Lebensgeschichte
Tiefdruckgebiet KALLE
(getauft am
04.09.2015)
Anfang September bildete sich über der Ostküste Grönlands
ein Tiefdruckgebiet, welches sich der Höhenströmung in 5,5 km folgend nach
Osten verlagerte. Dieses Tiefdruckgebiet wurde am 04. September auf den Namen
KALLE getauft. Der Wirbel befand sich um 00 Uhr UTC, also 01 Uhr MEZ, über der Norwegischen See
südöstlich von Jan Mayen. Dabei wurde dessen Entwicklung durch einen Trog, d.h.
einem Kaltluftvorstoß nach Süden in der Höhe, angetrieben, der sich von der
Barentssee bis zum Europäischen Nordmeer ausbreitete. Zu diesem Zeitpunkt
verlief eine Okklusion vom Kern nach Süden, änderte nach rund 500 km ihren
Charakter in eine Kaltfront und führte anschließend nach Westen bis südlich von
Grönland. Bei einer Okklusion handelt es sich um eine Mischfront, die Kalt- und
Warmfronteigenschaften aufweist. Bei diesem Prozess holt die schneller ziehende
Kaltfront die Warmfront ein, wodurch sich eine Mischfront – die sogenannte
Okklusion bildet. In Großbritannien fielen beim Durchzug des Frontensystems
meist nur geringe Niederschlagsmengen von unter 1 mm. Nur vereinzelt konnten
höhere Regensummen registriert werden, wie in Fylingdales mit 6 mm und in
Loftus Samos mit 5 mm in 12 Stunden bis 06 Uhr UTC.
Bis zum 05. September verlagerte sich der Wirbel KALLE
weiter nach Osten und lag mit seinem Zentrum, in dem der Druck knapp unter 1005 hPa betrug, über Trondheim. Vom
Kern des Tiefs KALLE ging in südliche Richtung eine bogenförmige
Okklusionsfront aus. Über der Norwegischen Südwestküste nahm diese
Kaltfrontcharakter an und führte bis nach Irland, wo sie Anschluss an eine
Warmfront fand, die sich bis Island zog. Die Ausläufer des Tiefs KALLE sorgten
für regnerisches Wetter von Südnorwegen bis Großbritannien und Norddeutschland.
Bis 06 Uhr UTC wurden im Bereich der Okklusion in 12 Stunden 23 mm in Drammen,
25 mm an der Station Alesund/Vigra und 41 mm in Fiskabygd gemessen. Mit
Aufnahme des Tiefs JONAS breitete sich das Niederschlagsfeld weiter aus. In den
folgenden 12 Stunden konnten somit in Südschweden 32 mm in Kvarn und 34 mm am
Militärflughafen Malmen bei Linköping registriert werden. In Norwegen fielen
währenddessen nochmals 12 mm in Kise, 14 mm in Trondheim und 36 mm in
Fiskabygd. Auch Dänemark und der Norden Deutschland gerieten nun in den
Einfluss des Tiefs KALLE und den dazugehörigen Niederschlägen. Im dänischen
Tylstrup wurden dabei im selben Zeitraum wie zuvor 24 mm verzeichnet. In
Deutschland lagen die Regensummen bei 11 mm in Putbus sowie jeweils 10 mm in
Bremervörde und am Flughafen Köln/Bonn.
Am 06. September befand sich das
Tiefdruckgebiet KALLE mit seinem Zentrum über Südschweden. Unter dem Einfluss
des zugehörigen Troges wurde in Deutschland und Mitteleuropa kalte Luft vom
Nordmeer herantransportiert, die labil geschichtet war. Die Schichtung der Luft nennt man labil, wenn die Temperaturänderung eines
Luftpakets bei Vertikalbewegungen kleiner ist, als die seiner Umgebungsluft. Es
ist eine der wichtigsten Voraussetzungen der Schauer- und Gewitterentstehung, deshalb wurden in der Nordhälfte Deutschlands verbreitet
Schauer, örtlich auch Gewitter beobachtet. Dadurch fielen die
Niederschlagsmengen lokal recht unterschiedlich aus. So konnten beispielsweise
bis 06 Uhr UTC 12-stündig 21 mm in Bergen-Hohne, 27 mm in Soltau und je 29 mm
in Bremervörde sowie St. Peter-Ording gemessen werden, während ansonsten
verbreitet zwischen 1 und 5 mm fielen. Auch am Alpenrand gab es Niederschläge,
die oberhalb von 1600 bis 1800 m als Schnee auftraten. Trocken blieb es dagegen
in großen Gebieten Schleswig-Holsteins im sogenannten Skandinavienföhn-Bereich.
Dabei sinkt die Luft auf der Rückseite des Norwegischen Gebirges ab und
trocknet aus, was zu einem größeren wolkenfreien Gebiet führte. Entsprechend
gab es in Schleswig 10,6 Stunden Sonnenschein. Das Frontensystem des Wirbels
KALLE bestand an diesem Tag aus einer vom Kern aus nach Südosten reichenden
Okklusion, die über Zentralpolen den Charakter einer Kaltfront annahm und sich
in südwestlicher Richtung über Tschechien und
Süddeutschland bis über den Nordosten Frankreichs erstreckte. Während am Tag
zuvor die Höchsttemperatur an der Wetterstation Prag/Ruzyne auf 18,4°C anstieg,
wurde am 06. September, nachdem die zum Tief KALLE gehörende Kaltfront über das
Gebiet gezogen war, nur 13,9°C als Tageshöchstwert gemessen. Zusätzlich
herrschte in Richtung des Tiefs KALLE ein starker horizontaler
Luftdruckgradient, wodurch in Nord- und Ostdeutschland der Wind Sturm- und
mitunter auch orkanartige Stärke erreichte. In Norderney wurde 86,5 km/h als
höchste Windspitze zwischen 00 und 24 Uhr UTC registriert, am Leuchtturm alte
Weser konnten sogar Böen bis 108,1 km/h verzeichnet werden.
Am 07. September war der Wirbel KALLE zum
letzten Mal als eigenes Druckgebilde auf der Berliner Wetterkarte zu erkennen.
Es lag mit seinem Zentrum und einem Druck von etwas unter 1005 hPa über
Nordpolen ungefähr 150 km nördlich von Warschau. Ein zugehöriges Frontensystem
konnte nicht mehr analysiert werden. Bis zu den Mittagsstunden löste sich der
Wirbel KALLE schließlich vollständig auf.
Geschrieben am 10. Oktober 2015 von Adrienn
Hegedüs
Berliner Wetterkarte: 06.09.2015
Pate: Kalle Voßloh