst
bogenförmig gen Südosten Richtung Bukarest und drehte dann langsam gen
Südwesten und reichte bis über das Mittelmeer bis nach Bengasi, einer lybischen
Hafenstadt im Nordosten des Landes. Aufgrund der Wolkenbildung, welche mit
Okklusionsfronten einhergehen, gab es beispielsweise in den meisten Teilen des
Osten Deutschlands nicht eine Minute Sonne an diesem Tag. Die
Starkniederschläge zogen langsam aus dem deutschen Raum, wobei immer noch
12-stündige Niederschlagsmengen von bis zu 20 l/m² registriert wurden, wie an
der Station Stützengrün-Hundshübel nahe Chemnitz. Maximal wurden 21,5 l/m² in
Berlin an der Station in Marzahn gemessen. Der Schwerpunkt lag allerding weiter
im Osten. In der Slowakei an der Station in Liesek
wurden im selben Intervall bis 18 UTC beispielsweise 39 l/m² gemessen. Im
nordostitalienischen Gaiarine wurden sogar 61 l/m²
registriert.
Bis
zum 14. Mai sollte sich die Zyklone noch ein letztes Mal verstärken. Sie lag
nun etwa über Warschau und hatte einen Kerndruck von unter 1000 hPa inne. Die
Okklusionsfront verlief vom Kern aus gen Nordwesten und ging über Kopenhagen in
eine Warmfront über, welche nach Osten abknickte und etwa über Archangelsk,
einer Stadt in Russland, in die Kaltfront einer unbenannten Zyklone südwestlich
von Workuta überging. Die Niederschläge ließen allerdings größtenteils nach und
auch die Wolkendecke wurde immer löchriger. Dies ist gut zu erkennen anhand der
Sonnenstunden des Tages. Im polnischen Kolberg wurden beispielsweise 10,5
Stunden Sonne registriert, wohingegen im nur knapp 50 km entfernten Resko 1,3 Sonnenstunden gemessen wurden. Lediglich in
Skandinavien konnten noch größere Niederschlagsmengen registriert werden. In
Norwegen wurden innerhalb von 24 Stunden bis 06 UTC des Folgetages 17,3 l/m² in
Byglandsfjord und maximale 18,8 l/m² in Landvik gemessen. In Schweden wurden im selben Intervall sogar
32,8 l/m² in Vaxjo und 38,4 l/m² in Hagshult registriert.
Innerhalb
des nächsten Tages sollte sich das Tief KAI auflösen und war somit das letzte
Mal auf der Berliner Wetterkarte am 15. Mai verzeichnet. Sein Kerndruck war auf
knapp unter 1005 hPa angestiegen und sein Kern verlagerte sich gen Norden bis
über die Ostsee. Der Kern hatte keinerlei Fronten mehr, welche ihm zugewiesen
werden konnten. Daher hatte der Einfluss der Zyklone auf das Wettergeschehen
Mitteleuropas bereits an diesem Tag ein Ende gefunden.